Management

Arbeitnehmer im Notdienst

Voraussetzungen und Grenzen des Einsatzes

Jede Apotheke übernimmt regelmäßig Notdienste. Im Vorfeld müssen vielfach verschiedene organisatorische Fragen geklärt werden. Ein wichtiger Bestandteil der Vorbereitung auf eine Notdienstbereitschaft ist dabei die Koordination des Arbeit­nehmereinsatzes.

Dabei muss nicht nur festgelegt werden, wer den konkreten Notdienst übernimmt. Vielmehr muss der Apothekeninhaber auch sicherstellen, dass die Notdienste einer Apotheke gerecht unter Beachtung der geltenden Bestimmungen unter den dafür in Betracht kommenden Personen verteilt werden. Schließlich kann sich – insbesondere wenn ein zum ­Notdienst eingeteilter Arbeitnehmer davor oder danach noch einen normalen Dienst in der Apotheke übernehmen soll – die Frage stellen, in welchem Umfang dies unter Beachtung der geltenden Regelungen möglich ist. All diese im Kern arbeitsrechtlichen Fragen werden ausführlich im kürzlich erschienenen Handbuch Notdienst-Retter behandelt. Einige der zentralen, regelmäßig aufkommenden Fragen werden in diesem Beitrag kurz dargestellt.

1. Wer kann im Notdienst eingesetzt werden?

Der Kreis der notdienstberechtigten Arbeitnehmer ist bekanntermaßen beschränkt. So können nach §§ 23 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO), § 2 Abs. 5, 6 ApBetrO nur approbierte Apotheker oder unter bestimmten Voraus­setzungen Pharmazieingenieure und Apothekerassistenten im Notdienst eingesetzt werden (siehe dazu im Einzelnen Kap. 4 im Notdienst-Retter). PTA oder PKA dürfen den diensthabenden Apotheker allenfalls unterstützen.

Auch grundsätzlich notdienstberechtigte Arbeitnehmer können allerdings nur zum Notdienst eingeteilt werden, wenn sie dazu arbeitsvertraglich verpflichtet sind. In tarifgebundenen Apotheken ergibt sich diese Verpflichtung unmittelbar aus dem Bundesrahmentarifvertrag (§ 5 Abs. 2 BRTV). In Apotheken ohne Tarifbindung empfiehlt sich, eine entsprechende Verpflichtung ausdrücklich in den Arbeitsvertrag aufzunehmen oder im Arbeitsvertrag auf § 5 BRTV zu verweisen, damit für die Arbeitnehmer klar erkennbar ist, dass sie Notdienste übernehmen müssen.

2. Wie oft können einzelne Arbeitnehmer im Notdienst eingesetzt werden?

Besteht eine tarif- oder arbeitsvertragliche Verpflichtung zur Ableistung von Notdiensten, können die jeweiligen Arbeitnehmer dennoch nicht (gegen ihren Willen) unbegrenzt zum Notdienst herangezogen werden. In tarifgebundenen Apotheken darf ein Apotheker vielmehr nur die Hälfte der von der Apotheke zu übernehmenden Notdienste übernehmen (§ 5 Abs. 4 BRTV; siehe dazu im Einzelnen Kap. 14 im Notdienst-Retter). Auch bei nicht tarifgebundenen Apotheken muss im Rahmen des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts eine gerechte Verteilung gewährleistet werden. Hält ein Apothekeninhaber bei der Verteilung der Notdienste diese Vorgaben nicht ein, kann der betroffene Arbeitnehmer den Dienst möglicher­weise sogar verweigern. Etwas ­anderes gilt nur, wenn ein Notfall vorliegt. Auf der anderen Seite können Arbeitnehmer selbst­verständlich zu mehr Notdienst­bereitschaften herangezogen werden, sofern sie damit einverstanden sind.

Von Stefanie Brune / Sebastian Baum / Timo Kieser
Bearbeitet von Marius Bücke / Peter Schürmann

Notdienst-Retter
Handbuch für Organisation und Praxis

XVI, 455 S., 20 farb. Abb., 76 farb. Tab., 
19,3 × 27,0 cm
gebunden
2021
Deutscher Apotheker Verlag
ISBN 978-3-7692-7347-2

E-Mail: service@deutscher-apotheker-verlag.de

3. Welche Grenzen des Einsatzes von Arbeitnehmern im Notdienst gibt es?

Vor allem wenn vor oder nach einer Notdienstbereitschaft noch ein weiterer Dienst während der regulären Öffnungszeiten der Apotheke übernommen werden muss, kann die Frage aufkommen, wo die (arbeitszeitrechtlichen) Grenzen des Einsatzes eines einzelnen Arbeitnehmers liegen. Für die Beantwortung dieser Frage ist von zentraler Bedeutung, ob die jeweilige Apotheke tarifgebunden ist bzw. die Anwendbarkeit der einschlägigen Bestimmungen in den Tarifverträgen zumindest im Arbeitsvertrag vorge­sehen ist oder nicht.

