Arzneimittel und Therapie

Biologika bereits im Frühstadium?

Keine Abkehr von der konventionellen Therapie bei rheumatoider Arthritis

Um die rheumatoide Arthritis aufzuhalten, muss die Krankheit frühzeitig therapiert werden. Meist wird Methotrexat allein oder in Kombination mit weiteren Antirheumatika verordnet. Biologika folgen in der Regel erst in späteren Krankheitsstadien. Aktuell wird untersucht, inwiefern auch ein früher Einsatz denkbar wäre.

Die rheumatoide Arthritis ist eine schubweise verlaufende chronisch-­entzündliche Gelenkerkrankung. Schätzungsweise betrifft sie ein Prozent der erwachsenen Bevölkerung [1]. Die Krankheit ist gekennzeichnet durch schmerzhaft geschwollene Gelenke vor allem an Händen und Füßen resultierend aus einer Entzündung der Gelenkinnenhaut [2]. Unbehandelt werden langfristig umliegendes Knochen- und Knorpelgewebe geschädigt. Bewegungen fallen immer schwerer, und die beteiligten Gelenke verlieren nach und nach ihre Funktion. Dabei ist es wichtig, möglichst frühzeitig mit einer Therapie zu beginnen, um die Krankheit in ihrem Fortschreiten aufzuhalten und die Lebensqualität der Betroffenen zu erhalten [3].

Foto: khunnok studio – stock.adobe.com

Das sagen die Leitlinien

Die medikamentöse Behandlung erfolgt mit Antirheumatika, den sogenannten DMARD (Disease-modifying anti-rheumatic drug). Hierbei klassifiziert man in konventionelle synthetische DMARD (z. B. Methotrexat, Sulfasalazin, Hydroxychloroquin), zielgerichtete synthetische DMARD (z. B. Baricitinib) und biologische DMARD (z. B. Abatacept, Certolizumab, Tocilizumab). In den Leitlinien ist Metho­trexat das wichtigste Medikament und wird zuerst eingesetzt, entweder als Monotherapie oder in Kombination mit weiteren synthetischen DMARD. Bei Patienten, die auf diese Behandlung nicht ausreichend ansprechen, wird Methotrexat mit zielgerichteten synthetischen oder biologischen DMARD kombiniert [3]. Die Frage, ob Biologicals vielleicht schon früher eingesetzt werden sollten, kam in Fachkreisen immer wieder auf [4]. Derzeit gibt es allerdings wenig Untersuchungen, die die verschiedenen Kombinationen nebeneinander testen und für solch eine Strategie sprechen würden.

Früherer Einsatz von Biologika?

Die multinationale NORD-STAR-Studie aus den skandinavischen Ländern und den Niederlanden vergleicht erstmals konventionelle Therapiestrategien mit Kombinationen aus Methotrexat und drei Biologika mit verschiedenen Wirkmechanismen bei ­Patienten mit unbehandelter rheumatoider Arthritis im Frühstadium. Erste Ergebnisse dieser noch laufenden Untersuchung wurden nun veröffentlicht [5]. Die Untersuchung wurde als Open-Label-Studie durchgeführt. Die Patienten wussten also, welche Therapie sie erhalten. Die Untersuchung durch die Studienärzte erfolgte allerdings verblindet. Die insgesamt 812 Teilnehmer wurden randomisiert in vier Studien­arme aufgeteilt. Zusätzlich zu einer Hintergrundtherapie mit Methotrexat (25 mg pro Woche + 5 mg Folsäure pro Woche) erhielt die erste Patientengruppe eine konventionelle Therapie mit oralem Prednisolon (anfänglich 25 mg täglich und bis Woche 9 reduziert auf 5 mg täglich) oder Sulfasalazin (2 g täglich) gemeinsam mit Hydroxychloroquin (35 mg/kg wöchentlich oder 200 mg täglich) und zusätzlichen intra-artikulären Triamcinolon-Injektionen (maximal 80 mg pro Untersuchung). Die zweite Behandlungsgruppe bekam neben Methotrexat alle zwei Wochen subkutan 200 mg des Tumor-Nekrose-Faktor-α-Inhibitors Certolizumab (Cimzia®) injiziert, die dritte zusätzlich einmal wöchentlich subkutan 125 mg des T-Zell-Aktivierungs-Hemmstoffs Abatacept (0rencia®). Die letzte Behandlungsgruppe bekam als Biologikum den Interleukin-6-Inhibitor Tocilizumab (Roactemra®), entweder in intravenöser Darreichungsform alle vier Wochen (8 mg/kg) oder einmal wöchentlich 162 mg subkutan. Die konventionelle Therapie zu definieren, war für die Autoren eine Herausforderung, um allen regulatorischen und therapeutischen Anforderungen der teilnehmenden Staaten zu genügen. Letztendlich einigte man sich daher auf die zwei geschilderten Konzepte. Die trimodale Therapie mit Sulfasalazin, Hydroxy­chloroquin und Triamcinolon wurde in den dänischen und finnischen Zentren angewendet, während die restlichen Zentren orales Prednisolon einsetzten.

