Repetitorium

Dextromethorphan

Praxiswissen zu Wirkungen, Nebenwirkungen und Interaktionen

Dextromethorphan ist seit über 60 Jahren als ein zentral wirksames Antitussivum bekannt und geschätzt. Das in Deutschland apothekenpflichtig, aber rezeptfrei verfügbare Opioid-Derivat wird in Monotherapie zur Behandlung des Reizhustens oder in Kombination zur Therapie grippaler Infekte eingesetzt. Anhaltende Diskussionen um den möglichen Missbrauch und aktuelle Neueinschätzungen des Risiko­potenzials dieses Arzneistoffes durch die EMA sollen zum Anlass genommen werden, Dextromethorphan aus pharmazeutischer Sicht in Hinblick auf Wirkungen, Nebenwirkungen sowie der Notwendigkeit zur pharmazeutischen Beratung eingehend zu beleuchten. | Von Fabian Baltes und Gerd Bendas

Die medikamentöse Behandlung von Husten als Begleit­symptomatik meist saisonal auftretender Erkältungserkrankungen nimmt im Selbstmedikationsbereich der Apothekenpraxis einen hohen Stellenwert ein. Die notwendige Ab­klärung, ob es sich dabei um einen schleimig-festsitzenden oder aber einen trockenen Husten handelt, entscheidet über die Einnahme von Sekretolytika oder, im letztgenannten Zusammenhang, die Anwendung von Antitussiva.

Antitussiva zielen auf die Unterdrückung des Hustenreizes. Bei starkem, trockenem Hustenreiz werden Hustenstiller angewendet, die ihre Wirkung durch Hemmung des Hustenzentrums in der Medulla oblongata im Stammhirn entfalten und so zur Unterdrückung des Hustenreflexes und zur Reduktion der Häufigkeit und Intensität der Hustenstöße beitragen. Neben den verschreibungspflichtigen Opioiden Codein, Dihydrocodein (Paracodin®) sowie dem ebenfalls rezeptpflichtigen Opium-Hauptalkaloid Noscapin (Capval®) steht dazu mit Dextromethorphan ein mit Codein strukturchemisch verwandtes synthetisches Antitussivum für die Selbstmedikation zur Verfügung [1].

Wirkung

Ursprünglich wurde Dextromethorphan als ein Codein-Analogon entwickelt, das seine Wirkung über Opioid-Rezeptoren entfaltet. Opioid-Rezeptoren sind G-Protein-gekoppelte Rezeptoren, die sich in verschiedene Subtypen einteilen lassen. Die Hauptwirkungen der Opioide werden über Rezeptoren des Typs µ (Analgesie, Atemdepression, Obstipation, Euphorie), κ (Analgesie, Miosis, Sedierung) und δ (Analgesie, Dysphorie, Halluzinationen) vermittelt. Weitere Unterarten wie ε-Rezeptoren und der ORL (opioid receptor like) spielen eine untergeordnete Rolle. Die antitussive Wirkung von Opioiden wird sowohl durch die Agonisierung des µ-Rezeptors, aber auch vor allem des Sigma-1-(σ1)-Rezeptors vermittelt [2, 3].

Dextromethorphan ist das methylierte, rechtsdrehende Enantiomer des analgetisch wirksamen, jedoch klinisch nicht genutzten Levorphanols [4]. Dextromethorphan wird als reines Enantiomer, zumeist in Form seines Hydrobromids in verschiedenen Darreichungsformen eingesetzt. Durch Verlust der Etherbrücke im Morphinan-Grundgerüst beabsichtigte man, die zentralen opioidanalgetischen Wirkungen zu reduzieren, dabei aber antitussive Wirkungen beizubehalten.

Die ersten Arzneimittel mit Dextromethorphan gelangten bereits in den 1950er-Jahren auf den Markt. Dextromethorphan ist ein Prodrug, welches im Organismus fast ausschließlich über das Enzym CYP2D6 am Sauerstoff demethyliert und zu Dextrorphan umgesetzt wird. Daneben ist in sehr geringerem Maße eine N-Demethylierung beider Substanzen zu Morphinan-Derivaten über CYP3A4 möglich [3].

