Gesundheitspolitik

Der Apotheken-Ökonom: Fusionitis – das Marktdilemma des pharmazeutischen Großhandels

Prof. Dr. Andreas Kaapke 

Nachdem einige Jahre etwas Ruhe in die Zusammenlegungs- und Fusionspläne im pharmazeutischen Großhandel eingekehrt war, hat das Thema zuletzt wieder Fahrt aufgenommen. Nun könnte dies der Apothekerschaft halbwegs egal sein, ganz so banal ist es aber nicht. Die zunehmende Oligopolisierung auf der Anbieterseite bei den pharmazeutischen Großhändlern verringert die Möglichkeiten für Apotheken, sich den richtigen Partner auszuwählen. In der Vergangenheit war immer von vier Geschäfts­modellen innerhalb des pharmazeutischen Großhandels die Rede. Erstens gab es die internationalen Konzerne, die zwischenzeitlich auf zwei zusammengeschrumpft sind. Hier deuten sich im internationalen Bereich weitere Konsolidierungen an, was vermutlich bedeuten dürfte, dass auch an dieser Stelle ggf. weitere Zusammenschlüsse in Deutschland zumindest nicht gänzlich unwahrscheinlich sind. Zweitens gibt es die beiden Genossenschaften, die schon in den letzten Jahren recht aktiv waren, wenn es darum ging, sich Anteile des Marktes zu sichern. Von der Linde und Fiebig bei der Sanacorp sowie Kapferer und Ebert & Jacobi in Richtung Noweda stehen hier beispielhaft für die Marktaktivitäten. Daran kann man gut erkennen, welche Optionen für die Genossenschaften bestanden und auch an wen seitens des zu verkaufenden Großhandels der Zuschlag ging. Drittens gibt es die unabhängigen inhabergeführten Großhandlungen, als Pharma-Privat-Gruppe bekannt, die sich von der bundesweiten Flächendeckung durch die Abgänge eher verabschieden musste. Schließlich kommt mit AEP ein viertes, nach wie vor vom klassischen Großhandelsmodell aus den Punkten eins bis drei abweichendes Geschäftsmodell dazu, wobei durchaus Annäherungen beobachtet werden können.

Im Staat existieren mit dem Bundeskartellamt und der Monopolkommission zwei dem Bundeswirtschaftsministerium unterstellte ­Institutionen, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit der Frage der Marktform beschäftigen. Hier geht es darum, den Wettbewerb zu schützen und sicherzustellen, dass ein hinreichender Wett­bewerb zustande kommt. Diese für die Wahrung des Wettbewerbs zuständigen Institutionen werden sich fragen lassen müssen, warum die Oligopolisierung hin zu einer ggf. sich andeutenden Monopoli­sierung überhaupt möglich und gewünscht war und ist. In der Betriebswirtschaftslehre ist das oberste Ziel der Fortbestand des Unternehmens. Natürlich kann hier auch im weitesten Sinn verstanden werden, ungeachtet in wessen Hand das Unternehmen weitergeführt wird. Wenn aber aus Sicht des bisherigen Eigentümers der Verkauf eines Unternehmens als bessere Variante zur Weiterführung verstanden wird und das Strategie-Postulat „wachse oder weiche“ in einer Wertschöpfungsstufe Blüten treibt, muss sich – insbesondere in einem stark geregelten Markt, in dem eben auch die Honorierung gesetzlich vorgegeben ist – der Staat fragen lassen, ob die von ihm geschaffenen Rahmenbedingungen noch hinreichend attraktiv sind. Denn diese Zusammenschlüsse suchen ja vor allem Größenvorteile, um die am Markt kaum noch zu generierenden Umsatz- und Margen­erfolge über Kosteneinsparungen zu kompensieren und insgesamt eine noch hinreichende Rentabilität zu erwirtschaften.

Die zu erbringende Leistung, die sich durch zahlreiche Gesetze eher gesteigert denn verringert hat, macht diesem Ansinnen ab einem gewissen Grad einen Strich durch die Rechnung. Sind die Unternehmen mit eigenständiger Rechtsform signifikant rückläufig, hat sich die Zahl der Niederlassungen aber keineswegs entsprechend reduziert. Denn das Geschäftsmodell bisheriger Prägung sieht eben über einem gewissen Radius eine entsprechende Lieferung in der von den Apotheken gewohnten Taktung nicht mehr vor.

Und manche Apotheken handeln dann irrational, wenn sie die Warenbeschaffung auf zu viele Großhändler verteilen und damit ggf. Mengenrabatte nicht im möglichen Maße ausschöpfen oder gar direkt beziehen von für sie besonders wichtigen Herstellern und damit Cherry Picking betreiben, was zwar auf der einen Seite (gegenüber dem Hersteller) Vorteile verspricht, auf der anderen Seite die Konditionen mit dem Großhandel im Zweifel verschlechtert.

Insgesamt braut sich eine alles andere als optimal zu bezeichnende Gemengelage zusammen, die schlimmstenfalls in Versorgungslücken logistischer Art mündet. Da der Staat auch bei den Apotheken die Honorierung nicht adäquat anpasst, sind diese auf die Rabatte des Pharmagroßhandels angewiesen. Wenn irgendwann dort nicht mehr fusioniert werden kann oder der Gesetzgeber dafür final einen Riegel vorschiebt, wird der Großhandel sukzessive mit Kürzung der Rabatte reagieren müssen. Dies wird der einen oder anderen Apotheke den Todesstoß geben. Wenn Direktbelieferungen durch die Hersteller zunehmen und Rosinenpickerei kultiviert wird, werden Leistungseinbußen die Folge sein, und wenn dann aus Sicht des Großhandels die Zahl der Kunden ob der beschriebenen Effekte weiter sinkt, wird der Wettbewerb nochmals befeuert. In der Volkswirtschaftslehre nennt man diese Situation Marktdilemma. Die Politik hat es so weit kommen lassen, da die dafür vorgesehenen Instrumente der Globalsteuerung nicht oder unzureichend gespielt wurden. Nun bleibt der Politik nur die Anpassung der Honorare sowohl auf Großhandels- wie auch auf Apothekenebene, was in beiden Fällen längst überfällig ist. |

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

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