Wirtschaft

Neun plus drei Niederlassungen machen dicht

Nach Zusammenschluss von Alliance Healthcare Deutschland und Gehe auch Entlassungen angekündigt / Verdi schaltet sich ein

cm/ks/eda | Seit November 2020 ist der Zusammenschluss der Großhändler Alliance Healthcare Deutschland (AHD) und Gehe in trockenen Tüchern – nun gibt das neue Gemeinschafts­unternehmen erste grundlegende Veränderungen bekannt. Neun Niederlassungen sollen geschlossen, drei weitere Standorte sollen durch einen neuen ersetzt werden. Zudem plant das neue Gemeinschaftsunternehmen, fast jede siebte Stelle zu streichen. Der Gewerkschaftsverband Verdi will die geplanten Entlassungen nicht akzeptieren und fordert eine Beschäftigungsgarantie für die betroffenen Mitarbeiter.

Die seit 2020 zusammengeschlossenen Pharmagroßhändler Alliance Healthcare Deutschland (AHD) und Gehe haben in der vergangenen Woche bekannt gegeben, neun Niederlassungen in Deutschland stillzulegen und deren Geschäfte bis voraussichtlich Mitte des Jahres 2022 in vollsortierte Häuser zu bündeln. Betroffen sind demnach die Niederlassungen in Bayreuth, Bochum, Dresden, Günzburg, Itzehoe, Kassel, Leipzig, Osnabrück und Saarbrücken. Ziel ist es laut AHD/Gehe, ein „hochmodernes Distributionsnetzwerk“ zu schaffen, um „das hohe Niveau der Arzneimittelversorgung in Deutschland auszubauen und das Serviceportfolio zum Wohle der Patienten, Apotheken und Hersteller zukunftsorientiert weiterzuentwickeln“. Gleichzeitig soll nach Angaben des Unternehmens die neue Vertriebsstruktur für Kundennähe und mehr Serviceorientierung sorgen.

Jede siebte Stelle wackelt

Darüber hinaus seien Investitionen in eine neue Niederlassung geplant. Von dort sollen zukünftig die Geschäfte zweier Niederlassungen in Nürnberg sowie einer in Würzburg bedient werden.

Im Zuge der Umgestaltung ist ein Personalabbau in einer Größen­ordnung von mehr als 15 Prozent vorgesehen, wie aus der Mitteilung hervorgeht. Das entspricht fast jedem siebten Mitarbeiter. „Die damit verbundenen Personal­anpassungsmaßnahmen werden mit den zuständigen Arbeitnehmergremien vertrauensvoll beraten“, heißt es. „Es werden sozialver­trägliche Lösungen für betroffene Beschäftigte gesucht.“

Bereits am 1. März dieses Jahres hatte das Unternehmen darüber informiert, die Vertriebsstrukturen harmonisieren zu wollen. Man wolle mehr Verantwortung in die Fläche legen und die Struktur optimieren, hieß es damals in einer Pressemitteilung. Ab April sollte der Großhandelsvertrieb eigentlich in drei Regionen aufgeteilt werden. Zudem sollte es nach Angaben des Unternehmens zwölf Vertriebsgebiete geben. Doch durch den Start der Corona-Impfungen in Hausarztpraxen nach Ostern und der Einbindung des pharmazeutischen Großhandels werde sich die Einführung laut einer Sprecherin noch um wenige Wochen verzögern.

Grafik: DAZ/Hammelehle

Standorte (Hauptverwaltungen und Niederlassungen) des deutschen Pharmagroßhandels. Aktuell sind im Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels e. V. Phagro neun Unternehmen mit 110 Niederlassungen organisiert, die die rund 18.000 öffentlichen Apotheken in Deutschland mit Arzneimitteln versorgen (Quelle: Phagro, Stand: 31. März 2021).

