Wirtschaft

Eine Dokumentation vergeblicher Anstrengungen

hüs | Seit 2009, also seit dem sechsten Jahr nach Inkrafttreten des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes (GMG) im Jahre 2004, wird der Rohertrags-Monitor auf der Grundlage der Daten von Insight Health regelmäßig monatlich in der AZ veröffentlicht.

Auslöser war die Erkenntnis, dass durch die mit dem GMG verbun­dene Umstellung der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) auf das sogenannte Kombimodell der Rohertrag der öffentlichen Apotheken von Jahr zu Jahr sank, ohne dass die Politik bereit zu sein schien, korrigierend einzugreifen. Dem sollte durch objektive Zahlen entgegengetreten werden.

Als das GMG zum 1. Januar 2004 in Kraft trat, musste zunächst kritisch hinterfragt werden: War die Umstellung der AMPreisV kostenneutral? Diese Frage konnte vom Grundsatz her positiv beantwortet werden (s. z. B. DAZ 2011, Nr. 4, S. 60: „Neue Arzneimittelpreisverordnung – Fluch oder Segen?“).

Keine Dynamisierung

Bei aller Euphorie über die „neue“ AMPreisV wurde allerdings deren Dynamisierung (gezielt oder unbewusst?) vergessen. Zwar sah § 130 SGB V kurz- bis mittelfristig eine Anpassung des Kassenabschlags in Abhängigkeit von der Entwicklung der Packungszahlen vor und in § 78 AMG war eine Überprüfung des Festzuschlages entsprechend der Kostenentwicklung der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung postuliert. Im Ergebnis wurde von der Politik aber das eine Argument immer wieder gegen das andere ausgespielt. Seit 2004 gab es bisher nur eine Anpassung des Festzuschlags von anfangs 8,10 Euro zum 1. Januar 2013 um 0,25 Euro auf 8,35 Euro.

Nicht verschwiegen werden soll, dass der Deutsche Apothekerverband (DAV) weitere betriebswirtschaftliche Verbesserungen für seine Mitglieder erreichen konnte:

  • Der Kassenabschlag wurde seit 2004 neunmal geändert von ursprünglich 2,00 Euro auf aktuell 1,77 Euro. In Verbindung mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer (2007) und der Anpassung des Festzuschlags (2013) erzielt die Apotheke je zulasten der GKV abgegebener Rx-FAM-Packung heute einen um 10,4 Prozent höheren Festzuschlag als 2004. Der Ver­brau­cherpreisindex stieg im selben Zeitraum um 24,2 Prozent.
  • Die BtM-Gebühr wurde im Mai 2017 von 0,26 Euro auf 2,91 Euro und zum 1. Januar 2021 auf 4,26 Euro je Packung erhöht. Bereits 2013 hatte die Apothekerkammer Nordrhein zu diesem Thema eine Studie initiiert, nach der ein Zuschlag von 8,31 Euro je BtM-Packung für zwingend notwendig erachtet wurde. Der Wert von 2,91 Euro wurde vom DAV in die öffentliche Diskussion eingebracht, allerdings nie förmlich begründet.
  • Am 1. August 2013 wurde die Nacht- und Notdienstgebühr (NNG) eingeführt. Seitdem erhebt die Apotheke bei Abgabe auf jedes verschreibungspflichtige Arzneimittel eine zusätzliche Gebühr (netto) von 0,16 Euro bzw. 0,21 Euro seit dem 1. Januar 2020. Diese NNG muss an den Nacht- und Notdienstfonds des DAV abgeführt werden, der dieses Geld quartalsweise auf die Apotheken, in Abhängigkeit der geleisteten Dienste, verteilt. Diese Gebühr ist beim Rohertrags-Monitor nicht berücksichtigt worden, handelt es sich in diesem Fall doch um eine reine (allerdings verpflichtende) Dienstleistung der Vor-Ort-Apotheken, deren Honorierung zudem noch umverteilt wird.
  • Pandemiebedingt wurde den Apo­theken im Jahr 2020 zunächst eine Gebühr von 5,00 Euro pro Botendienst zugestanden; diese wurde ab 1. Oktober 2020 auf 2,50 Euro reduziert. Auch diese Gebühr ist beim Rohertrags-Monitor nicht berücksichtigt, handelt es sich doch auch hier um eine Dienstleistung der Apotheken, deren Kosten i. A. die Gebühr bei Weitem übersteigt.

