Gesundheitspolitik

Kommentar: Jubeln und klagen

Armin Edalat

Den Krankenkassen muss es paradox vorkommen: Da wird den Apotheken seit einem Jahr mehr Beinfreiheit bei der Belieferung von Kassenrezepten eingeräumt – dennoch kommt es nicht zur befürchteten Kostenexplosion bei den Arzneimittelausgaben, sondern zu weiteren Rekord-Einsparungen durch die Umsetzung der Rabattverträge. Mit 4,966 Milliarden Euro liegen die Minderausgaben 2020 sogar leicht über denen des Vorjahres. Eine klassische Win-win-Situation also: Die gesetz­lichen Krankenkassen dürfen über die Einsparungen jubeln, während ihre Versicherten im Banne der Corona-Pandemie unkompliziert und direkt versorgt werden konnten, ohne auf nicht vorrätige oder nur mit Verzögerung lieferbare Rabattarzneimittel warten zu müssen. Diese Regelung hat sich offenbar bewährt und muss somit unbedingt verstetigt werden. Die Zahlen machen aber auch deutlich, wie sich die Verhältnisse entlang der Wertschöpfungskette verändert haben. Gemessen an den Einsparungen gibt es die pharmazeutische Leistung quasi zum Nulltarif. Apotheke und Großhandel sind aber die entscheidenden Faktoren für die Arzneimittelsicherheit und ­-logistik (wie auch aktuell bei der Versorgung der Ärzte mit Corona-Impfstoffen), und doch werden sie von der wirtschaftlichen Entwicklung im GKV-System immer weiter abgehängt. Mit dramatischen Folgen: Im Abbau von Niederlassungen und Arbeitsplätzen bei AHD/Gehe sieht Verdi einen „Managementfehler“ (Seite 5). Doch damit verkennt die Gewerkschaft, dass der Kardinalfehler aus der Untätigkeit der Politik resultiert, den Beitrag systemrelevanter Institutionen angemessen zu vergüten.

Dr. Armin Edalat, Chefredaktion der AZ

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