DAZ aktuell

DocMorris darf Herstellerrabatte von Kohlpharma behalten

Sozialgericht Saarland: Beitritt zum Rahmenvertrag ist entscheidend

ks | Der EU-Versender DocMorris muss die millionenschweren gesetzlichen Herstellerrabatte, die er zwischen Januar 2010 und August 2016 von Kohlpharma erhalten hat, nicht zurückzahlen. Das hat das Sozialgericht für das Saarland entschieden. (Urteil vom 14. März 2019, Az. S 20 KR 834/16)

Ende 2016 hat Kohlpharma sowohl gegen DocMorris als auch gegen die – mittlerweile in der Shop Apotheke aufgegangenen – Europa Apotheek Klage vor dem Sozialgericht erhoben. Anlass gab das Urteil des Europä­ischen Gerichtshofs (EuGH) vom 19. Oktober 2016, wonach die deutsche Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel im grenzüberschreitenden Arzneimittelversandhandel gegen Europarecht verstößt. Dieses Urteil gab den Versendern ­bekanntlich einen Freibrief für Rx-Boni, der von der Politik bis heute nicht kassiert wurde.

Umstrittene Bindungswirkung des Rahmenvertrags

Nach dem Luxemburger Urteil wurde diskutiert, ob und inwieweit der Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung die ausländischen Versender möglicherweise doch an Festpreise bindet. Denn wer dem Vertrag beitritt, unterwirft sich eigentlich den Regelungen des Arzneimittelpreisrechts. Der GKV-Spitzenverband wies die Forderung von Apothekern und Anwälten, Rx-Boni-gewährende EU-Versender aus dem Vertrag auszuschließen, allerdings entschieden zurück. Eine Basis für Sanktionen gegen die Versender, weil sie den Rahmenvertrag missachteten, sah die Kassenseite nicht. Zudem stellte der GKV-Spitzenverband Anfang 2017 klar, dass die Pflicht der EU-ausländischen Ver­sender zur Abführung der gesetz­lichen Herstellerabschläge (§ 130a SGB V) fortbesteht.

Kohlpharma ist dennoch überzeugt, dass die EU-Versender mit ihren Rx-Boni gegen den Rahmenvertrag verstoßen. Und damit hätten sie auch keinen Anspruch auf die Erstattung der gesetzlichen Herstellerrabatte. Der Importeur sieht das EuGH-Urteil also weit wirken: Es führe auch dazu, dass der Rahmenvertrag auf EU-Versand­apotheken nicht anwendbar sei.

7 Millionen Euro Rückforderung

Kohlpharma machte daher einen öffentlich-rechtlichen Erstattungs­anspruch geltend und forderte allein von DocMorris rund 7 Millionen Euro zurück. Der Grund: Zwischen Januar 2010 und August 2016 habe man die gesetzlichen Herstellerrabatte ohne Rechtsgrund an den EU-Versender geleistet. DocMorris sah das anders: Mit dem Beitritt zum Rahmenvertrag im November 2008 habe man die Voraussetzungen für die Erstattung der Herstellerrabatte geschaffen. Das Bundessozialgericht (BSG) hatte bereits 2008 entschieden: ohne Rahmenvertrag kein Erstattungsanspruch.

Während die Kohlpharma-Klage gegen die Europa Apotheek bei einer anderen Kammer des Sozialgerichts Saarbrücken anhängig ist (die derzeit unbesetzt ist), wurde die Entscheidung gegen DocMorris bereits im März 2019 verkündet. Die Urteilsgründe sind allerdings erst jetzt bekannt geworden.

Ausführlich setzen sich die Saarbrücker Sozialrichter in ihrer Entscheidung mit dem Rahmenvertrag, den Voraussetzungen und Folgen des Beitritts einer Apotheke zu diesem, der Rechtsprechung des BSG zu Herstellerrabatten sowie dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung auseinander. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass die Klage von Kohlpharma zwar grundsätzlich zulässig und die geltend gemachten Ansprüche auch nicht verjährt sind. Aber: Die Erstattung der Herstellerrabatte durch Kohlpharma an DocMorris sei durchaus mit einem Rechtsgrund erfolgt.

Der Importeur sei nach § 130a Abs. 1 Satz 3 SGB V nach allen im strittigen Zeitraum gültigen Fassungen verpflichtet gewesen, den Abschlag zu leisten. Die Norm sei anwendbar, weil DocMorris im November 2008 dem Rahmenvertrag beigetreten sei. Damit habe sich der Versender auch den Herstellerrabatten unterworfen. Alle Voraussetzungen, nach denen der Abschlag zu gewähren ist, lägen vor.

Und das EuGH-Urteil?

Es folgen rechtliche Ausführungen zu der Frage, wie weit die Bindungswirkung von EuGH-Urteilen geht. Wie bei Rechtsfragen üblich, gibt es dazu verschiedene Ansichten. Die Sozialrichter gehen mit der „überwiegenden“ Meinung in der Rechtsprechung, wonach eine allgemeine, über die Parteien des ursprünglichen Rechtsstreits hinausgehende Wirkung nur anzunehmen ist, wenn vergleichbare Sachverhalte vorliegen. Und das sei vorliegend nicht der Fall. Im EuGH-Fall sei es um ein Bonussystem und um eine Wettbewerbsbeziehung gegangen. Ganz anders sei es bei Kohlpharma/DocMorris, wo es um die Rückforderung eines gesetzlichen Herstellerrabatts geht.

Das letzte Wort in diesem Verfahren ist noch nicht gesprochen. Kohlpharma hat gegen die Entscheidung Berufung eingelegt. |

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