DAZ aktuell

VOASG ist in Kraft getreten

Rx-Boniverbot für EU-Versender ab sofort, pharmazeutische Dienstleistungen kommen später

ks | Mitten im Masken-Chaos ist am vergangenen Dienstag, dem 15. Dezember, das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) in Kraft getreten. Damit gilt jetzt das im Sozialrecht verankerte Rx-Boni-Verbot, das auch EU-Versender erfasst. Geduld ist dagegen bei den vergüteten pharmazeutischen Dienstleistungen gefragt. Hier müssen Deutscher Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband zunächst noch das Nähere vereinbaren. Das Geld für die neuen Aufgaben in der Apotheke wird erst in einem Jahr fließen.

Seit dem im Oktober 2016 ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu Rx-Boni müssen die deutschen Apotheken damit leben, dass ihre Konkurrenz in anderen EU-Mitgliedstaaten Kunden mit Rabatten für verschreibungspflichtige Arzneimittel ­locken. Ihnen selbst ist dies verwehrt. Diese Schieflage zu beseitigen war Ziel des VOASG, nachdem sich der zunächst noch amtierende Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) mit seinem Plan, das Rx-Versandverbot wieder einzuführen, nicht durchsetzen konnte. Doch Gröhes Nachfolger Jens Spahn (CDU) brauchte nochmals zwei Jahre von der Vorstellung der ersten Eckpunkte seiner Apothekenreform bis zum nun erfolgten Inkrafttreten des Gesetzes. Über diese lange Entstehungszeit hinweg hat sich im VOASG so manches gewandelt. Was steckt jetzt noch drin im neuen Gesetz?

Die neue Preisbindung im Sozialrecht

Änderungen gibt es vor allem in § 129 Sozialgesetzbuch (SGB) V, der Grund­lage für den Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung. Hier ist nun in einem neuen Absatz 3 geregelt, dass Apotheken zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung als Sachleistung verordnete Arzneimittel nur abgeben dürfen und unmittelbar mit den Krankenkassen abrechnen können, wenn der Rahmenvertrag für sie Rechtswirkung hat. Diese „Rahmenvertrags-Apotheken“ wiederum werden verpflichtet, die festgesetzten Preisspannen und Preise einzuhalten und keine Zuwendungen an gesetzlich Versicherte zu gewähren. Für Privatversicherte gilt diese Regelung nicht.

Die Rahmenvertragspartner Deutscher Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband müssen nun allerdings an ihrem Vertrag nacharbeiten: Bei Verstößen gegen die neue Preisbindung sollen nämlich Sanktionen drohen: Im Rahmenvertrag sind bei einem groben oder einem wiederholten Verstoß Vertragsstrafen von bis zu 50.000 Euro für jeden Verstoß vorzusehen. Dabei darf die Gesamtvertragsstrafe für gleichgeartete und in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang begangene Verstöße 250.000 Euro nicht überschreiten. Die Berechtigung zur weiteren Versorgung kann ausgesetzt werden, bis die Vertragsstrafe vollständig beglichen ist.

Zudem bestimmt das VOASG, dass das Bundesgesundheitsministerium im Einvernehmen mit dem Bundeswirtschaftsministerium bis zum 31. Dezember 2023 die Auswirkungen der neuen sozialrechtlichen Preisbindung auf die Marktanteile von Apotheken und des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln evaluiert.

Flankierend – und gegen den entschiedenen Widerstand der Apothekerschaft – wird aus dem Arzneimittelgesetz die Regelung gestrichen, nach der die Arzneimittelpreisverordnung auch für Arzneimittel gilt, die von Versandhändlern mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat nach Deutschland verbracht werden (§ 78 Abs. 1 Satz 4 AMG).

Dienstleistungen: DAV und GKV-SV sind am Zug

Die zweite bedeutende Neuregelung in § 129 SGB V betrifft die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen, auf die Versicherte künftig Anspruch haben. DAV und GKV-Spitzenverband sind nun verpflichtet, diese Dienstleistungen im Benehmen mit der PKV zu vereinbaren. Auch das Nähere zu den Anspruchsvoraussetzungen, zur Vergütung und Abrechnung ist noch zu klären – und zwar bis zum 30. Juni 2021. Klappt das nicht, entscheidet die Schiedsstelle.

Es wird also noch eine Weile dauern, bis die Apotheken die neuen Dienstleistungen tatsächlich erbringen und auch abrechnen können. Die Finanzierung erfolgt durch eine Erhöhung des Festzuschlags auf Rx-Arzneimittelpackungen um 20 Cent. Diese Änderung in der Arzneimittelpreisverordnung tritt erst am 15. Dezember 2021 in Kraft.