Sowohl Dextromethorphan als auch sein aktiver Metabolit Dextrorphan sind in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden. Im Gegensatz zu Codein ist für Dextromethorphan aber eine antitussive Wirkung nicht über die Agonisierung von µ-Opioidrezeptoren anzunehmen, zu denen der Wirkstoff nur eine extrem geringe Bindungsaffinität im mikromolaren Bereich besitzt. Daher ist der Begriff ‚Opioid‘ für Dextromethorphan zwar aus der strukturellen Herkunft gerechtfertigt, nicht aber durch seine Rezeptorwirkung und sorgt daher eher für Verwirrung. Somit tritt auch in therapeutischen Dosierungen keine analgetische und atemdepressive Wirkung auf. Die antitussive Wirkung des Dextromethorphan resultiert vielmehr aus einem Agonismus an Sigma-1-(σ1)-Rezeptoren im Hustenzentrum in der Medulla oblongata. Sigma-Rezeptoren wurden lange Zeit fälschlicherweise zu der Klasse der Opioidrezeptoren gezählt. Da die Sigma-Rezeptoren als Chaperone allerdings nicht zur Gruppe der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren gehören und sich deren Wirkung nicht durch klassische Opioid-Antagonisten wie Naloxon unterdrücken ließ, wurden sie einer eigenen Klasse zugeordnet. Die über Sigma-Rezeptoren vermittelten Wirkungen sind mannigfaltig und reichen von der Steuerung von Emotionen und Gedächtnis bis hin zu der hier beschriebenen antitussiven Wirkung. Endogene Substrate sind bislang nicht bekannt.

Eine weitere wichtige Wirkung des Dextromethorphans beruht auf einem nicht-kompetitiven NMDA-Rezeptor-Antagonismus. NMDA-Rezeptoren gehören zu den ionotropen Glutamatrezeptoren und werden daher durch Glutamat als exzitatorischer Neurotransmitter aktiviert. NMDA-Rezeptoren sind wichtig für Lernprozesse, wobei eine Über­aktivierung längerfristig zu einer pathologischen Reduktion der Rezeptoren und neuronalen Erkrankungen führt [2]. Antagonisten sollen diese Überaktivierung ausgleichen. Antagonisten wie Ketamin werden zur Anästhesie und Analgesie eingesetzt. Dabei auftretende bekannte Nebenwirkungen wie Halluzinationen bis hin zur dissoziativen Anästhesie und Suchtgefahr sind bei hohen Dosierungen von Dextromethorphan ebenfalls möglich (siehe unten ‚Missbrauch‘), aber bei therapeutischen Dosen nicht ausgeprägt. Theoretisch lässt sich dieser Antagonismus in der Behandlung von neuropathischen Schmerzen positiv nutzen [5].

Weiterhin wirkt Dextromethorphan als Serotonin- und Dopamin-Wiederaufnahmehemmer (SERT- und DAT-Hemmer), wobei die Wirkung insgesamt nur schwach serotoninerg ist; die dopaminerge Wirkung kann vernachlässigt werden. Diese Wiederaufnahmehemmung beruht wahrscheinlich auf den strukturellen Ähnlichkeiten von Dextromethorphan zu den Neurotransmittern.

Abb. 1: Wirkung und Nebenwirkungen von Dextromethorphan

Das Prodrug Dextromethorphan und sein Metabolit Dextrorphan weisen unterschiedliche Affinitäten zu den beschriebenen Zielstrukturen auf. Während die antitussive Wirkung von Dextrorphan (Ki = 118 nM) durch die Bindung an Sigma-1-Rezeptoren nur leicht potenter ist als die von Dextromethorphan (Ki = 150 nM), weisen die Hemmungen des Serotonintransporters und des NMDA-Rezeptors Unterschiede auf. Während Dextromethorphan die Serotonin-Wiederaufnahme deutlich besser hemmt als sein Metabolit (Ki(Dextromethorphan) = 40 nM < Ki(Dextrorphan) = 484 nM), wird der NMDA-Rezeptor durch Dextrorphan verstärkt antagonisiert (Ki(Dextrorphan) = 892 nM < Ki(Dextro­methorphan) = 2120 nM) [3, 6]. Damit wirkt sich ein von der Norm ab­weichender CYP2D6-Status hauptsächlich auf das Nebenwirkungsprofil aus, während die antitussive Wirkung konstant bleibt.

