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Testen, testen – oder nicht testen?

Abgabe von Antigen- und Antikörpertests in der Apotheke

mp/ral | Seit März erweitert Deutsch­land stetig seine Testkapazitäten, um eine Übersicht zur COVID-19-Pandemie zu gewinnen. Deren Dynamik übersteigt allerdings nach wie vor das diagnostische Angebot. Hersteller können die Materialien für den Goldstandard, den PCR-Test, nur noch in Kontingenten liefern. Antigen-Schnelltests könnten in dieser Situation ein Hoffnungsschimmer sein, der den infektiologischen Nebel lichtet. Doch die rechtliche Situation zur Abgabe derartiger Tests in der Apotheke ist noch nicht abschließend geklärt.

Am 14. Oktober 2020 hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Liste mit Antigentests zum direkten Erregernachweis von SARS-CoV-2 veröffentlicht, die gewisse Mindestanforderungen des Paul-Ehrlich- (PEI) und Robert Koch-Instituts (RKI) erfüllen. Nach aktueller nationaler Teststrategie ­können diese Antigentests sowohl in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern als auch für den Test des Personals von Arztpraxen eingesetzt werden. Zusätzlich dazu vertreiben Hersteller seit einigen Monaten „Point-of-Care-Tests“, die bei Patienten im Blut IgG-Antikörper gegen SARS-CoV-2 nachweisen sollen. Sie zeigen an, ob ein Patient eine Infektion mit dem Virus bereits durchlaufen hat. Mittlerweile werden Kits zur selbstständigen Entnahme eines Tropfens Vollblut zur anschließenden Untersuchung auf Antikörper in Laboratorien kommerziell vertrieben. Viele öffentliche Apotheken bieten z. B. AProof® an, die Apothekerkammern in Sachsen und Thüringen haben ­explizit grünes Licht für die Abgabe dieses Artikels an Patienten gegeben. Der Arzneimittelversender Shop Apotheke und die Drogeriemarktkette dm wiederum werben für den „Corona­virus Antikörper Test“ von Cerascreen.

Rechtliche Ausgangslage

Apotheken dürfen SARS-CoV-2-Antigen- oder Antikörpertests derzeit eigentlich nicht an medizinische Laien abgeben. Laut Infektionsschutzgesetz handelt es sich bei SARS-CoV-2 um einen meldepflichtigen Krankheits­erreger. In-vitro-Diagnostika für den Nachweis solcher Krankheitserreger sind Medizinprodukte und unterliegen damit der Medizinprodukte-Ab­gabeverordnung (MPAV). Nach § 3 Absatz 4 der MPAV dürfen sie nur abgegeben werden an:

  • Ärzte,
  • ambulante und stationäre Einrichtungen im Gesundheitswesen, Großhandel und Apotheken,
  • Gesundheitsbehörden des Bundes, der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände,
  • Blutspendedienste, pharmazeutische Unternehmen,
  • Beratungs- und Testeinrichtungen für besonders gefährdete Personengruppen.

Sonderfall Probenentnahmekits

Handeln Apotheken somit nicht ordnungswidrig, wenn sie Probenentnahmesets wie AProof® an Patienten ab­geben? Dazu äußerte sich ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) gegenüber der DAZ: „Theoretisch unterliegen Testkits, die lediglich zur Probenentnahme und der anschließenden Sendung an ein Labor gedacht sind, nicht grundsätzlich § 3 Absatz 4 der Medizinprodukte-Abgabe­verordnung. Die Einhaltung der MPAV wird auf Landesebene überprüft.“ Daher fragten die 17 Apothekerkammern bundesweit bei den zuständigen Ministerien nach und erhielten verschiedene Einschätzungen. So raten derzeit die Apothekerkammern Schleswig-Holstein, Bayern, Sachsen-Anhalt, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg ihren Mitgliedern, auch Probenentnahmesets nicht an medi­zinische Laien abzugeben. Das Mi­nisterium für Soziales und Integration in Baden-Württemberg teilt die Auffassung, dass Medizinprodukte für diagnostische Zweckbestimmung bei meldepflichtigen Erkrankungen nur an Fachpersonal abgegeben werden darf. Das betrifft übrigens auch die Drogeriekette dm mit Firmensitz in Karls­ruhe. Das Ministerium prüft derzeit, ob der Vertrieb des Proben­entnahmekits von Cerascreen über die Website des Badischen Unternehmens zulässig ist.

Beratung ist entscheidend

Sowohl das BMG als auch die Apo­thekerkammern, die die Abgabe der Probenentnahmekits in Apotheken als zulässig erachteten, betonten die diagnostischen Grenzen der Probenentnahmekits. Einerseits sei gerade die Probenentnahme der schwierigste Punkt bei der Diagnostik, weshalb das BMG empfiehlt, dass Fachpersonal die Tests durchführt. Andererseits sei grundsätzlich die Aussagekraft eines Antikörpertestergebnisses infrage zu stellen. Daher informierten z. B. die Apothekerkammer Nordrhein und die Senatorin für Gesundheit in Bremen über die Be­ratungspflicht, die bei der Abgabe dieser Antikörpertests in der Apo­theke besonders wichtig seien. Fragen nach dem Zeitverlauf einer Erkrankung oder zur Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung nach einem positiven Test seien durch Laien kaum bis schlecht einzuordnen. |

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