Die Seite 3

Geld statt Recht

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Dr. Thomas Müller-Bohn, DAZ-Redakteur

Als die Insolvenz von AvP bekannt wurde, konzentrierten sich die Bemühungen der Betroffenen auf Aussonderungsrechte. Denn die Abrechnungs­gelder sollen den Apotheken gehören. Sie werden von den Rechenzentren nur kurzzeitig verwaltet. Das ist der Sinn dieses Geschäfts. Doch juristisch wirft das viele Fragen auf: Welche Rechte bleiben, wenn ein Gläubiger seine ­Forderung abtritt? Was ergibt sich aus dem Treuhandverhältnis? Außerdem interessiert das alles offenbar nicht mehr, wenn das Treuhandgeld mit Geld des Rechenzentrums vermischt wird. Damit ist von den anfangs geradezu selbst­verständlich erscheinenden Aussonderungsrechten nur noch eine vage Hoffnung übrig geblieben. Das erscheint unmoralisch und verletzt den Glauben an das System – und doch reagieren Politiker, Juristen und andere Beobachter darauf bestenfalls mit warmen Worten. Statt von der rechtlichen Seite ergibt sich nun allerdings ein Hoffnungsschimmer von der wirtschaftlichen Seite. Die Zusammenstellung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten von AvP, die der Insolvenzverwalter dem zuständigen Gericht vorgelegt hat, offenbart beachtliche Werte (S. 9). Das Gutachten dient zwar nicht zur Schätzung einer Auszahlungsquote, bietet aber Anhaltspunkte dafür. Unter sehr günstigen Annahmen lässt sich daraus eine Quote von bis zu 90 Prozent herleiten. Vielleicht könnte dabei mehr Geld für die Apotheker herauskommen als in langen und teuren Verfahren um Aussonderungsrechte. Dann bliebe moralisch zu beklagen, dass die Betroffenen in eine derart schwache Rechtsposition geraten sind. Sie bekämen zwar nicht ihr erwartetes gutes Recht, aber immerhin einen großen Teil des ausstehenden Geldes. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg. Denn der Insolvenzverwalter verweist in seinem Gutachten auf viele Unwägbarkeiten. Eine der größten Vermögenspositionen der AvP seien Forderungen gegen die Krankenkassen wegen verfallener Rabatte. Das Rechenzentrum habe diese Forderungen wegen zu später Zahlungen der Krankenkassen mindestens seit 2013 nicht ordnungsgemäß aufgearbeitet und geltend gemacht. Diese Darstellung vermittelt einen irritierenden Eindruck von der Arbeitsweise bei AvP, und sie wirft die Frage auf, ob einzelne Krankenkassen die Schwächen der AvP-Buchhaltung erkannt und für verspätete Zahlungen genutzt haben. Außerdem ist zu fragen, inwieweit diese teilweise sehr alten Forderungen noch einzutreiben sind. Umgekehrt bleiben aber noch Ideen für weitere denkbare Forderungen gegen Banken oder Haftungsansprüche, die im Gutachten nicht beziffert werden. Das alles ist noch sehr unsicher. Doch der vermutlich lange Reigen von Prognosen für die letztlich auszuzahlende Quote ist eröffnet.

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