Dextromethorphan findet als Monotherapeutikum in Form von Hartkapseln, Lutschpastillen oder Sirup Anwendung (Silomat®, Pastillen Dextro Bolder®, Hustenstiller ratiopharm®), wird aber auch als Kombinationspräparat mit Paracetamol, Phenylpropanolamin oder Doxylamin zur Behandlung von Erkältungssymptomen eingesetzt (Cete Grippal®, Wick MediNait®, Wick DayMed Hartkapseln®). Die Dosierung richtet sich nach den beschriebenen Arzneiformen und sollte bei einer zum Beispiel viermal täglichen Einnahme der Kapseln/Pastillen die Tagesmaximaldosis von 120 mg (berechnet als Hydrobromid) nicht überschreiten. Die Selbstmedikation ist auf drei bis fünf Tage beschränkt und soll auch unter ärztlicher Aufsicht zwei bis drei Wochen nicht überschreiten [7, 8].

Interessanterweise wurde Dextromethorphan in den USA in Kombination mit Chinidinsulfat (Nuedexta®) zur Behandlung von Störungen der Gefühlsregulation (pseudobulbäre Affektstörung) bei schweren neurologischen Erkrankungen wie der amyotrophen Lateralsklerose (ALS) zugelassen, bei denen die Patienten entkoppelt vom emotionalen Zustand von Episoden des unfreiwilligen und unkontrollierbaren Lachens oder Weinens betroffen sind. Diese Zulassung der Wirkstoffkombination wurde auch seitens der EMA für den europäischen Markt 2013 erteilt, 2016 aber durch den Marktzulassungsinhaber widerrufen [9].

Pharmakokinetik (CYP2D6)

Dextromethorphan wird so dominant über CYP2D6 metabolisiert, dass es als Testsubstanz zur CYP2D6-Phänotypi­sierung verwendet werden kann. Jedoch stellt diese Meta­bolisierung in der Praxis eine nicht zu unterschätzende Problematik dar. 7 bis 10% der kaukasischen Bevölkerung besitzen eine eingeschränkte CYP2D6-Enzymaktivität (poor metabolizer), während 1 bis 10% der Bevölkerung Dextromethorphan sehr schnell über CYP2D6 verstoffwechseln (ultra rapid metabolizer) [10]. Interessanterweise ist CYP2D6 das CYP-Enzym mit der größten Variabilität in der Enzymaktivität, d. h. die Aktivität der langsamen und schnellen Variante weicht jeweils stark vom Normzustand ab [11]. In der Praxis muss es daher gerade bei Arzneistoffen, die speziell durch dieses Enzym metabolisiert werden, zu Dosis­anpassungen kommen. Prominente Beispiele dafür sind Codein und Tamoxifen.

Im Durchschnitt besitzt Dextromethorphan eine Wirkungsdauer von ca. drei bis sechs Stunden und eine, hauptsächlich renale, Eliminiationshalbwertszeit von ca. drei Stunden. Es wird peroral mit einer Bioverfügbarkeit von 100% aufgenommen und unterliegt in der Leber einem hohen First-Pass-Effekt. Die dabei gebildeten Metaboliten und Dextromethorphan selbst binden nicht an Plasmaproteine, sind meist in konjugierter Form und, je nach CYP2D6-Phänotyp, in bestimmten Verhältnissen im Urin nachweisbar [7, 8].

Interaktionen und Nebenwirkungen

Die Nebenwirkungen von Dextromethorphan reichen von Atemdepression und Müdigkeit bis hin zu Tachykardie, Schlaflosigkeit und Halluzinationen. Diese Heterogenität liegt sicherlich in der Opioidstruktur und der damit verbundenen promiskuitiven Bindung an verschiedene zentrale und periphere Rezeptoren begründet. Aber auch die unterschiedlichen Bindungsaffinitäten von Prodrug und Metabolit zu diesen Rezeptoren tragen zum Patienten-individuellen Spektrum der Nebenwirkungen bei. Bei langsamen Metabolisierern (poor metabolizer) kommt es zu einer Anhäufung des Prodrugs Dextromethorphan und damit möglicherweise zu verstärkten Nebenwirkungen wie Müdigkeit durch die serotoninerge Wirkung, während bei sehr schnellen Metabolisierern (ultra rapid metabolizer) das Prodrug schnell metabolisiert wird und aufgrund der NMDA-Antagonisierung durch den Metaboliten Dextrorphan vermehrt psychotrope Nebenwirkungen auftreten.

