Rechtsprechung 2020

Von Kuschelsocken, Cannabidiol und der „Pille danach“

Wie kein anderes Thema hat die Corona-Krise auch das Rechtsjahr 2020 geprägt: Nahezu im Wochenrhythmus erließ das Bundesgesundheitsministerium in Eilverfahren Rechtsverordnungen oder Regularien nach dem Infek­tionsschutzgesetz. Mit dem neu geschaffenen Rechtskonstrukt der „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ wurde Jens Spahn mit Vollmachten und Befugnissen bislang unbekannten Ausmaßes ausgestattet. Das (irrige) Credo, dass Not kein Gebot kennt und Krisen ausschließlich die Stunde der Exekutive sind, beherrschte die öffentliche und veröffentlichte Meinung. Erst allmählich bemächtigten sich der Bundestag und die Bundesländer wieder ihrer Rechte und unterstellen die ministeriellen Maßnahmen der parlamentarischen Beobachtung und Kontrolle. Verlass war dagegen von Anfang an auf die Judikative: Die ­Gerichte wiesen die Politik immer wieder auf die Grundrechtsrelevanz epidemisch begründeter Rechtseingriffe hin. Aber auch unabhängig davon trug die Rechtsprechung des Jahres 2020 rund um die Apotheke mit interessanten Gerichtsurteilen zur Rechtsentwicklung und Rechtsfortbildung bei. Dabei entstand ein Potpourri bunt gestreuter Entscheidungen von der „Pille danach“ über Kuschelsocken und OTC-Gratismuster bis zu Cannabidiol und Rezeptsammelkästen in Supermärkten. Erinnern Sie sich noch? | Von Christian Rotta

Was ist ein „Pharma“-Unternehmen? Der Firmenname „Adrexpharma“ ist nicht irreführend – auch wenn das Unternehmen tatsächlich keine Arzneimittel, sondern nur Nahrungsergänzungsmittel vertreibt. Wer zumindest beabsichtige, Handel mit medizinischem Cannabis oder ähnlichen Produkten zu betreiben und dafür auch schon behördliche Anstrengungen unternommen habe, täusche den Verbraucher nicht in wettbewerbs­relevanter Weise, entschied das Landgericht Koblenz. (AZ 3, S. 3)

Foto: imago images / Jürgen Schwarz

Im Niemandsland – Nach wie vor befinden sich die sogenannten Grenzapotheken in einem rechsfreien Raum. Auch das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz wird daran wohl nichts ändern.

15.000-Euro-Kammerbeitrag ist rechtens. Es bleibt dabei: Der Bescheid über einen Kammerbeitrag in Höhe von rund 15.000 Euro für einen Apotheker aus Sachsen ist auch der Höhe nach rechtmäßig. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision gegen ein entsprechendes Urteil des Oberverwaltungsgerichts Sachsen nicht zugelassen. (AZ 3, S. 2)

Pille danach: Berufsgericht stärkt Gewissensfreiheit. Nach Auffassung des Berufsgerichts für Heilberufe am Verwaltungsgericht Berlin darf ein Apotheker aus Gewissensgründen die Abgabe der „Pille danach“ verweigern. Einer berufsrechtlichen Verurteilung stehe entgegen, dass wissenschaftliche, religiöse, künstlerische oder politische Ansichten oder Handlungen nicht Gegenstand eines berufsgerichtlichen Verfahrens sein dürften. Eine eindeutige Rechtslage zu der Frage, ob sich ein Apotheker auf seine Gewissensfreiheit berufen könne, gebe es bislang nicht. Eine Lösung könne sich verfassungskonform deshalb nur durch eine Abwägung der betroffenen Grundrechte im Einzelfall ergeben. Vorliegend müsse diese Abwägung ­zugunsten des Apothekers ausfallen. (AZ 4, S. 1)

US-Opioidkrise: Auch Apotheken sind angeklagt. Wurden bislang in den USA vor allem die Hersteller für die Opioidkrise verantwortlich gemacht, so sind 2020 auch die US-amerikanischen Apothekenketten wie CVS Health, Walgreens, Walmart und Rite Aid ins Fadenkreuz der Justiz geraten. Doch diese verweisen auf die verschreibenden Ärzte als eigentliche Verursacher der Opioidkrise. (AZ 4, S. 4)

