Pandemie Spezial

Mehr Corona-Infektionen durch Pollenflug?

Risiko für virale Atemwegsinfekte auch bei Allergikern nicht erhöht

Der Frühling steht vor der Tür und damit die Heuschnupfenzeit. Zum Thema Corona und Allergie dominieren derzeit zwei Schlagzeilen die Medien: „Starker Pollenflug kann das Corona-Risiko erhöhen“ und „Heuschnupfen-Nasenspray gegen Coronaviren“. Was steckt dahinter?

In einer kürzlich im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) veröffentlichten Studie berichtet ein internationales Team unter Leitung von Forschern der Technischen Universität München (TUM) und des Helmholtz Zentrums München, dass starker Pollenflug das Risiko einer Corona-Infektion erhöhen könne [1]. Die gleichzeitige Exposition an Pollen in der Luft erhöhe die Anfälligkeit für Virusinfektionen der Atemwege, so die Annahme, und zwar unabhängig davon, ob eine Allergie vorliegt oder nicht. Ausgehend von der Hypothese, dass dies auch für SARS-CoV-2-Infektionen gelte, untersuchten die Forscher die Beziehungen zwischen SARS-CoV-2-Infektionsraten und Pollenkonzentrationen. Mit ein­bezogen wurden Parameter wie Feuchtigkeit, Temperatur, Bevölkerungsdichte und Art des Lockdown. Dabei wurden Daten von 130 Standorten aus 31 Ländern verteilt auf fünf Kontinente ausgewertet. Die Forscher stellten fest, dass nach höheren Pollenkonzentrationen in der Luft die Infektions­raten mit einer durchschnittlichen Verzögerungsrate von vier Tagen ebenfalls stiegen. Ohne Lockdown führte eine Erhöhung der Pollenmenge um 100 Pollen/m3 zu einer durchschnittlichen Erhöhung der Infektionsraten um 4%. Ein Lockdown hingegen halbierte die Infektionsrate bei ähn­lichen Pollenkonzentrationen.

Wie ist der Effekt zu erklären?

Das positivsträngige RNA-Virus SARS Coronavirus 2 (SARS-CoV-2), der Erreger von COVID-19, ist ein neues Mitglied der Familie der Betacoronaviridae. Das am nächsten verwandte Virus ist SARS-CoV, der Erreger der SARS-Epidemie von 2002. Dieses ist sehr anfällig für antivirale Interferone, die im Rahmen der körpereigenen Abwehr gebildet werden. Da SARS-CoV-2 in seinem Aufbau an den entscheidenden Stellen hohe Homologien zu SARS-CoV aufweist, ist davon auszugehen, dass auch SARS-CoV-2 auf antiviral wirksame Interferone reagiert. Als Folge einer große Pollen­exposition kann die Interferonbildung und damit auch die Immunreaktion gegen SARS-CoV-2 verringert sein. Die beobachtete Verzögerungszeit von vier Tagen beim Anstieg der Infektionsraten unterstützt diese postulierte Interferenz von Pollen mit dem angeborenen viralen Immunsystem. Zwischen Pollenflug und Corona-Infektionszahlen kann aber derzeit kein klarer Zusammenhang festgestellt werden [7]. Vermutlich sind Pollen nur einer von vielen Faktoren, die das Infektionsgeschehen beeinflussen. Da es kaum vorbeugende Maßnahmen gegen die Exposition von Pollen in der Luft gibt, empfehlen die Autoren, über den vermuteten Zusammenhang zwischen Pollenkonzentration und Infektions­rate zu informieren. Dann könnten Menschen mit einem hohen persön­lichen Risiko ermutigt werden, eine Partikelfiltermaske zu tragen, wenn die ­Pollenkonzentration hoch ist.

Corona-Impfung bei Allergikern

Immer wieder wird von schweren allergischen Reaktionen nach einer COVID-19-Impfung berichtet. Allergiker stellen sich deshalb die Frage, ob sie prinzipiell lieber auf eine COVID-19-Impfung verzichten sollten. Prinzipiell kann jede Impfung zu allergischen Reaktionen führen. Personen, die unter einer der folgenden Erkrankungen aus dem allergisch / atopischen Formenkreis leiden, haben nach derzeitiger Datenlage aber kein erhöhtes Risiko im Vergleich zur Normalbevölkerung für eine allergische Reaktion:

  • Neurodermitis
  • Nesselsucht
  • Heuschnupfen
  • gut eingestelltes Asthma bronchiale
  • Nahrungsmittelallergien (auch nicht Hühnereiweiß-Allergiker)
  • Insektengiftallergie
  • Kontaktallergie zum Beispiel gegen Nickel, Duftstoffe oder Konservierungsmittel)

Nicht geimpft werden dürfen hingegen Personen, bei denen es bereits nach der ersten COVID-19-Impfung zu einer schweren allergischen Reaktion gekommen ist oder die bekanntermaßen auf einen der Inhaltsstoffe allergisch reagieren, z. B. Polyethylenglykol, Polysorbat 80 oder Trometamol.

Patienten mit schweren allergischen Reaktion bei früheren (nicht COVID-19-) Impfungen, schweren allergischen ­Reaktionen nach Medikamenten­einnahme oder schweren allergischen Reaktionen mit unbekannter Ursache sollten vor der Impfung einen Arzt informieren, um individuell beurteilen zu ­können, ob eine Impfung möglich ist oder nicht [5, 6].

