Arzneimittel und Therapie

„Ein Gewinn für die Osteologie!“

Ein Gastkommentar zu dem osteoanabol wirksamen Antikörper Romosozumab

Dr. Friederike Thomasius, Koordinatorin der Leitlinienkommission des Dachverbandes deutschsprachiger Osteologen (DVO)

In der Langfassung der aktuellen Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Osteoporose sind die Folgen Osteoporose-assoziierter Frakturen klar benannt: Einschränkung der Lebensqualität, akute und chronische Schmerzen, funktionelle Beschwer­den, eine Zunahme von Refluxbeschwerden bei Wirbel­körperfrakturen sowie eine erhöhte Mortalität. Die Zahl der an Osteoporose erkrankten Patienten wächst stetig, die Anzahl der Frakturierten auch. Noch immer erhalten nur knapp 20% aller frakturierten Patienten eine spezifische Osteoporosetherapie. Allerdings kann eine antiresorptive Therapie, die die vorhandene Masse und Struktur erhält und stärkt, häufig nicht zur gewollten Frakturverhinderung führen, da die Grundvoraussetzungen des Knochens zu schlecht sind. In solchen Fällen hilft nur eine Knochenmasse- und -struktur verändernde, also eine osteoanabole Therapie.

Mit Romosozumab kommt ein zweites osteoanabol wirksames Arzneimittel auf den Markt, was angesichts der ansteigenden Fraktur­zahlen in Deutschland ein Gewinn für die Osteo­logie ist. Die Differenzialtherapie der fortgeschrittenen Osteoporose wird so möglich, denn Romosozumab wirkt als Sclerostin-Hemmer auf ande­rem Wege osteoanabol als Teriparatid, ein Parathormonanalogon. Der Klassenunterschied des osteoanabolen Therapieansatzes mit Romosozumab im Vergleich zu dem in den Osteoporose-Leitlinien mit dem höchsten Empfehlungsgrad klassifizierten oralen Bisphosphonat Alendronat hinsichtlich Fraktursenkung ist beeindruckend. Solch ein Klassenunterschied wurde bisher nur für das osteoanabol wirksame Teri­paratid im Vergleich zu Risedronat gezeigt.

Dabei hatte die Bewertung des Nutzen-Risiko-Profils von Romosozumab aufgrund von Bedenken in Bezug auf die kardiovaskuläre Sicherheit beinahe die Zulassung in Europa (nicht in den USA, nicht in Kanada und nicht in Japan) verhindert. Die Konsequenz dessen ist die Kontraindikation für Patienten mit Schlaganfall oder Herzinfarkt in der Anamnese. Des Weiteren sollen Patien­ten mit starken kardiovaskulären Risikofaktoren nur nach klinischer Nutzen-Risiko-Abwägung mit Romosozumab therapiert werden. Dass eine niedrige Knochendichte per se mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert ist, sei hierbei am Rande erwähnt.

Aufgrund dieser Einschränkung ist eine Therapie mit Romosozumab somit eher früher als im höheren Alter einzuplanen, wenn das kardiovaskuläre Risiko ansteigt. Beispielsweise würde bei einer 58-jährigen Patientin mit drei Wirbelkörperfrakturen bei unauffälliger kardiovaskulärer Anamnese eher Romosozumab als Osteoanabolikum diskutiert werden. Dies ließe nämlich die Möglichkeit einer Teriparatid-Gabe zu einem späteren Zeitpunkt zu. Einer Patientin mit multiplen Frakturen, positiver Familienanamnese für Myokardinfarkt, deutlich erhöht liegendem LDL-Cholesterin-Wert, bekannter arterieller Hypertonie und latentem Typ-2-Diabetes würde eher Teriparatid empfohlen – dies im Sinne der Risikoabwägung. Bis auf das kardiovaskuläre Risikoprofil ist das Nebenwirkungsprofil von Romosozumab vergleichbar mit dem anderer Osteoporosetherapeutika.

Bedenkenswert stimmt, dass die Diskussion eines innovativen Therapieansatzes möglicherweise erneut stark aus dem Blickwinkel der Neben­wirkungen geführt wird. Dabei gerät die Tatsache außer Betracht, dass sowohl das Fraktur­risiko als auch die Mortalität innerhalb der ersten zwölf Monate nach Fraktur besonders erhöht sind und folglich gesenkt werden müssen. Das Frakturrisiko zu senken, bedeutet nicht nur, Schmerz und funktionelle Beschwerden zu verhindern, sondern auch die Lebensqualität der Patienten zu erhalten und darüber hinaus die Sterblichkeit zu reduzieren. All diese Überlegungen gehören in die Entscheidung für und wider eine Therapie mit Romosozumab unter Berücksichtigung des kardiovaskulären Risikoprofils. Die Zahl der Patienten, die behandelt werden müssen, um eine Fraktur zu verhindern, ist eindeutig: Sie beträgt 25 für Patienten mit vertebraler Fraktur. Und dies im Vergleich zu Alendronat, nicht Placebo.

Literatur

Leitlinie des Dachverbands der Deutschsprachigen Wissenschaftlichen Osteologischen Gesellschaften e. V. zur Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen und Männern (Stand 21. Februar 2019), AWMF-Register-Nr.: 183/001

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