Rewe fällt DocMorris-Werbung auf die Füße. Rewe muss für die Werbung von DocMorris in einem Werbeflyer der Lebensmittelkette geradestehen. Das Landgericht Köln befand eine zweiseitige Annonce für wettbewerbswidrig, weil sie den Anforderungen an die für Arzneimittelwerbung geltenden Pflichtangaben nicht genügte. (AZ 5, S. 3)

Apothekerkammer Nordrhein weist Shop Apotheke in die Schranken. Der niederländische Arzneimittelversender Shop Apotheke darf sich in Werbespots nicht „Die beste Online-Apotheke Deutschlands“ nennen. Dies hat das Landgericht Stuttgart entschieden, nachdem die Apothekerkammer Nordrhein gegen den Versender geklagte hatte. Inzwischen hat das Oberlandesgericht Stuttgart die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt. (AZ 5, S. 3; AZ 47, S.3)

DocMorris darf Herstellerrabatte von Kohlpharma behalten. Nach ­einem Urteil des Sozialgerichts für das Saarland in Saarbrücken muss DocMorris die millionenschweren gesetzlichen Herstellerrabatte, die der EU-Versender zwischen Januar 2010 und August 2016 von Kohlpharma erhalten hat, nicht zurückzahlen. Für das Gericht war entscheidend, dass DocMorris mit dem Beitritt zum Rahmenvertrag die Voraussetzungen für die Erstattung der Herstellerrabatte geschaffen habe. (DAZ 5, S. 17)

Kritische Pharma-Vergleiche. Eine Vereinbarung zur gütlichen Beilegung eines Rechtsstreits zwischen dem In­haber eines Arzneimittelpatents und einem Generikahersteller, die Geldzahlungen für einen vorübergehenden Verzicht auf den Generika-Markteintritt vorsieht, kann gegen EU-Wett­bewerbsrecht verstoßen. Dies hat der Europäische Gerichtshof in einem Streit um das Antidepressivum ­Paroxetin von GlaxoSmithKline (GSK) entschieden. (AZ 6, S. 3)

Keine Inspektionen bei Grenzapotheken. Wer die großen EU-Arzneimittelversender überwacht, bleibt ­weiterhin eine offene Frage. Deutsche Behörden sind bislang nicht tätig geworden. Und nun hat auch die niederländische Überwachungsbehörde auf Nachfrage von DAZ.online erklärt, dass weder bei DocMorris noch bei der Shop Apotheke in den vergangenen Jahren Vor-Ort-Apothekenbesich­tigungen stattgefunden haben. (DAZ 7, S. 16)

OLG Celle: „Skonti“ bei fristgerechter Zahlung sind unzulässig. Welche Preisnachlässe dürfen Apotheken für verschreibungspflichtige Arzneimittel gewährt werden? Großhändler und pharmazeutische Unternehmen, die direkt an Apotheken liefern, haben die Grenzen in der Vergangenheit immer wieder getestet. Über die Konditionen eines Importeurs hatte das Oberlandesgericht Celle zu entscheiden. In ­seinem Urteil stellt das Gericht klar: Ein „Skonto“ für eine fristgerechte Zahlung, mit dem der einheitliche ­Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers unterschritten wird, ist unzulässig. (AZ 8, S. 3)

BGH: Rezensionen sind keine Werbung. In einem Urteil hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass Händler keine Haftung für die Bewertungen ihrer Produkte durch Kunden übernehmen müssen. Ein Wettbewerbsverein hatte einen Händler verklagt, der bei Amazon Kinesiologie-Tapes anbot. Kunden hatten sich in Rezensionen über die schmerzlindernde Wirkung der Pflaster ausgetauscht. Der Wett­bewerbsverein hielt dies für unlauter und sah darin einen Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz. (AZ 9, S. 3)