Wenn die tariflichen Regelungen zum Notdienst anwendbar sind, ergeben sich die zeitlichen Grenzen des Einsatzes der Arbeitnehmer aus § 5 Abs. 2 BRTV. Tarifvertragsparteien haben nämlich u. a. die Möglichkeit, die im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) vorgesehenen Höchstarbeitszeiten zu verlängern. Dies ist in § 5 Abs. 2 BRTV geschehen. Danach sind im Zusammenhang mit der Ableistung von Notdienstbereitschaft Dienste von bis zu 24 Stunden denkbar. Diese Verlängerung der im ArbZG geltenden täglichen Höchstarbeitszeit von zehn Stunden hat aus Sicht des Apothekeninhabers den großen Vorteil, dass er die Arbeitnehmer auch unmittelbar vor oder nach einem Notdienst noch im regulären Betrieb einsetzen kann.

Gelten die tariflichen Bestimmungen zum Notdienst in der Apo­theke nicht, müssen die Vorgaben des ArbZG in jeder Hinsicht eingehalten werden. Vor allem muss sichergestellt werden, dass eine tägliche Arbeitszeit von zehn Stunden nicht überschritten wird (§ 3 Abs. 2 ArbZG). Die im Notdienst eingesetzten Arbeitnehmer müssen daher spätestens nach einer Dienstdauer von zehn Stunden abgelöst werden. Findet eine Notdienstbereitschaft unmittelbar vor oder nach einem normalen Dienst statt, sind die Arbeitszeiten eines regulären Arbeitstages und die Zeiten der Notdienstbereitschaft zu addieren. Regulärer Dienst und Notdienst dürfen dann in der Summe zehn Stunden nicht überschreiten. Zu beachten ist dabei, dass auch die im Rahmen von Notdiensten erbrachten Bereitschaftsdienstzeiten, zu denen ein Arbeitnehmer an einem festgelegten Ort auf Abruf bereitsteht, vollumfänglich als Arbeitszeit im Sinne des § 2 ArbZG einzustufen sind.

Wie gezeigt, erlaubt § 5 BRTV im Vergleich zum ArbZG einen längeren und flexibleren Einsatz des notdienstberechtigten Personals. Besonders interessant für Apothekeninhaber ist dabei, dass im Zusammenhang mit der Ableistung von Notdienstbereitschaften die nach dem ArbZG geltende Höchstarbeitszeit im Einzelfall auf bis zu 24 Stunden verlängert werden kann. Schon deshalb ist es auch aus Sicht einer grundsätzlich nicht tarifgebundenen Apotheke erwägenswert, zumindest die ­Anwendbarkeit des § 5 BRTV im Arbeitsvertrag zu vereinbaren. Wichtig ist aber, dass die Verlängerung der Höchstarbeitszeit nur dann Bestandteil des Arbeitsverhältnisses wird, wenn auf § 5 BRTV vollständig, d. h. nicht eingeschränkt oder mit Aussparung möglicherweise nicht gewünschter Regelungen, verwiesen wird. Weitere Einzelheiten zu dieser Thematik sowie Formulierungsbeispiele für den Arbeitsvertrag sind in Kap. 15 im Notdienst-Retter dargestellt.

4. Fazit

Im Zusammenhang mit der Erbringung von Notdiensten können sich aus Sicht des Apothekeninhabers verschiedene arbeitsrecht­liche Fragen stellen. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der in diesem Beitrag dargestellten Themen. Vielmehr können z. B. mit Blick auf die Vergütung der Notdienste oder beim Einsatz von schwangeren oder stillenden Arbeitnehmerinnen arbeitsrechtliche Fragen aufkommen. Dasselbe gilt auch, wenn PTA oder PKA zur Unterstützung im Notdienst herangezogen werden. Viele der in der Praxis aufkommenden Probleme lassen sich aber durch eine korrekte Anwendung der in der jeweiligen Apotheke geltenden Rechtsgrundlagen und eine vorausschauende Personalplanung lösen. Was Sie dabei beachten müssen, wird im arbeitsrechtlichen Teil des Handbuchs Notdienst-Retter anhand von konkreten Praxisbeispielen sowie Formulierungsvorschlägen im Einzelnen dargestellt, weshalb das Handbuch für eine Apotheke im Alltag eine hilfreiche Unterstützung bieten kann. |

Marius Bücke, Oppenländer Rechts­anwälte Stuttgart

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