Gesundheitspolitik

Kein Testzertifikat ohne Kontakt

Fragwürdige Online-Bürgertests: Wettbewerbszentrale geht gegen DrAnsay vor

ks | Seit deutschlandweit 3G am Arbeitsplatz sowie in Bus und Bahn gilt und die Bürgertests ihr Comeback gefeiert haben, freuen sich Online-Anbieter für Bürgertests großer Beliebtheit. Ganz ohne Arzt oder sonstigen persönlichen Kontakt werben sie mit Zertifikaten für zu Hause durchgeführte Selbsttests. So auch DrAnsay, ein Hamburger Start-up, das 2019 mit online erstellten AU-Bescheinigungen den Markt aufmischte. Nun hat die Wettbewerbszentrale eine einstweilige Verfügung gegen das Unternehmen erwirkt. (Az.: 406 HKO 129/21)

Seit einem Monat wirbt die Plattform mit der kostenlosen Ausstellung von Genesenen- und Testzertifikaten: Für Ersteres muss ein positiver PCR-Test vorgezeigt werden, der höchstens sechs Monate alt ist. Dann füllt der Kunde einen Fragebogen aus und erhält „nach 5 Minuten das Zertifikat von Online Ärzten als PDF-Datei“. So läuft es auch bei den Testzertifikaten: Kunden machen den Schnelltest selbst zu Hause, übermitteln per Foto das Ergebnis, füllen einen Online-Fragebogen aus – und fünf Minuten später gibt es das Zerti­fikat. „Nur mit unserer smarten Lösung für Genesenen- und Selbsttest-Zertifikate sind die neuen 3G-, 2G- sowie 2G+-Regeln sicher, praktisch und ab sofort für Millionen Bürger zu erfüllen“, jubelte das Unternehmen am 19. November in einer Pressemitteilung. Firmengründer Dr. jur. Can Ansay stellt auch ein Rechtsgutachten auf der Webseite bereit, das zeigen soll, dass das Angebot alle rechtlichen Anforderungen erfüllt. Denn daran kann man durchaus zweifeln.

So erhielt die Wettbewerbszentrale etliche Beschwerden und Anfragen zu diesem Angebot. Dort machte man selbst den Test: Probeweise wurde ein Testzertifikat bestellt. „Dabei wurde das mitgeteilte Testergebnis nicht kontrolliert oder angefordert“, so die Wettbewerbszentrale. Trotzdem habe eine Ärztin das Zertifikat für das Ergebnis eines Selbsttests ausgestellt – ganz ohne Kontakt zur bestellenden Person. Die Ärztin bestätigte, dass die in dem Zertifikat genannte Person keine Symptome habe und nicht mit dem Coronavirus infiziert sei, da sie einen negativen Antigen-Test gemacht habe – „unter meiner fachärztlichen Überwachung meiner Arztpraxis“.

Die Wettbewerbszentrale meint: Die Werbung von DrAnsay ist irreführend. Es werde der unzutref­fende Eindruck erweckt, es handele sich um ein rechtswirksames Testzertifikat, das überall dort, wo Testnachweise notwendig sind, vorgelegt werden könne. Aber: Die Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung sieht für einen gültigen Testnachweis vor, dass dieser von einem Leistungserbringer vorgenommen oder überwacht wurde. Werde der Nachweis ganz ohne Arztkontakt ausgestellt, entspreche dies nicht der Verordnung. Zudem seien die Angaben auch inhaltlich unzutreffend, weil der Test weder in einer Arztpraxis noch unter fachärztlicher Aufsicht durchgeführt worden sei.

Die Wettbewerbszentrale mahnte DrAnsay zunächst ab. Als dies erfolglos blieb, beantragte sie eine einstweilige Verfügung beim Landgericht Hamburg. Nun hat das Gericht dem Unternehmen vorläufig untersagt, für die Ausstellung von Selbsttestzertifikaten zu werben oder Testzertifikate auszustellen, sofern der Test nicht von dem ausstellenden Arzt oder der Ärztin vorgenommen und überwacht wird. Gegen den Beschluss kann DrAnsay noch Rechtsmittel einlegen. Sein Online-Angebot hat DrAnsay bislang nicht umgestellt.

Auch AU-Scheine im Visier

In einem anderen Verfahren, das die Wettbewerbszentrale gegen DrAnsay wegen seiner Werbung für digitale Krankschreibungen ohne Arztkontakt führt, musste das Hamburger Unternehmen ebenfalls schon eine Schlappe hinnehmen: Das Landgericht hatte die Werbung hierfür bereits im Oktober untersagt. Mittlerweile hat das Oberlandesgericht Hamburg die Berufung des Start-ups zurück­gewiesen. Hier geht es um einen Verstoß gegen das Werbeverbot für Fernbehandlungen (§ 9 HWG). Die Krankschreibungen gibt es ebenfalls nach dem Ausfüllen eines Online-Fragebogens, auf dem unter anderem Symptome und die Dauer der gewünschten Krankschreibung anzukreuzen sind. Ein „Privatarzt“ stellte dann die Bescheinigung aus.

Laut Wettbewerbszentrale befand das Gericht, dass dieses AU-Modell nicht den ärztlichen fachlichen Standards entspreche. Deshalb dürfe dafür auch nicht geworben werden. Eine Ausnahme vom grundsätzlichen Werbeverbot für Fernbehandlungen ist nämlich nur anzunehmen, „wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärzt­licher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist“. |

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