Abatacept ist Vorreiter

Um das Krankheitsgeschehen auszuwerten, wurde der „clinical disease activity index“ (CDAI) berechnet. Dieser Index berechnet sich aus der Anzahl geschwollener und druckschmerzhafter Gelenke und der Einschätzung des Gesundheitszustandes durch den Patienten und Studienarzt. Zu Beginn betrug der Wert durchschnittlich 28 und zeigte damit ein mittleres bis schweres Krankheitsgeschehen an. Im Rahmen der Studie wurde beobachtet, bei wie vielen Patienten nach 24 Wochen eine Remission der rheumatoiden Arthritis (CDAI < 2,8) eintrat. Alle getesteten Medikationen wirkten gut. 42,7% der Patienten, die konventionell therapiert wurden, erreichten eine Remission des Krankheitsgeschehens sowie 46,5% mit Certolizumab, 52,0% mit Abatacept und 42,1% mit Tocilizumab. Im Vergleich zur konventionellen Therapie sticht somit vor allem Abatacept heraus, welches rund neun Prozent wirksamer war, während sich die anderen Medikationen kaum unterschieden. Die Autoren führten zusätzlich eine Nicht-Unterlegenheits-Analyse durch. Es stellte sich heraus, dass die konventionelle Therapie Abatacept unterlegen war, nicht jedoch Certolizumab und Tocilizumab.

Fachgesellschaft sieht Leitlinien bestätigt

Die NORD-STAR-Studie ist in vielfacher Hinsicht bemerkenswert. Investigator-initiiert, d. h. unabhängig von der Industrie durchgeführt, gelang es den Studienzentren, eine enorme Zahl von 812 Patienten mit früher rheumatoider Arthritis in die Studie aufzunehmen. Im Schnitt wurden die Patienten rund zwei Wochen nach Diagnosestellung eingeschlossen, somit handelte es sich in der Tat um Fälle von sehr früher rheumatoider Arthritis. Das Ergebnis war überraschend und deutlich: Für keinen der vier Behandlungsarme wurde eine signifikante Überlegenheit erreicht. Numerisch zeigte sich Abatacept im primären Endpunkt Remission geringfügig besser als die übrigen Therapeutika. Die klinische Bedeutung dieses Unterschiedes erscheint aber gering, zumal in den meisten sekundären Wirksamkeits-Endpunkten zwischen den vier Armen kaum Unterschiede zu finden waren. Aus der hochinteressanten und wichtigen Studie sind in erster Linie zwei Schlüsse zu ziehen. Einmal ergab sich mit allen vier Therapie-Regimen eine erfreulich hohe Rate für das Therapieansprechen und für das Erreichen einer Remission. Insbesondere ließ sich aber wieder eindrucksvoll zeigen, dass es keine wirklich relevanten Vorteile für den Patienten bringt, gleich zu Beginn eine kostenintensive Biologika-Therapie zu wählen, da die Starttherapie mit konventionellen DMARD und Prednisolon, wenn sie konsequent unter Beachtung des Therapieziels „Remission“ durchgeführt wird, de facto gleich gute Ergebnisse erreicht. Damit werden auch die deutschen und europäischen Leitlinien bestätigt, die eine obligatorische Starttherapie mit Methotrexat und Prednisolon vorgeben und erst bei deren Versagen den Einsatz von Biologika oder den in NORD-STAR nicht getesteten Januskinase-Inhibitoren empfehlen. Die Bevorzugung eines bestimmten Biologikums lässt sich aus den Studienergebnissen nicht ableiten.