Ist Azelastin antiviral wirksam?

Ein weiteres Thema, das derzeit in den Medien verbreitet wird, beschäftigt sich mit dem antiviralen Effekt von Azelastin-haltigen Nasensprays. Bereits im September 2020 wurde dazu der Preprint einer Studie veröffentlicht, in der in vitro die Wirkung von Azelastin untersucht wurde [2]. Mittels einer computergestützten Methode zur Vorhersage neuer Anwendungsbereiche von bereits zugelassenen Wirkstoffen identifizierten die Studien­autoren zunächst Substanzen, die potenziell antiviral wirksam sein könnten. Azelastin, ein Histamin-1-Rezeptorblocker, wurde fiel in mehreren Screenings als möglicher Kandidat auf und aufgrund seines attraktiven Sicherheitsprofils und seiner Verfügbarkeit als nasale Formulierung für experimentelle Tests ausgewählt.

Die antivirale Aktivität von Azelastin wurde in vitro in SARS-CoV-2-Infek­tionstests mit Vero-E6-Affennieren­epithelzellen und rekonstituiertem menschlichem Nasengewebe getestet. Dabei wurde die Wirkung auf die ­Virusreplikation durch Quantifizierung der Virusgenome mittels Tröpfchen-PCR bewertet. Azelastin reduzierte die zytopathische Wirkung (degenerative Veränderung der Zellstruktur durch Virusinfektionen) und die SARS-CoV-2-Infektion von Vero-E6-Zellen mit einer mittleren effektiven Konzentration (EC50) von ~6 μM. Darüber hinaus war Azelastin in einem im Handel erhältlichen Nasenspray, das in einer fünffachen Verdünnung getestet wurde, hochwirksam bei der Hemmung der Virusvermehrung in SARS-CoV-2-infiziertem rekonstituiertem menschlichem Nasengewebe.

Auf Grundlage dieser Daten starteten die Firmen Ursapharm Arzneimittel GmbH und Cebina GmbH Mitte Februar 2021 eine Untersuchung, in der be­obachtet werden soll, ob mit dem als Anti­allergikum zugelassenen Pollival® ­Nasenspray sowie einer Variante mit niedriger Dosierung die Virenlast im Nasenrachenraum verringert werden kann. „Durch die Reduktion der Virenlast sei zu erwarten, dass auch die Übertragungswahrscheinlichkeit verringert und der Verlauf der Erkrankung günstig beeinflusst werde“, so die Initiatoren der Studie [3]. Die doppelblinde, placebokontrollierte Proof-of-Concept-Studie soll 90 Patienten einschließen. Diese erhalten entweder Azelastinhydrochlorid 1 mg/ml oder 0,2 mg/ml Nasenspray oder Placebo-Nasenspray, jeweils dreimal täglich ein Sprühstoß über elf Tage. Erhoben werden Daten zur Wirksamkeit der Behandlung mit Azelastin-Nasenspray indem mittels regelmäßiger quanti­tativer PCR-Messungen aus Nasen-Rachen-Abstrichen der Verlauf der medianen Viruslast von SARS-CoV-2 in den Behandlungsgruppen bestimmt wird. Darüber hinaus werden auch der Einfluss der Behandlung auf die Schwere der Symptome sowie unerwünschte Wirkungen ermittelt [4]. Laut einem Unternehmenssprecher wird ein Abschluss der Studie in den nächsten zwei Monaten angestrebt. Personen aus dem Großraum Köln mit einem positiven PCR-Testergebnis, die sich für eine Teilnahme an der Studie interessieren, können sich unter www.covid-nasenspray.info informieren. |

Literatur

[1] Damialis A et al. Higher airborne pollen concentrations correlated with increased SARS-CoV-2 infection rates, as evidenced from 31 countries across the globe. PNAS 2021;118(12):e2019034118; https://doi.org/10.1073/pnas.2019034118

[2] Konrat R. The Anti-histamine Azelastine, Identified by Computational Drug Repurposing, Inhibits SARS-CoV-2 Infection in Reconstituted Human Nasal Tissue In Vitro. https://doi.org/10.1101/2020.09.15.296228

[3] Ursapharm und Cebina starten klinische Studie zum antiviralen Effekt von Azelastin-haltigem Nasenspray im Rahmen der Bekämpfung von SARS-CoV-2. Informationen der Ursapharm Arzneimittel GmbH vom 19. Februar 2021, www.ursapharm.de

[4] Deutsches Register Klinischer Studien, DRKS00024520, https://www.drks.de/drks_web/navigate.do?navigationId=trial.HTML&TRIAL_ID=DRKS00024520

[5] Allergie und COVID-19 Impfung. Patienteninformation der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie e. V., Stand: Januar 2021, https://dgaki.de/

[6] COVID-19-Vaccine AstraZeneca (COVID-19-Impfstoff ChAdOx1-S [rekombinant]). European Medicines Agency, EMA/60496/2021

[7] Coronavirus und Pollenflug. Informationen der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst (PID) vom 10. März 2021, www.pollenstiftung.de

Apothekerin Dr. Sabine Fischer

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