Aufgrund der möglichen schlaffördernden Wirkung von Dextromethorphan sollten kurz nach der Anwendung sowohl das Bedienen aufmerksamkeitsfordernder Geräte als auch die Teilnahme am Straßenverkehr gemieden werden. In diesem Zusammenhang sei auch auf das Vermeiden von Alkohol hingewiesen [7, 8].

Auch wenn die Fachinformationen die Anwendung von Dextromethorphan in der Schwangerschaft nur im Ein­zelfall erlauben und in der Stillzeit kontraindizieren, ist eine kurzfristige dosisgerechte Anwendung laut dem Portal embryotox.de möglich [7, 8, 12].

Eine wichtige Nebenwirkung, die in Kombination mit serotoninergen Arzneimitteln (SSRI oder MAO-Hemmer) deutlich vermehrt auftritt, ist das Serotonin-Syndrom. Dieses Krankheitsbild ist gekennzeichnet durch einen Überschuss an Serotonin im Organismus. Die resultierenden Symptome treten meist innerhalb der ersten 24 Stunden nach Einnahme der Medikamente auf und werden in die drei Kategorien „vegetative, neuronale und psychische Störungen“ unterteilt. Dies kann von einfachen erkältungsähnlichen Symptomen, Tremor und Unruhe bis hin zu Krämpfen, starkem Fieber, Halluzinationen, Gerinnungsstörungen und Koma führen. Tödlich kann das Serotonin-Syndrom durch Multiorganversagen verlaufen. Neben der verstärkten Wirkung am Rezeptor sind viele der serotoninergen Arzneistoffe selbst Substrate von CYP2D6, wodurch sich die Gefahr eines Serotonin-Syndroms ähnlich wie bei eingeschränkter CYP2D6-Enzymaktivität (poor metabolizer) auch durch pharmakokinetische Einflüsse erhöht. Daher sind serotoninerge Arzneistoffe bei Anwendung von Dextromethorphan strikt kontraindiziert. Auf dieses lebensgefährliche Syndrom wurde in einer aktuellen AMK-Meldung vom November 2019 verstärkt hingewiesen [13]. Bei einem Serotonin-Syndrom muss zwingend ein Arzt aufgesucht werden, wobei für die schwierige Diagnostik notwendigerweise die Arzneimittelanamnese nötig ist. Nach Feststellung dieses Syndroms werden die serotoninergen Wirkstoffe abgesetzt, was in 90% der Fälle zu einer Besserung führt. Anhaltende Symptome können in ärztlicher Behandlung weiterhin mit fiebersenkenden Wirkstoffen, krampflösenden Benzodiazepinen und letztlich mit Serotonin-Antagonisten bekämpft werden [14].

Eine Dextromethorphan-Überdosierung, in deren Folge auch eine Atemdepression auftreten könnte, kann dagegen in frühen Stadien mit Aktivkohle, aber auch danach mit Naloxon als Antidot behandelt werden [7, 8].

Weiterhin sollte auf die Verwendung von Dextromethorphan bei Vorliegen von Krankheiten des Respirationstraktes, wie Asthma bronchiale, COPD, Ateminsuffizienz oder Pneumonie abgesehen werden. Dabei sollte auch beachtet werden, dass es bei Krankheiten mit Hypersekretion und/oder in Kombination mit Sekretolytika zu einem Sekretstau kommen kann [7, 8].