Zulässiger Bonus für PKV-Versicherte. Der von der niederländischen Europa Apotheek gewährte „Sofort-Bonus“ für Privatpatienten in Höhe von bis zu 30,- Euro pro Rezept ist auch nach Auffassung des Bundesgerichtshofs zulässig und kann nicht als Wettbewerbsverstoß gerügt werden. Der Kunde ist auch nicht verpflichtet, seine Privatkrankenversicherung über den Bonus zu unterrichten. Mit ihrer Entscheidung bestätigten die Karlsruher Richter ein entsprechendes Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart. (AZ 9, S. 8; AZ 12, S. 3)

Karlsruhe kippt Sterbehilfeverbot. Das im Strafgesetzbuch verankerte Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe verstößt gegen das Grundgesetz. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in einem ausführlichen Grundsatzurteil entschieden. Das Gericht stellt in seinem Urteil fest, dass das verfassungsrechtlich geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht als Ausdruck individueller Autonomie ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben umfasst. Dieses Recht schließe nicht nur die Freiheit mit ein, sich selbst das Leben zu nehmen, sondern um­fasse auch das Recht, sich hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und diese Hilfe, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen. Bundesgesundheitsminister Spahn kündigte nach Verkündung des Urteils Neuregelungen zur Sterbehilfe an. (AZ 10, S. 3)

Rechtliche Verwirrung um Opiumtinktur. Der Streit um die rechtliche Einordnung von Opiumtinktur, die in Apotheken abgefüllt wird, beschäftigt inzwischen auch die Justiz in Österreich. Nach einem Urteil des Landesgerichts Innsbruck bringt ein österreichischer Anbieter von Opiumtinktur für Rezepturzwecke kein Fertigarzneimittel in Verkehr, da dieses Produkt nicht zur Abgabe an Anwender bestimmt sei. In Deutschland herrscht weiterhin Verwirrung um die rechtliche Einordnung von Opiumtinkturen. (DAZ 11, S. 15; DAZ 17, S. 18; DAZ 21, S. 16; AZ 32/33, S. 2; DAZ 34, S. 12; AZ 47, S. 5)

Foto: DAZ / Alex Schelbert

Rezepte sammeln, auch ohne genehmigte Rezeptsammelstelle – das Bundesverwaltungs­gericht entschied 2020, dass die Versandhandelserlaubnis dies ermöglicht.

Rezeptsammlung ist auch im Supermarkt erlaubt. Ein Urteil, das für Aufmerksamkeit sorgte: Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass eine Vor-Ort-Apotheke, die über eine Versandhandelserlaubnis verfügt, in ihrem örtlichen Einzugsbereich Rezepte und Bestellungen für rezeptfreie Arzneimittel einsammeln darf – auch in einem Supermarkt. Die Medikamente darf sie dann auch durch ihren eigenen Boten ausliefern. Einer Erlaubnis zum Betreiben einer Rezeptsammelstelle (§ 24 Apothekenbetriebsordnung) bedarf es hierfür nicht. (AZ 18, S. 1; DAZ 18, S. 12; AZ 32/33, S. 3)

Vorsicht, Packungsbeilage! Heißt es in einer Packungsbeilage, dass eine homöopathische Creme ein- bis zweimal täglich dünn aufgetragen werden sollte, ist dies bereits zu viel an Information. Wie der Europäische Gerichtshof festgestellt hat, führt der EU-Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel abschließend aus, welchen Inhalt die Packungsbeilage eines homöopathischen Arzneimittels haben darf – und dazu gehört keine Dosierungsanleitung. (AZ 19, S. 3)

Anreiz zum unvernünftigen Verbrauch? Der Europäische Gerichtshof muss sich erneut mich DocMorris befassen. Diesmal geht es um ein an eine Rezepteinlösung gekoppeltes Gewinnspiel. Als Hauptpreis winkte ein E-Bike im Wert von 2500,– Euro, zudem waren vom niederländischen Versender hochwertige elektrische Zahnbürsten ausgelobt worden. Der Bundes­gerichtshof rief den Europäischen Gerichtshof an, um klären zu lassen, ob das Zuwendungsverbot im deutschen Heilmittelwerberecht, nach dem das Gewinnspiel unzulässig wäre, mit europäischem Unionsrecht in Einklang steht. (DAZ 19, S. 12)

