Gesundheitspolitik

E-Rezept: Bundesweiter Roll-out muss warten

Gematik will länger in Fokusregion testen / Einführungspflicht ab Anfang 2022 bleibt

eda | Völlig unerwartet kam die offizielle Meldung der Gematik am vergangenen Donnerstag nicht: Die E-Rezept-Testphase in der Fokusregion Berlin-Brandenburg wird verlängert. Damit verzögert sich der bundesweite Roll-out, der eigentlich für den 1. Oktober 2021 vorgesehen war. Als Grund für die Planänderung gibt die Gematik an, dass viele Arztpraxen noch gar nicht die technische Möglichkeit haben, E-Rezepte auszustellen, und dass viele Versicherte noch nicht über die neueste Generation der elektronischen Gesundheitskarte mit NFC-Schnittstelle und dazugehöriger PIN verfügen, die es zur Anwendung der Gematik-App braucht. Die Entscheidung über die Verschiebung soll am Mittwoch und somit in letzter Minute in der Gesellschafterversammlung der Gematik gefallen sein. Hinter vorgehaltener Hand hatten sich in den letzten Wochen immer mehr Beobachter und Verantwortliche skeptisch geäußert. Der Roll-out soll nun im Dezember stattfinden. Die Einführungspflicht zum 1. Januar 2022 bleibt.

Die bundesweite Einführung des E-Rezepts war ursprünglich für Juli 2021 geplant. Nach einer sechsmonatigen freiwilligen Erprobungsphase hätte die E-Rezeptpflicht zum Jahreswechsel gegriffen. Doch im Juni 2021 wurde überraschend verkündet, dass die Gematik alle Prozesse noch mal genauer auf Herz und Nieren prüfen will und das E-Rezept nur in einer Fokusregion, in Berlin-Brandenburg, austestet. Für den bundesweiten freiwilligen Start nahm man den 1. Oktober ins Visier.

Weitere Verschiebung wurde erwartet

Doch hinter vorgehaltener Hand hatten sich in den letzten Wochen und Monaten nach dem E-Rezept-Startschuss in Berlin-Brandenburg immer mehr Vertreterinnen und Vertreter der Ärzte- und Apothekerschaft, der Software­anbieter sowie der Rechenzentren skeptisch geäußert, weil es bei den technischen Prozessen nach wie vor viele offene Fragen und Baustellen gibt.

© Kai Felmy

Beteiligte der Testdurchläufe in der Fokusregion sprachen beispielsweise davon, dass bisher vor allem „Dummy-Rezepte“ ausgestellt wurden. Außerdem wären zahlreiche Praxissysteme noch gar nicht richtig E-Rezept-tauglich, auch wenn sie von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) eine entsprechende Zerti­fizierung aufweisen. Über diese technischen Fragen hinaus zeigten viel zu wenige Arztpraxen Begeisterung und Bereitschaft, an den Tests teilzunehmen.

Die ursprünglich auf drei Monate angelegten Probedurchläufe in der Metropolregion sollen laut Gematik nun bis Ende November fortgesetzt werden.

Nach wie vor hält man aber an der verpflichtenden Einführung der ­E-Rezepte im Januar 2022 fest. Bundesweit hätten die ­Apotheken dann lediglich im ­Dezember Zeit, sich mit dem ­E-Rezept und den neuen Abläufen vertraut zu machen. Apothekensoftwarehäuser haben angekündigt, im vierten Quartal entsprechende Schulungsangebote auf­zustellen.

Leyck Dieken: E-Rezepte kommen 2022 „nach und nach“

Lars Polap begleitet als Geschäftsführer des Apothekensoftware­hauses Pharmatechnik sowie als Vorstandsmitglied des Bundesverbands der Apothekensoftwarehäuser (ADAS) die Aktivitäten in der Fokusregion. Er hält es für vernünftig, dass weiterhin Testdurchläufe stattfinden. Man müsse einer hohen Anzahl der Beteiligten die Gelegenheit geben an einem Ende-zu-Ende-Test teilzunehmen, so Polap im Gespräch mit der Redaktion. Er glaube zudem nicht, dass ab Januar der „große Hebel zentral umgelegt werden kann“ und es ab dann nur noch E-Rezepte gibt. Auch Gematik-Chef Markus Leyck Dieken machte dies in einem letzte Woche veröffentlichten Statement deutlich: Das E-Rezept werde Anfang 2022 nicht wie auf Knopfdruck überall zu haben sein, sondern „nach und nach flächendeckend zur Verfügung stehen“. Und weiter: „Je nach technischer Ausstattung werden Praxen und Apotheken mit der Zeit in der Lage sein, E-Rezepte auszustellen be­ziehungsweise einzulösen.“ |

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