Prof. Dr. Klaus Krüger, Rheumatologe aus München, Prof. Dr. Andreas Krause, DGRh-Vorstand

Und die Nebenwirkungen?

Die Autoren der Studie erfassten auch die Nebenwirkungen der getesteten Therapien. Die häufigsten unerwünschten Wirkungen in allen Gruppen waren Infektionen (konventionelle Therapie: 34,5% aller Probanden; Certolizumab: 36,6%; Abatacept: 34,3%; Tocilizumab: 45,7%) sowie gastrointestinale Symptome (29,9% bis 42,1% in allen Studien­armen). Besonders Tocilizumab erhöhte zudem die Leberenzyme (30,4% gegenüber 10,7 bis 14,4% in den restlichen Studienarmen). Glucocorticoid-induzierte Nebenwirkungen wie Katarakt oder Osteoporose waren im Rahmen der konventionellen Therapie nicht erhöht (0 bis 1,5% in allen Studienarmen). Schwerwiegende Nebenwirkungen ereigneten sich in 4,9 bis 8,4% aller Fälle. Im Abatacept-Arm traten insgesamt die wenigsten Nebenwirkungen auf, und weniger Probanden beendeten diese Therapie vorzeitig (elf Probanden statt 22 bis 23 in den anderen Studienarmen). Dies trug zu der besseren Wirksamkeit des Medikaments bei, da ausgeschiedene Patienten als Non-Responder in die Analyse eingingen.

Weitere Ergebnisse stehen aus

Trotz der Größe der Studie war die statistische Aussagekraft den Autoren zufolge leider nicht groß genug, um zusätzlich auch die verschiedenen Biologika miteinander zu vergleichen. Die Untersuchung wird noch bis Woche 48 weitergeführt, um auch langfristige Effekte zu erfassen. Weiterhin sollen zwei verschiedene Dosisreduktionsschemata in Patienten, bei denen die Biologika zur Krankheitsremission geführt haben, getestet werden [6]. |
 

Literatur

[1] Hense S et al. Prävalenz der rheumatoiden Arthritis in Deutschland auf Basis von Kassendaten. Zeitschrift für Rheumatologie 2016;75:819-827

[2] Smolen JS et al. Rheumatoid arthritis. Lancet 2016;388:2023–2038

[3] Schneider M, Baseler G, Funken O et al. Management der frühen rheumatoiden Arthritis. S3-Leitlinie unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e. V., AWMF-Register Nr. 060/002, Stand Dezember 2019

[4] Smolen JS et al. EULAR recommendations for the management of rheumatoid arthritis with synthetic and biological disease-modifying antirheumatic drugs: 2016 update. Ann Rheum Dis 2017;76:960-977

[5] Hetland ML et al. Active conventional treatment and three different biological treatments in early rheumatoid arthritis: phase IV investigator initiated, randomised, observer blinded clinical trial. BMJ 2020;371:m4328

[6] ClinicalTrials.gov. Active Conventional Therapy Compared to Three Different Biologic Treatments in Early Rheumatoid Arthritis With Subsequent Dose Reduction. https://clinicaltrials.gov/ct2/show/record/NCT01491815?view=record, Abruf am 12. Januar 2021

Apotheker Dr. Tony Daubitz

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