Lunapharm: Zulässigkeit und Grenzen der Verdachtsberichterstattung. Dass das Bundesgesundheitsministe­rium den Pharmahändler Lunapharm auf seiner Webseite mit „mutmaßlich gestohlenen Arzneimitteln“ in Zusammenhang bringt, ist aus Sicht des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vertretbar. Die Grenzen des zulässigen staatlichen Informationshandelns seien damit nicht überschritten. Mit seinem gegen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn angestrengten Eilverfahren ist Lunapharm damit endgültig gescheitert. Mehr Erfolg hatte der Pharmagroßhändler mit seiner zivilrechtlichen Unterlassungsklage gegen einzelne Aussagen im TV-Magazin „Kontraste“. Das Kammergericht Berlin entschied, dass bestimmte Äußerungen in der Sendung, in denen Lunapharm ins Zentrum eines internationalen kriminellen Netzwerks gerückt wurde, nicht den Anforderungen an eine zulässige Verdachtsberichterstattung entsprachen. (AZ 20, S. 3; DAZ.online vom 22.12.2020)

Auf die Präsentation kommt es an. Bereits Ende Januar 2019 hatte Sanofi den Vertrieb des Hustensafts „Mucosolvan phyto complete“ gestoppt. Grund war eine einstweilige Verfügung. Nun hat das Oberlandesgericht Frankfurt/Main den Vertriebsstopp bestätigt. (DAZ 22, S. 20)

Zweifelhafter Corona-Schutz. Die Corona-Pandemie scheint auch die Vertreiber fragwürdiger Nahrungsergänzungsmittel und Gesundheitsprodukte zu ­beflügeln. Sie wittern neue Geschäfte – denn wer wünscht sich nicht, sich mit möglichst natürlichen Mitteln vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 schützen zu können? Doch bei der Werbung für die Produkte nehmen die Unternehmen den Mund zuweilen zu voll. Die Wettbewerbszentrale musste 2020 mehrfach aktiv werden. (AZ 23, S. 3)

AOK-Klagen abgewiesen. Im Dezember 2019 hatten Krankenkassen Apotheken aufgefordert, auf die Einrede der Verjährung zur Umsatzsteuer für das Jahr 2015 zu verzichten. Apotheker, die sich weigerten, einen solchen Verzicht auf die Einrede der Verjährung zu erklären, wurden daraufhin von den Kassen verklagt, um die Verjährung zu unterbrechen. Das Sozialgericht Kassel hat Mitte des Jahres die ersten Klagen gegen Apotheker abgewiesen. (AZ 24, S. 3)

Wer darf DSGVO-Verstöße rügen? Können auch Verbände oder Mitbewerber Verstöße nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) abmahnen? Oder dürfen dies nur der betroffen Patient bzw. die Aufsichtsbehörde? Diese strittige Frage hat der Bundesgerichtshof jetzt dem Europäischen Gerichtshof zur Vorab-Entscheidung vorgelegt. (AZ 24, S. 3)

Entzug der Betriebserlaubnis bestätigt. Es bleibt dabei: Der Inhaber der St. Martins-Apotheke in Jettingen-Scheppach hat seine Betriebserlaubnis verspielt. Bereits im Herbst 2019 war die Schließung seiner Apotheke angeordnet und die Betriebserlaubnis entzogen worden. Der Grund: Der Pharmazeut hatte nach Über­zeugung des Landratsamts unter zweifelhaften Bedingungen bedenk­liche Nahrungsergänzungsmittel ­hergestellt und vertrieben. Zunächst wehrte sich der Apotheker erfolglos im Eilverfahren gegen die behördlichen Anordnungen, nun scheiterte auch seine Klage in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht Augsburg. Ein strafrechtliches Verfahren wegen unerlaubter Arzneimittelherstellung gegen den Apotheker, seine Ehefrau und seinen Schwager endete mit ­einem „Deal“ zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Der Apotheker erhielt eine Bewährungsstrafe von einem Jahr, sein Schwager von neun Monaten. Die Ehefrau musste eine Geldbuße in ­Höhe von 18.000,– Euro zahlen. (AZ 25, S. 3; DAZ 51, S. 15)