Neben der unzureichenden Dynamisierung der AMPreisV wurden immer wieder die aufwendigen Mehrbelastungen aufgrund der Verpflichtung der Apotheken zur Abgabe von rabattbegünstigten Arzneimitteln beklagt. Zwar konnte belegt werden, dass der durchschnittliche Rabatt je rabattbegünstigtem Arzneimittel den durchschnittlichen Rohertrag der Apotheken (gemäß AMPreisV) je zulasten der GKV abgegebenem verschreibungspflichtigem Arzneimittel in den letzten Jahren deutlich überschritten hat. Der DAV sah offensichtlich aber keine Möglichkeit, trotz der Gefahr drohender Retaxationen gerade im Rahmen der Abgabe dieser – oft nicht verfügbaren – Arzneimittel, dies den Kranken­kassen und der Öffentlichkeit zu verdeutlichen. Mit Blick auf den Vor­schlag einer Kassenapothekerlichen Vereinigung (s. z. B. DAZ 2016, Nr. 29, S. 20) hätte man so einen Fonds auflegen können, aus dem die viel gepriesenen pharmazeu­tischen Dienstleistungen der (Vor-Ort-)Apotheken hätten (mit-)finanziert werden können.

Fehlentscheidungen der Gesundheitspolitik

Im Rückblick haben insbesondere die Entscheidungen unter drei Gesundheitspolitikern zu gravierenden Problemen im Rahmen der ordnungs­gemäßen Arzneimittelver­sorgung der Bevölkerung gesorgt.

Ministerin Ulla Schmidt hat zusammen mit Horst Seehofer (Stichwort: Lahnstein II) den Versandhandel mit Arzneimitteln hoffähig gemacht. Der Wegfall der Preisbindung für OTC-Arzneimittel und die Aufhebung des Versandverbotes bewirkten, dass der Patient zum Konsumenten mutiert ist.

Minister Jens Spahn hat mit seiner Weigerung, den Koalitionsvertrag umzusetzen, möglicherweise vielen Vor-Ort-Apotheken den Todesstoß versetzt, indem er u. a. nicht gegen den zumindest in Teilen gesetzwidrigen Arzneimittelversand aus dem Ausland eingeschritten ist, wie an den aktuellen Januar-Werten des Rohertrags-Monitors abzulesen ist.

Aber auch ABDA und DAV haben nicht immer glücklich operiert. Besonders irritiert hat die Äußerung des ehemaligen ABDA-Präsidenten, als er plötzlich formulierte: „Der Leitsatz ‚Struktur vor Geld‘ ist so einfach wie falsch.“ Von einem Repräsentanten eines Heilberufes hätte man eine solche Aussage nicht erwartet.

Offensichtlich hatte man dort meist nur den „Blick aus der Wagenburg“ und nur selten den „Blick von außen“. Erinnert sei in diesem Zusammenhang nur an die durch den DAV veranlassten Preissenkungen bei Hilfsmitteln, ohne dass der DAV dabei die Mit-Wettbewerber der Apotheken im Blick hatte. Dabei gilt seit je: Preis kann jeder – und meist besser als die Apotheke! Man muss dem DAV allerdings zugutehalten, dass er kein „Durchgriffsrecht“ auf das wirtschaftliche Gebaren seiner Mitglieder hat, anders als z. B. die Kassenärztliche Bundesvereinigung.

Abschied vom Rohertrags-Monitor

Die Wertschöpfungsanteile im Arzneimittelmarkt haben sich zulasten der Apotheken (und des Großhandels) zugunsten von (Original-)Herstellern und Staat (über die Mehrwertsteuer) verschoben. Jetzt ist es an der Zeit, vom Rohertrags-Monitor Abschied zu nehmen und bei der AZ, aufbauend auf den Werten von Insight Health, ein neues Format zu installieren. |

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