Wirtschaft

Mehr Durchblick im Dschungel der Finanzwelt

Sechs Tipps für eine positive Beratungserfahrung

Informationen gemäß VVG-Informationspflichtenverordnung? Basisinformationsblatt? Allgemeine und besondere Vertragsbedingungen? Wesentliche Anlegerinformationen? Im Dschungel der Finanzwelt kann man schon einmal den Überblick verlieren. Alle vertragsrelevanten Informationen belaufen sich schnell auf über 100 DIN-A4-Seiten und nur die wenigsten lesen oder verstehen den Inhalt. Die folgenden sechs Tipps geben gute Anhaltspunkte, um unrentable oder intransparente Produktlösungen zu identifizieren und Abstand davon zu gewinnen.

Laut Statista sind die Deutschen erneut Spar-Vize-Europameister. Nur in den Niederlanden wird mehr gespart als hierzulande. Bei einem Blick auf die Statistik des Pro-Kopf-Geldvermögens stellt man als Sparer allerdings fest, dass die Deutschen dort abgeschlagen im Mittelfeld zu finden sind – hinter EU-Ländern wie Italien, Frankreich oder Schweden. Doch womit kann dies begründet werden? Des Deutschen liebstes Kind bei der Möglichkeit zur Geldanlage sind – neben Girokonto und Sparbuch – nach wie vor Renten- und Lebensversicherungen sowie Bausparverträge. Sind diese Anlagemöglichkeiten noch zeit­gemäß in Anbetracht von Kosten, Effizienz und Transparenz? Durch die richtigen Fragen kommen Verbraucher garantiert zur passenden Lösung.

Foto: be free/AdobeStock

Die Verantwortung selbst in die Hand nehmen! Mit guter eigener Vorbereitung kann Sie ein Finanzexperte gut auf Ihrem Weg durchs Finanzdickicht begleiten.

Finanztipp Nr. 1: Rationalität anstatt Emotionalität

Produkte der Finanzindustrie sind Vertrauensgüter und somit sehr anfällig für emotional getroffene Entscheidungen. Anders als beim Kauf eines neuen Autos – das kann man beim Händler begutachten und Probe fahren – werden Verträge wie Lebens- und Rentenversicherungen mit sehr viel Emotionen und Vorstellungskraft vertrieben. Der Verbraucher verlässt sich häufig auf die Meinung eines vermeintlichen Experten und studiert Vertragsinformationen in der Regel nicht so detailliert, wie es bei einer sehr langfristigen Entscheidung angebracht wäre. Bei einer zielführenden und neutralen Finanzberatung kommt es einzig und allein auf rationale Zahlen, Daten und Fakten an. Das blinde Vertrauen zu einem Berater kann ein folgenschwerer und sehr teurer Fehler sein.

Finanztipp Nr. 2: Vorbereitung anstatt Nachsehen

In ein Beratungsgespräch zum Thema Finanzen sollte man als Verbraucher niemals unvorbereitet gehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es bei dem Gespräch um Kapitalanlagen, Vorsorgen, Finanzierungen oder Versicherungen geht. Die vorherige Skizzierung der eigenen Erwartungen, Ziele und Wünsche oder auch Befürchtungen ist elementar wichtig und kann während eines kompletten Beratungsprozesses sehr wertvoll sein. Der positive Nebeneffekt eigener Aufzeichnungen ist, dass man rational bleibt und sich auf die wirklich wichtigen Dinge fokussiert. Elementare Überlegungen zu Anlageziel und -horizont oder der Wunsch nach Unabhängigkeit, Transparenz und Verständlichkeit sollten vorab auf­geschrieben und in die Gespräche transportiert werden. Weitere Gedanken zu möglichen Steuervorteilen, eigenem Risikoverhalten, gewünschter Vererbbarkeit oder Flexibilität können ebenfalls sinnvoll sein.

Finanztipp Nr. 3: Den Wolf im Schafspelz erkennen

In Deutschland tätige Finanzberater sind gesetzlich dazu verpflichtet, den Kunden vor einem ersten Beratungsgespräch in Form einer Kundeninformation über die Kontaktdaten, den Status der behördlichen Zulassung und die möglichen Vergütungsformen zu unterrichten. Langjährige Erfahrungen in der Finanzbranche zeigen immer wieder, dass Kunden den Status ihres eigenen Beraters nicht kennen. Diese Informationen dienen dem Schutz der Verbraucher und lassen direkt erkennen, ob ein Berater als Versicherungsvertreter, Mehrfachagent, Makler oder Versicherungsberater (Honorarberater) bei der zuständigen Behörde registriert ist. Außerdem deuten die unterschiedlichen Vergütungsformen auf mögliche Interessenkonflikte eines Beraters hin.

Die IHK-Registrierung eines Versicherungs- oder Finanzanlagenvermittlers gibt dem Verbraucher die Sicherheit, dass er über eine ausreichende Sachkunde sowie eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung verfügt und seine Vermögensverhältnisse geordnet sind. Diese Eintragung ist im IHK-Vermittlerregister unter www.vermittlerregister.info nachzuvollziehen.

Infobox: Vergütungen von Finanzberatern

Abschlussprovision bei privaten Renten- oder Lebensversiche­rungen: Höhe bis zu 5 Prozent der gesamten Beiträge. Diese einmalige Gebühr wird für den Vertrieb eines Produktes berechnet. Bei laufender Beitragszahlung wird sie über mindestens 5 Jahre mit den Beiträgen verrechnet und ist bereits einkalkuliert. Beispiel: Private Rentenversicherung gegen Einmalbeitrag 100.000 Euro = 5000 Euro Abschlussprovision.