Eine kleine Stufe ist schon zu viel. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat in einem Urteil festgestellt, dass die barrierefreie Erreichbarkeit der Offizin nach § 4 Abs. 2a Satz 1 Apothekenbetriebsordnung grundsätzlich einen von Stufen, Schwellen und anderen Hindernissen vollständig freien Zugang erfordert, damit auch Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, selbstständig ohne fremde Hilfe in die Offizin gelangen können. (AZ 25, S. 3)

Nächste Runde im Bellartz-Prozess. Der Bundesgerichtshof hat das 2019 ergangene Strafurteil gegen Thomas Bellartz wegen des Ausspähens von Daten aus dem Bundesgesundheitsministerium aufgehoben. Dies be­deutet jedoch keinen Freispruch für den Apotheke adhoc-Herausgeber. Die Karlsruher Richter haben den Fall zur erneuten Verhandlung an das Landgericht Berlin verwiesen. (AZ 26, S. 3)

OTC-Gratismuster für Apotheker? Darf ein pharmazeutisches Unternehmen einem Apotheker ein apothekenpflichtiges Diclofenac-haltiges Schmerzgel mit neuer Textur kostenlos zu Demonstrationszwecken überlassen, damit dieser es ausprobieren und besser dazu beraten kann? Diese Frage muss nun der Bundesgerichtshof entscheiden. Vorab hat er den Europä­ischen Gerichtshof angerufen, der nun festgestellt hat: Während die Abgabe von Rx-Gratismustern an Apotheken unzulässig ist, lässt das Unionsrecht bei OTC eine Gratisabgabe durchaus zu. Im Rahmen des nationalen Rechts werde den Apothekern durch den EU-Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel nicht die Möglichkeit genommen, Gratismuster von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu erhalten, damit sie sich mit den neuen Präparaten vertraut machen und Erfahrungen mit deren Anwendung sammeln können. (AZ 27, S. 3)

Zyto-Apotheker bleibt in Haft. Dem Bottroper Apotheker Peter Stadtmann stehen noch Jahre in Haft bevor: Der Bundesgerichtshof hat in einem Revisionsverfahren das Urteil des Land­gerichts Essen gegen den Zyto-Apo­theker bestätigt. So hatte es auch der Bundesgeneralanwalt beantragt. Damit hat nach über vier Jahren das Strafverfahren über ein beispielloses Verbrechen sein Ende gefunden. Nun verlagert sich der Fokus auf anhängige Schadensersatzverfahren. Nach einer Entscheidung des Land­gerichts Essen findet bei diesen Verfahren zivilrechtlich möglicherweise eine Beweislastumkehr statt. Danach müssten nicht die Geschädigten die Fehldosierungen nachweisen, sondern umgekehrt Stadtmann bzw. sein Insolvenzver­walter, dass die Infusionen korrekt dosiert waren. (AZ 28, S. 3; DAZ 32, S. 13)

Foto: rico287 – stock.adobe.com

Keine Kuschelsocken mehr – bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln dürfen deutsche Vor-Ort-Apotheken keine Zugaben versprechen. Mit dieser Entscheidung setzte das Bundesverwaltungsgericht einen Schlusspunkt unter den langjährigen „Kuschelsocken“-Streit.

Ende des „Kuschelsocken“-Streits. Deutsche Apotheken dürfen ihren Kunden weiterhin keine Zugaben versprechen, wenn sie verschreibungspflichtige Arzneimittel abgeben. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts hat daran auch das ­Urteil des Europäischen Gerichtshofs in dem Verfahren der Wettbewerbszentrale gegen die Deutsche Parkinson Vereinigung vom 19. Oktober 2016 nichts geändert. Die Benachteiligung deutscher Apotheken gegenüber EU-Versendern, denen solche Zuwendungen erlaubt sind, ist danach (noch) zumutbar. Mit seiner Entscheidung setzte das Bundesverwaltungsgericht einen Schlusspunkt unter den langjährigen „Kuschelsocken“-Streit. (AZ 29, S. 3)