Botendienste und Automaten

Zum 1. Januar 2021 wirksam wird die nun ebenfalls in § 129 SGB V verstetigte Botendienstvergütung. Apotheken können dann bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel im Wege des Botendienstes je Lieferort und Tag einen zusätzlichen Zuschlag von 2,50 Euro zuzüglich Umsatzsteuer erheben. Die bisherige Regelung in der SARS-CoV-2-Arzneimittelverordnung, die auch Botendienste für PKV-Versicherte erfasst, läuft zum Jahresende aus.

Weitere Neuerungen gibt es in § 130a SGB V, in dem es um die Rabatte der pharmazeutischen Unternehmer geht, die bekanntlich die Apotheken für die Kassen einziehen. Klargestellt wird hier zum einen, das sich die Preisbindung der fraglichen Arzneimittel auch nach der bereits genannten neuen Regelung in § 129 Abs. 3 SGB V ergeben kann. Zudem wurde § 130a Abs. 1 SGB V ergänzt: Die Krankenkassen erhalten den Herstellerabschlag demnach nicht mehr nur aus für Fertigarzneimittel „in parenteralen Zubereitungen“ entnommene und abgegebene Teilmengen, sondern generell für Teilmengen. Die bisherige Unterscheidung, ob die entnommenen Teilmengen in einer parenteralen Zubereitung verwendet werden oder nicht, hielt der Gesetz­geber für nicht mehr sachgerecht.

Weitere Änderungen gibt es im Apothekengesetz (§ 21 Abs. 2) und der Apothekenbetriebsordnung (§ 17 Abs. 2a), die gemeinsam sicherstellen sollen, dass sich auch EU-Versender an die Transport- und Temperaturanforderungen halten.

Zudem werden in einem neuen § 17 Abs. 1b ApBetrO Regelungen für automatisierte Ausgabestationen geschaffen. Diese sollen nur zulässig sein, wenn sie sich in den Betriebsräumen einer Apotheke befinden und durch diese bestückt werden, nachdem zuvor die Bestellung bei dieser Apotheke erfolgt ist, eine Beratung (auch im Wege der Telekommunikation) stattgefunden hat und das Rezept im Original geprüft und abgezeichnet wurde. Die Arzneimittel aus diesen Stationen sind zudem „für jeden Empfänger getrennt zu verpacken und jeweils mit dessen Namen und Anschrift des Empfängers zu versehen“. Auch automatisierte Ausgabestationen von Versandapotheken sollen grundsätzlich unter diesen Bedingungen zulässig sein (mehr hierzu auf S. 22 ff.).

Nicht zuletzt gibt es eine Klarstellung im Zugabe-Paragrafen des Heilmittelwerbegesetzes (§ 7 HWG). Demnach liegt nun auch ein Verstoß gegen das heilmittelwerberechtliche Zugabeverbot vor, wenn diese Zuwendungen entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Sozial­gesetzbuchs V gelten. Zuwendungen, die nach dieser Norm entgegen den arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften gewährt werden, bleiben ebenfalls unzulässig.

DocMorris kündigt rechtliche Schritte an

Der niederländische Arzneimittelversender DocMorris ist überzeugt, dass mit dem neuen Rx-Boni-Verbot im Sozialrecht das EuGH-Urteil von 2016 umgangen wird. „Die Festschreibung eines Bonus-Verbots im SGB V zielt darauf, dass die Europäische Union im Sozialrecht keine originäre Rechtsetzungszuständigkeit hat. Hier wird derselbe Tatbestand aber einfach in ein anderes Gesetz verschoben, weil ein EuGH-Grundsatzurteil offenbar nicht genehm ist und dann erwartet, dass es so EU-rechtskonform sei“, erklärte der neue DocMorris CEO Walter Hess in einer Pressemitteilung. Deutschland handle „eindeutig europarechtswidrig und zum klaren finanziellen Nachteil von Millionen Patientinnen und Patienten“. Nun setzt DocMorris auf eine Reaktion der EU-Kommission – und warnt: „Die Apotheke DocMorris wird alle rechtlichen Möglichkeiten gegen das Bonus-Verbot ausschöpfen.“

Seitens der deutschen Versandapotheken kamen hingegen positive Worte zum VOASG: Dass nun wieder gleiche Bedingungen für alle in Deutschland agierenden Marktteilnehmer hergestellt seien, sei „gut“, erklärte der Vorsitzende des Bundesverbands Deutscher Versandapotheken Christian Buse. Allerdings hätte er sich „mehr wettbewerbliche Impulse für den Apothekenmarkt“ gewünscht. Buse erinnert an das immer wieder von ihm ins Gespräch gebrachte Höchstpreismodell „mit klaren Leitplanken für die Preisgestaltung“. |

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