Gesundheitspolitik

Der Apotheken-Ökonom: Revenue Marketing

Wenn Controller im Marketing das Sagen haben wollen

Prof. Dr. Andreas Kaapke

Der englische Begriff Revenue steht für Einnahmen, Einkünfte oder Aufkommen, alles handfeste Größen, mit denen man arbeiten kann. Übertragen auf das vergleichsweise neue Revenue Marketing mündet dies in die zentrale Frage: Was bringt uns das Marketing? Diese Frage ist so alt wie die BWL-Disziplin selbst, überliefert sind Zitate wie: Ich weiß, dass eine Hälfte des Marketing-Budgets rausgeworfenes Geld ist, ich weiß nur nicht welche. Und auch die bekannten Spill-over- (Maßnahmen können auch auf einen anderen als den ursprünglich anvisierten Bereich positive Wirkungen haben), Carry-over- (periodenübergreifende positive Wirkungen, die sich eben erst später einstellen) und Decay-Effekte (Abnutzungserscheinungen von Maßnahmen, sodass daraus resultierend neue Maßnahmen notwendig werden könnten) waren lange Zeit Erklärungsversuche des Marketing, warum dennoch in etwas investiert werden sollte, was Entscheidern nicht immer unmittelbar einleuchtete. Der Schlüssel der in der stark vom Controlling getriebenen Marketing-Variante liegt im Versuch, die Wirkung und den Einfluss von Marketing-Aktivitäten vorhersagen zu können.

Die Controller meinen, für ein derlei gewünschtes Verfahren neue Nahrung erhalten zu haben, da sich aus einer geänderten Customer Journey des Kunden dessen Kenntnisse schlagartig erhöht haben. Der Kunde ist bestens vernetzt, erzielt daraus hohes Selbstbewusstsein, wird anspruchsvoller und verfügt über zahllose Informationen. Dadurch, dass dieser Kunde seine Daten bewusst oder unbewusst zur Verfügung stellt, liegen Informa­tionen für Analysetools vor, wie nie zuvor für möglich gehalten wurde. Aus der Analyse dieser Daten können sich Algorithmen ableiten lassen, deren Prognose­güte alles bislang Gekannte übersteigt. Soweit die Theorie.

In der Corona-Krise war beispielsweise ganz zu Beginn schon zu beobachten, dass bei besonders nachgefragten Gütern wie Klo­papier, Hefe usw. die Warenwirtschaftssysteme mit der Nachbestelldisposition im Lebensmitteleinzelhandel ins Straucheln kamen. Dieses Hortungsverhalten konnte nicht vorhergesehen werden, besser: Es wurde in dieser Form und Intensität nicht vorhergesagt. Dass Franzosen mit Wein und Kondomen völlig andere Produkte in den ersten Wochen der Pandemie im Lebensmitteleinzelhandel weit über die übliche Menge hinaus gekauft haben, zeigt, dass das Ansinnen einer hohen Vorhersagegüte von ausgesprochen stabilen Verhältnissen ausgeht. Insbesondere exogene Schocks, aber auch plötzliche Entwicklungen, die massiven Einfluss auf das Kaufverhalten haben, sind nicht pro­gnostizierbar, wohl aber schneller aufzuspüren als früher. Dies nun setzt aber eine ­signifikant höhere Reaktionsgeschwindigkeit in Unternehmen ­voraus, wie man mit diesen Diskontinuitäten umzugehen hat. Oder noch eine Stufe früher, ob eine sich abzeichnende Entwicklung tatsächlich überhaupt eine Diskontinuität ist.

Für das Revenue-Marketing gibt es demnach Voraussetzungen: Der wesentliche Unterschied zum bisherigen Vorgehen liegt darin, dass die Einnahmen, die vom Marketing generiert und ihm zugeordnet werden, jetzt wiederholbar, vorhersehbar und skalierbar sind. Die Jahrespläne werden an den Geschäftsplänen und die vierteljährlichen Kampagnen an den Umsatzzielen und den ROI-Erwartungen ausgerichtet. CRM- und Marketing-Automation-Systeme sind eng miteinander verknüpft, um Informationen aus relevanten Kanälen zu konsolidieren. Dies ermöglicht eine umfassende Datenerfassung sowie prädiktive Analyse. Es kann (automatisiert) bestimmt werden, wie viele hochwertige, qualifizierte Leads an das Verkaufsteam gesendet werden, und die Gesamt-Conversion-Rate kann prognostiziert werden.

Aus all dem Gesagten wird rasch deutlich, dass die Konzepte ins­besondere bei Waren bzw. Dienstleistungen angewendet werden können, die immateriell sind (Bsp.: ein Sitz im Flieger oder ein Hotelzimmer), die nicht lagerfähig sind (Bsp.: Ein nicht gebuchter Sitzplatz oder ein nicht belegtes Zimmer verfallen nach dem Flug bzw. nach der Nacht) und bei denen es nur ein begrenztes Kontingent gibt und die Kapazität nicht angepasst werden kann (Bsp.: Bei hohem Buchungsaufkommen können nicht mehr Sitze oder Betten angeboten werden).

In Apotheken kommt eine Art Revenue Marketing demnach nur in Betracht, wenn Dienstleistungen kostenpflichtig angeboten werden, und dann bei der Errechnung eines dafür angemessenen Preises. Denn alle Überlegungen zu einer dynamischen Preisfestlegung resul­tieren aus der Idee des Revenue Marketing. Das Angebot an Apothekendienstleistungen mit einem Preis müsste sich an die Nachfrage anpassen, dies betrifft sowohl die Anzahl an Varianten, die jeweils angebotene Menge sowie den veranschlagten Preis. Ob das aber mit der generellen Philosophie einer Apotheke kompatibel ist oder sein kann, bleibt fraglich. Wenn schon der normale Produktkauf beim Revenue Marketing in die Knie geht, wie soll dies dann bei Gütern der besonderen Art funktionieren? Dann lieber Marketing ohne Revenue, aber mit einer nach der Marketingmaßnahme angestoßenen veritablen Erfolgskontrolle. |

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

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