Pharmazieoberrat muss Kammerbeiträge zahlen. Auch ein approbierter Apotheker, der im Dienst des Freistaats Bayern steht und als Pharmazieoberrat im Sachgebiet Pharmazie beschäftigt ist, muss Beiträge an die Landesapothekerkammer leisten. Der Apotheker kann sich nicht auf eine Ausnahmeregelung des einschlägigen Heilberufe-Kammergesetzes berufen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München ist noch nicht rechtskräftig. (AZ 31, S. 3)

Endgültiges Aus für DocMorris-Automat. Der Bundesgerichtshof hat die Nichtzulassungsbeschwerde von DocMorris gegen das Hüffenhardt-Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom Mai 2019 zurückgewiesen. Damit ist endgültig klar: Das Auf­stellen von „Apotheken-Automaten“ ist DocMorris und anderen ausländischen Arzneimittelversendern in Deutschland verboten. (DAZ 33, S. 12)

Schlappe für TeleClinic gegen apotheken.de. Als Mitte Juli bekannt wurde, dass der Münchner Telemedizin-Anbieter TeleClinic zukünftig neben DocMorris als Teil der schweizerischen Zur Rose AG firmieren wird, beendete apotheken.de, der Online-Service- und Apothekenwebsite-Anbieter des Deutschen Apotheker Verlags, mit sofortiger Wirkung seine mehr als zwei Jahre andauernde Zusammenarbeit. Einen Antrag von TeleClinic gegen die Beendigung der Kooperation wies das Landgericht Stuttgart im Rahmen eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens zurück. Wie es in den Urteilsgründen heißt, sei es apotheken.de nicht zumutbar, E-Rezepte des Telemedizin-Start-ups auch nach der Übernahme durch die DocMorris-Mutter Zur Rose an Vor-Ort-Apotheken übermitteln zu müssen. (AZ 36, S. 1; DAZ 36, S. 12)

MVZ-Konstrukt ist Betrug. Im März 2019 hatte das Landgericht Hamburg einen Apotheker und zwei Ärzte wegen Abrechnungsbetrugs zu Haftstrafen verurteilt – den Apotheker zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren. Über ein „Strohmann“-Kon­strukt hatte sich der Pharmazeut unzulässigerweise an einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) ­beteiligt, um damit Einfluss auf das Verordnungsverhalten der dort tätigen Ärzte zu nehmen und neue Absatzquellen für die von ihm hergestellten hochpreisigen Zytostatika zu erschließen. Im Revisionsverfahren bestätigte der Bundesgerichtshof das Vorliegen eines gemeinschaftlichen Betrugs, monierte jedoch, dass das Landgericht die Tatbeiträge der Angeklagten und das Verhältnis der Taten zueinander nicht durchweg zutreffend gewürdigt habe. Die Rechtssache wurde deshalb an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen. (AZ 36, S. 3)

Wann sind Kassen-Boni steuerfrei? Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs mindern Krankenkassen-Boni für gesundheitsbewusstes Verhalten nicht den Sonderausgabenabzug für Krankenversicherungsbeiträge – jedenfalls dann nicht, wenn der Steuerpflichtige selbst die Kosten für die Präventionsmaßnahmen zahlen musste. Dies gilt auch dann, wenn der Bonus pauschal ermittelt wird. (AZ 36, S. 3)

Notdienstverlagerung nur aus berechtigtem Grund. Bereits 2011 hatte das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass Apotheker mit mehreren Apotheken nicht verlangen können, den turnusmäßigen Notdienst immer nur mit einer ihrer Apotheken wahrzunehmen. Nun hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof diese ­Linie bestätigt. Auch das Argument einer räumlichen Nähe zum ärztlichen Bereitschaftsdienst vermochte die bayerischen Verwaltungsrichter nicht zu überzeugen. (DAZ 36, S. 16)

Foto: DAZ / Alex Schelbert

Tod durch toxisch verunreinigte Glucose-Mischung – eine Schwangere war im September 2019 nach der Einnahme einer Glucose-Lösung verstorben. Die Staatsanwaltschaft Köln hat nun Anklage gegen eine 50-jährige Apothekerin erhoben.