EU gab 2020 grünes Licht

Zum Hintergrund: Im Dezember 2019 wurde bekannt, dass die beiden internationalen Pharmahandelskonzerne McKesson Europe und Walgreens Boots Alliance (WBA) einen neuen Riesen auf dem deutschen Pharmagroßhandelsmarkt schaffen wollen. Im Sommer 2020 war dann die Fusion bei der EU-Kommission angemeldet worden. Im Zuge der Fusionskontrolle befragte die Kommission Marktbeteiligte, wie sie den Zusammenschluss bewerten – im August gab sie dann ihre Zustimmung zum Joint Venture. Im November meldeten die beiden Unternehmen den Vollzug der Trans­aktion. An dem neuen Gemeinschaftsunternehmen hält WBA 70 Prozent und McKesson 30 Prozent. Laut Branchenexperten wird es ungefähr 30 Prozent Marktanteil im deutschen Pharmagroßhandel haben. „Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit McKesson in diesem Joint Venture“, sagte Ornella Barra, Co Chief Operating Officer von Walgreens Boots Alliance damals. „Es ist ein bedeutender Schritt und eine einmalige Chance für unseren Großhandelsbereich, innovative Dienstleistungen für Apotheken und Hersteller in Deutschland weiterzuentwickeln.“

Foto: Oleksandr – stock.adobe.com

Im November 2020 gaben die beiden internationalen Pharmahandelskonzerne McKesson Europe und Walgreens Boots Alliance (WBA) den Vollzug der Fusion ihrer beiden deutschen Großhandelstöchter Gehe und AHD bekannt.

Und Kevin Kettler, Chairman of the Management Board und President von McKesson International, ergänzte: „Der Abschluss dieser strategischen Partnerschaft mit Walgreens Boots Alliance ermöglicht uns, unser Pharmagroßhandelsgeschäft im deutschen Markt zu stärken und für die Zukunft zu sichern.“ Gemeinsam erklärten die Unternehmen, das neue Joint Venture möchte in Anbetracht der künftigen Herausfor­derungen im Gesundheitswesen „die heilberufliche Stellung des Apothekers stärken, innovative Services entwickeln, Digitalisierung vorantreiben und Mehrwerte für Patienten schaffen“.

Verdi: „reines Abbau- und Verschlankungsprogramm“

Nachdem nun in der vergangenen Woche das Joint Venture bekannt gab, mehrere Niederlassungen zu schließen und gut 15 Prozent der Stellen abbauen zu wollen, meldete sich die Gewerkschaft Verdi zu Wort. Verdi will die geplanten Entlassungen nicht akzeptieren und fordert eine Beschäftigungsgarantie für die betroffenen Mitarbeiter. Als „reines Abbau- und Verschlankungsprogramm ohne strategischen Sinn“ bezeichnet Siegmar Roder, auf Verdi-Bundesebene zuständig für den Pharma-Großhandel, die geplanten Umstrukturierungen bei AHD und Gehe. Betroffen von den Schließungen wären laut einer Verdi-Pressemitteilung zunächst rund 400 der insgesamt 4200 Beschäftigten.

„Extreme Rabattschlachten haben die Gewinne der Unternehmen seit Jahren nahe Null schmelzen lassen. Diese Managementfehler sollen nun mit der Abrissbirne gegen die Beschäftigten verschleiert werden“, kritisiert Roder.

Das will Verdi nicht einfach hinnehmen: Die Gewerkschaft kündigt an, jetzt gemeinsam mit den Betriebsräten eigene Vorschläge entwickeln zu wollen, wie es für die Angestellten weitergehen kann. Vorab soll nach Angaben der Gewerkschaft ein Sachverständiger, der bereits beauftragt ist, jede einzelne Planung auf ihre Sinnhaftigkeit überprüfen.

Verdi und die Gesamtbetriebsräte fordern von den Unternehmen eine Beschäftigungs- und Standortgarantie. Darüber hinaus müsse jede Betroffene und jeder Betroffene ein Angebot zur Weiterbeschäftigung in der Nachbarniederlassung bekommen, teilt Verdi mit. |

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