Arzneimittel und Therapie

Parkinson durch Beta­blocker?

Kausaler Zusammenhang scheint unwahrscheinlich

Begünstigen Betablocker die Entstehung eines Morbus Parkinson? Verschiedene epidemiologische Untersuchungen ließen diesen Verdacht aufkommen. Den Ergebnissen einer Übersichts­arbeit zufolge besteht jedoch wenig Grund zur Sorge.

Da die Inzidenz von Parkinsonerkrankungen weltweit ansteigt, sind mögliche Risikofaktoren und potenzielle Präventionsmaßnahmen von besonderem Interesse. Die Gründe für diesen Anstieg sind hauptsächlich in der Alterung der Gesellschaft zu suchen. Doch die Einnahme von Betablockern könnte das Risiko ebenfalls beeinflussen. Diese Vermutung basiert auf den Ergebnissen von Beobachtungsstudien, die einen möglichen Zusammenhang zwischen einer Langzeittherapie mit Beta­blockern und Parkinson auf­zeigen. Im Gegensatz dazu scheint die chronische Anwendung von β-Sympathomimetika wie Salbutamol mit einem verminderten Parkinsonrisiko assoziiert zu sein. Zudem liegen zellexperimentelle Untersuchungen vor, die eine Hochregulation der Produktion von α-Synuclein durch Propranolol zeigen. Aus genetischen Studien geht hervor, dass die vermehrte Bildung von α-Synuclein die Entwicklung einer Parkinson­erkrankung begünstigen könnte.

Den Studienautoren zufolge könnte die Assoziation zwischen Betablockern und einem erhöhten Parkinsonrisiko aber auch das Resultat statistischer Verzerrungen und Störfaktoren sein: So war der vermeintliche Zusammenhang nicht mehr nachweisbar, wenn Patienten mit Tremor von der Analyse ausgeschlossen wurden. Ein unspezifischer Tremor gehört zu den sehr frühen, unspezifischen Vorzeichen des Morbus Parkinson. Vermutlich wird Propranolol in vielen Fällen zur symptomatischen Behandlung eingesetzt und wäre damit nicht Verursacher der Erkrankung, sondern deren Folge. Umgekehrt ist der vermeintlich protektive Effekt von β-Sympathomimetika, die häufig zur Behandlung der „Raucherkrankheit“ chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) eingesetzt werden, wahrscheinlich dem Anteil der Raucher in den Studien geschuldet. Das Parkinsonrisiko ist bei Rauchern nämlich geringer als bei Nichtrauchern.

Selbst wenn diese statistischen Verzerrungen nicht relevant wären, ­erscheint der Zusammenhang zwischen der Betablocker-Einnahme und dem Parkinsonrisiko als klinisch nicht relevant. Er bewegt sich in der Größenordnung von einer zusätzlichen Parkinsonerkrankung bei 10.000 Patienten nach fünf Jahren Propranolol-Behandlung. Angesichts dieses – möglicherweise auf einer Verzerrung von Studiendaten beruhenden – sehr geringen Risikos darf der nachgewiesene Nutzen einer Betablocker-Therapie bei zahlreichen Erkrankungen (Hypertonie, Herzerkrankungen, Migräne) nicht vergessen werden. „Ärzte und Patienten sollten daher keinesfalls in Panik geraten und aus Sorge, als Spätfolge der Therapie eine Parkinson-Krankheit zu induzieren be­ziehungsweise zu erleiden, Beta­blocker absetzen. Damit würde der Gesundheit mehr geschadet als genutzt“, so das Fazit der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. |

Literatur

Hopfner F et al. β-adrenoreceptors and the risk of Parkinson’s disease. Lancet Neurol 2020; doi:10.1016/S1474-4422(19)30400-4

Kausaler Zusammenhang zwischen Therapie mit Betablockern und Parkinson-Krankheit ist sehr unwahrscheinlich. Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) vom 28. Januar 2020. www.dgn.org

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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