Anklage gegen Kölner Apothekerin. Ende September 2019 sorgte der tragische Tod einer Schwangeren und ihres ungeborenen Kindes für Schlagzeilen: Die junge Frau hatte von einer Apo­theke in Köln eine Glucose-Mischung erhalten, die toxisch verunreinigt war. Nun hat die Staatsanwaltschaft Köln eine 50-jährige Apothekerin angeklagt. Das Hauptverfahren wurde bislang noch nicht eröffnet. (AZ 38, S. 3)

Ermittlungen wegen betrügerischer Insolvenz. Die Insolvenzanmeldung des Apothekenrechenzentrums AvP hat die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen. Der Vorwurf: Zwei Beschuldigte sollen im Rahmen einer betrügerischen Insolvenz Vermögenswerte beiseitegeschafft haben. (DAZ 39, S. 10)

EuGH: Kein Freibrief für EU-Ver­sender. Auch in Frankreich kämpfen Apotheker gegen die massive Werbung niederländischer Arzneimittelversender. Im Oktober hat der Europä­ische Gerichtshof ein Urteil zur Werbung der Shop Apotheke gefällt, das auch hierzulande mit Spannung erwartet wurde. Nach Auffassung der Luxemburger Richter steht den Mitgliedstaaten beim Gesundheitsschutz nach wie vor ein eigener Spielraum zu, der es dem nationalen Gesetzgeber erlaubt, werberechtliche Restriktionen zu erlassen. (AZ 11, S. 3; AZ 41, S. 1)

Notdienste vor Gericht. Muss eine Apotheke ihren Betrieb schließen und ändern sich dadurch die Verhältnisse in einem Notdienst-Kreis wesentlich, so ist die für die Regelung der Dienstbereitschaft zuständige Behörde verpflichtet, den Notdienst neu zu ordnen. Übt sie dabei ihr Ermessen korrekt aus, kann sich eine Apotheke, die an der früheren Regelung festhalten will, nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart nicht darauf berufen, die bisherige Regelung habe sich „über Jahre etabliert“. (AZ 44, S. 2)

Kein Strafprozess gegen PTA. Die Staatsanwaltschaft Essen hatte zwei PTA, die früher für den verurteilten Zyto-Apotheker Peter Stadtmann tätig waren, wegen bandenmäßiger Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz angeklagt. Doch das Landgericht Essen eröffnete die Hauptverhandlung nicht. Diesen Beschluss hat das Oberlandesgericht Hamm bestätigt. (AZ 47, S. 3)

EuGH: CBD ist kein „Suchtstoff“. Seit Langem wird darüber gestritten, welchen rechtlichen Status Cannabidiol (CBD) hat. Für (etwas) Klarheit hat jetzt der Europäische Gerichtshof in einem Verfahren gesorgt, in dem es um in Tschechien aus der gesamten Cannabis-sativa-Pflanze gewonnenes CBD ging, das für französische E-Zigaretten genutzt wird. Der EuGH befand: Als „Suchtstoff“ kann das CBD nicht angesehen werden. (AZ 48, S. 3)

Markenstreit um „GERDA“. Seit mehr als einem halben Jahr stockt es beim E-Rezept-Modellprojekt in Baden-Württemberg. Nach wie vor sind Landesapothekerkammer und Landesapothekerverband auf der Suche nach einem neuen technischen Koopera­tionspartner. Zu allem Überfluss verwenden die Verantwortlichen den Namen „GERDA“ und die bisherigen Logos nicht mehr. Nach einer Abmahnung läuft derzeit ein Markenrechtsstreit mit dem Betreiber von „GERDA – die geriatrische Datenbank“. (AZ 49, S. 3)

Verfassungsbeschwerde gegen Makelverbot scheitert. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde des Hamburger Start-up-Unternehmens meinRezept.online gegen das mit dem Patienten­daten-Schutzgesetz (PDSG) eingeführte Makelverbot mit der Begründung abblitzen lassen, dass das klagende Unternehmen verpflichtet gewesen sei, zunächst vor den Verwaltungs­gerichten zu klagen. (AZ 39, S. 3; AZ 51, S. 3) |

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.