so war das

  • Dextromethorphan wird als Antitussivum bei Reizhusten eingesetzt.
  • Dextromethorphan und sein aktiver Metabolit Dextrorphan entfalten ihre antitussive Hauptwirkung über Sigma-1-Rezeptoren im Hustenzentrum.
  • Eine vor allem unter Dextrorphan ausgeprägte NMDA-antagonistische Wirkung erklärt die psychotrope Wirkung von Dextromethorphan-haltigen Arzneimitteln. Es besteht Missbrauchsgefahr.
  • Dextromethorphan ist ein Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. Wird seine Umwandlung in Dextrorphan durch CYP2D6-Inhibitoren gehemmt, steigen die Dextromethorphan-Spiegel und damit die Gefahr für ein Serotonin-Syndrom.
  • CYP2D6 poor metabolizer haben ein erhöhtes Risiko für ein Serotonin-Syndrom, bei sehr schnellen Metabolisierern wird über eine verstärkte Umwandlung in Dextrorphan die psychotrope Wirkung gesteigert.
  • Das Risiko für die Entstehung eines Serotonin-Syndroms unter Dextromethorphan steigt auch bei gleichzeitiger Behandlung mit serotoninerg wirkenden Arzneistoffen.
  • Dextromethorphan ist ein Codein-Analogon, das jedoch nur eine sehr geringe Affinität zu Opioid-Rezeptoren hat. Sie kommt erst in hohen Dosierungen zum Tragen. Es besteht die Gefahr einer Atemdepression.
  • Wegen des Missbrauchspotenzials von Dextromethorphan sollten Apothekerinnen und Apotheker besonders hellhörig werden, wenn Dextromethorphan und Antihistaminika gemeinsam verlangt werden.

Missbrauchsproblematik

Aufgrund der Antagonisierung von NMDA-Rezeptoren treten unter dem Einfluss von Dextromethorphan in hohen Dosierungen betäubende und Abhängigkeits-fördernde Wirkungen auf, wodurch eine deutliche Gefahr des Missbrauchs des Wirkstoffes als Rauschgift resultiert. Ein Rausch kann bis zu sechs Stunden andauern. Er kann euphorisch und psychedelisch verlaufen, aber auch zu Halluzination, Dysphorie (beides vermutlich aufgrund der δ-Rezeptorwirkung) und, ähnlich zur Wirkung des Ketamins (ebenfalls ein NMDA-Antagonist), zur dissoziativen Anästhesie führen. Es besteht die Gefahr von Horrortrips. Eigentlich hat Dextromethorphan ein geringes Abhängigkeitspotenzial, und bei bestimmungsgemäßer Anwendung gilt der Wirkstoff als sicher und unbedenklich, wobei aber die Gefahr als Einstiegsdroge bestehen bleibt. In einschlägigen, dubiosen Foren im Internet wird umfangreich darüber beraten, in welcher Dosierung Dextromethorphan missbräuchlich anzuwenden ist und welches Präparat hierfür „das Beste“ sei. Daher sollten Apotheker*Innen hellhörig werden, wenn beispielsweise explizit „Hustenstiller ratiopharm® Dextromethorphan“ verlangt wird und Alternativpräparate abgelehnt werden. Die Anwendung reicht von der normalen Einnahme bis zu „Purple Dranks“, bei denen Dextromethorphan in Limonade mit zerkrümelten Bonbons getrunken wird. Auch die Kombination mit zentral wirksamen Antihistaminika wird für das Rauschverhalten propagiert. Gründe dafür könnten das Erzeugen zentraler Effekte, der verminderte Abbau des Dextromethorphans in dieser Kombination oder das Aus­gleichen ungewollter Symptome des Dextromethorphan-Abusus, wie z. B. Übelkeit, sein. Dabei traten aber auch bei höheren Dosierungen teilweise tödliche Wechselwirkungen mit den Antihistaminika auf. Daher sollte in der Apotheke darauf geachtet werden, diese beiden Substanzklassen nicht gemeinsam abzugeben [13].

Aufgrund des Missbrauchs hat Frankreich Dextromethorphan im Jahr 2017 unter die Rezeptpflicht gestellt und damit auch ein Versandverbot ausgesprochen. In den USA ist Dextromethorphan nur für Anwender ab einem Alter von 18 Jahren erlaubt. In Deutschland dagegen wurde 2009 zum ersten Mal über das Missbrauchspotenzial durch das BfArM berichtet, woraufhin die Rezeptpflicht im Sachverständigenausschuss im Jahre 2011 diskutiert wurde. Dextromethorphan wurde nicht der Verschreibungspflicht unterstellt, aber es sollte nach Möglichkeit nicht mehr an Jugendliche aus­gehändigt werden. Außerdem wurde die Packungsgröße reduziert. Auch eine Pilotstudie der Universität Düsseldorf konnte zumeist männliche Jugendliche als Risikogruppe identifizieren [15]. Dennoch blieb Dextromethorphan zwar apothekenpflichtig, aber ab einem Alter von 12 Jahren verkehrsfähig. Erst im November 2019 wies die AMK erneut auf die Problematik des Missbrauchs dieses Wirkstoffes hin, da sich in den letzten sechs Jahren jede dritte Meldung auf den missbräuchlichen Einsatz von Dextromethorphan bezog. Die Dunkelziffer wird jedoch vor allem durch den Internet­handel deutlich höher geschätzt.