Abschlussgebühr bei Bauspar­verträgen: Höhe bis zu 1,6 Prozent der Bausparsumme. Die Gebühr wird mit den ersten Sparraten verrechnet. Beispiel: Bausparvertrag mit 100.000 Euro Bausparsumme = 1600 Euro Abschlussgebühr.

Ausgabeaufschlag: Höhe bis zu 6 Prozent auf den Anlagebetrag. Diese Vertriebsprovision ist für den Vertrieb von Finanzanlageprodukten vorgesehen.

Incentives: Darunter versteht man sonstige Geldleistungen oder geldwerte Vorteile für den Vertrieb der Anlage wie zum Beispiel Wettbewerbsreisen oder Sachgeschenke.

Hinzu kommen weitere Gebühren wie laufende Verwaltungskosten, Kick-Back-Provisionen, laufende Kosten vom Kapital, externe Fondskosten oder Stückkosten.

Honorar: Höhe zwischen 150,00 – 250,00 Euro pro Stunde. Diese Ausnahme gilt ausschließlich für registrierte Versicherungs- oder Honorar-Finanzanlagenberater. Per Gesetz dürfen diese Berater keinerlei Provisionen oder sonstige Vergütungen von Dritten annehmen. Sie stellen ähnlich wie ein Steuerberater ausschließlich Zeit und Know-how in Rechnung.

Finanztipp Nr. 4: Erst verstehen, dann unterschreiben

Beim gesetzlich vorgeschriebenen Beratungsprozess im Finanzanlagenbereich ist die umfangreiche Kundenaufklärung über Kosten, Nebenkosten und Risiken der individuellen Produktlösung mit anschließender Dokumentation verpflichtend. Bei der Geeignetheitsprüfung werden Kenntnisse und Erfahrungen zu Anlageprodukten, finanzielle Verhältnisse inkl. Verlusttragfähigkeit, Anlageziele und Risikotoleranz abgefragt und dokumentiert. Im Versicherungsbereich gibt es ähnliche gesetzliche Dokumentationsvorschriften.

In jedem Fall sollten alle entscheidungsrelevanten Informationen vor Vertragsabschluss vorliegen und Fragen oder Unklarheiten vollständig geklärt bzw. beseitigt worden sein. Es ist ratsam, eine vertraute Person oder die unabhängige Meinung einer Verbraucherzentrale bei der Entscheidungsfindung mit einzubeziehen.

Finanztipp Nr. 5: Schuldenabbau vor Vermögensaufbau

Um langfristig von einer Finanzberatung bestmöglich zu profitieren, sollte man darauf achten, dass die gesamte finanzielle Situation betrachtet wird. Der mittel- und langfristige Kapitalaufbau sollte sich immer dem Aufbau eines Notgroschens für Unvorhersehbares unterordnen. Ebenfalls wichtig für eine ganzheitliche Finanzplanung ist die Analyse und mögliche Ab­löse der aktuellen Schuldenlast – sei es ein Privat-, Haus- oder Geschäftskredit.

Da die Vermittlung von Versicherungsprodukten und die Vermittlung von Finanzanlageprodukten in der Gewerbeordnung in unterschiedlichen Paragrafen geregelt sind, sollte darauf geachtet werden, dass die Beratung möglichst umfassend und ergebnisoffen erfolgt. Die eingeschränkte Produktauswahl eines Finanzberaters ausschließlich für Versicherungs­lösungen kann daher zu einer einseitigen und nicht freien Anlageempfehlung führen – ebenso wie umgekehrt.

Wichtiger Bonustipp!

Hinweise und transparente Informationen zu den unterschiedlichen Produktkosten finden sich im Produktinformationsblatt.

Finanztipp Nr. 6: Druck rausnehmen und durchatmen

Eine weitreichende finanzielle Entscheidung unter zeitlichem Druck zu treffen, ist sehr gefährlich, und ein paar Tage Bedenkzeit, um Angebote überdenken zu können oder überprüfen zu lassen, sind sehr gut investiert. Auch das Vertrauen zu einem Finanzberater ist grundsätzlich gut, allerdings sind solche Entscheidungen individuell zu treffen und nicht von einer Vertrauensbeziehung abhängig zu machen. Bei Geld hört die Freundschaft schließlich auf. Vorsicht ist an dieser Stelle besser als Nachsicht – auch und speziell wegen der weiteren Beziehung zum Berater des Vertrauens.

Bei Finanzberatungen, die bereits im Erstgespräch auf konkrete Produkt- oder Anlagelösungen abzielen, ist ganz besondere Vorsicht geboten – Wünsche und Ziele des Verbrauchers sollten oberste Priorität haben. Ein Arzt stellt ebenfalls keine Diagnose ohne vorherige Untersuchung.

Fazit

Folgende Dinge sind Voraussetzung für eine positive Beratungserfahrung:

  • Besser zu viele als zu wenige Fragen stellen – es geht um viel Geld!
  • Analyse und Verständnis der produktinternen Kosten – diese knabbern erheblich an der Rendite!
  • Alle entscheidungsrelevanten Informationen verstehen.
  • Eigene Emotionen beherrschen. |

Mathias Paulinyi ist tätig als Honorar-Finanzanlagenberater. Er ist gesetzlich verpflichtet, auf die Zahlung von Provisionen durch Produktgeber zu verzichten. Bei seiner Kundenberatung stellt er ausschließlich seine Zeit und sein Know-how in Rechnung.
www.investmentduo.de

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