Fazit

Dextromethorphan stellt im OTC-Bereich ein potentes und bei zweckmäßiger Bestimmung sicheres Arzneimittel dar. Daher muss im Rahmen der Beratung in der Apotheke das Thema Missbrauch, neben der Abklärung potenzieller Interaktionen durch CYP2D6-Inhibitoren und/oder serotoninerger Arzneistoffe, bei der Abgabe bedacht werden. Im Zweifel muss die Abgabe verweigert werden. |
 

Literatur

 [1] Schwabe. Arzneiverordnungs-Report 2018 (Springer Berlin Heidelberg, 2018).

 [2] Geisslinger G, Menzel S, Gudermann T, Hinz B, Ruth P. Mutschler Arzneimittelwirkungen. Pharmakologie – Klinische Pharmakologie – Toxikologie. 11th ed. (Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, 2019).

 [3] Taylor CP, Traynelis SF, Siffert J, Pope LE, Matsumoto RR. Pharmacology of dextromethorphan: Relevance to dextromethorphan/quinidine (Nuedexta®) clinical use. Pharmacology & therapeutics 2016;164, 170–182; 10.1016/j.pharmthera.2016.04.010.

 [4] Steinhilber D, Schubert-Zsilavecz M, Roth HJ. Medizinische Chemie. Targets – Arzneistoffe – chemische Biologie. 2nd ed. (Deutscher Apotheker-Verlag, Stuttgart, 2010).

 [5] Siu A, Drachtman R. Dextromethorphan: a review of N-methyl-d-aspartate receptor antagonist in the management of pain. CNS drug reviews 2007;13,96–106; 10.1111/j.1527-3458.2007.00006.x.

 [6] Werling LL, Keller A, Frank JG, Nuwayhid SJ. A comparison of the binding profiles of dextromethorphan, memantine, fluoxetine and amitriptyline: treatment of involuntary emotional expression disorder. Experimental neurology 2007;207,248-257; 10.1016/j.expneurol.2007.06.013.

 [7] Fachinformation Hustenstiller-ratiopharm Dextromethorphan (2016).

 [8] Fachinformation Silomat DMP INTENSIV gegen Reizhusten (2017).

 [9] European Medicin Agency. Nuedexta, Withdrawal of the marketing authorisation in the European Union EMA/186479/2016. https://www.ema.europa.eu/en/documents/other/public-statement-nuedexta-withdrawal-marketing-authorisation-european-union_en.pdf (2016).

[10] Reinecke K. Arzneimittel und CYP2D6. Deutsche Apotheker Zeitung 2012;47,60.

[11] Anzenbacher P, Anzenbacherová E. Cytochromes P450 and metabolism of xenobiotics. Cellular and molecular life sciences: CMLS 2001;58,737-747; 10.1007/pl00000897.

[12] Embryotox. Embryotox: Dextromethorphan. https://www.embryotox.de/arzneimittel/details/dextromethorphan/.

[13] Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK). 2019/46: Informationen der Institutionen und Behörden: AMK: Missbrauch von Dextromethorphan – auch Risiko für Serotonin-Toxizität beachten. https://www.abda.de/fuer-apotheker/arzneimittelkommission/amk-nachrichten/detail/46-19-informationen-der-institutionen-und-behoerden-amk-missbrauch-von-dextromethorphan-auch-risiko-fuer-serotonin-toxizitaet-beachten/.

[14] Boyer EW, Shannon M. The serotonin syndrome. The New England journal of medicine 2005;352,1112-1120; 10.1056/NEJMra041867.

[15] Müller S. Dextromethorphan-Missbrauch bei Jugendlichen: Wie kann der Apotheker sich verhalten. Med Mo Pharm 2014; 95ff.
 

Autoren

Fabian Baltes, (MSc Arzneimittelforschung) ist Fachapotheker für Arzneimittelinformation und gegenwärtig Doktorand in der Arbeitsgruppe Bendas an der Universität Bonn.

 

 

Prof. Dr. Gerd Bendas ist Apotheker und Professor für Pharmazeutische Chemie an der Universität Bonn.

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