DAZ aktuell

„Dj“-Rezepte stiften Verunsicherung

Dosierung muss seit 1. November auf das Rezept – doch was gilt in Ausnahmefällen?

mp | Seit dem 1. November müssen Ärzte auf Rezepten die Dosierung angeben – es sei denn, sie vermerken, dass Patienten bereits eine schriftliche Dosierungsanweisung oder einen Medikationsplan besitzen (s. AZ 2020, Nr. 46, S. 7). In den ersten knapp zwei Wochen erreichten Apotheken bereits zahlreiche fehlerhafte Dosierungsangaben. Rücksprachen waren erforderlich und die Retaxationsgefahr steigt. Die DAZ informiert daher noch mal, welche Änderungen zulässig sind – und welche nicht.

Ärzte müssen auf Rezepten, die seit dem 1. November 2020 ausgestellt werden, eine Dosierungsangabe (z. B. „0-0-1“) oder alternativ das Kürzel „Dj“ vermerken, was so viel bedeutet wie: „Dosierungsanweisung vorhanden: ja“. Die Änderung geht auf Artikel 1 Nummer 1 der 18. Verordnung zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung zurück. Ausgenommen sind Verschreibungen, die direkt an den oder die Verordnenden gerichtet sind, etwa beim Sprechstundenbedarf. Die Regelungen für die Kennzeichnung von Rezeptur-Verordnungen bleiben wie bisher bestehen: Verschreibende müssen wie üblich die Gebrauchsanweisung auf dem Rezept vermerken.

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Konkrete Dosierungsangaben oder das Kürzel „Dj“ gehören seit Anfang November auf das Rezept. Was in der Apotheke nachträglich ergänzt werden darf, sorgt derzeit für Diskussionen.

Holpriger Start

Der Anforderungskatalog an die Verordnungssoftware nach § 73 SGB V sieht seit dem 1. Oktober 2020 die Dosierungsangabe als Funktion in der Praxissoftware verpflichtend vor. Theoretisch sollten die Programme inzwischen mit einem entsprechenden Update ausgestattet worden sein. Dass in der Praxis die Verordnungssoftware nicht regelmäßig aktualisiert wird oder andere Probleme entstehen, steht dabei auf einem anderen Blatt.

Tatsache ist, dass in den Apotheken bisher zahlreiche Rezepte landen, die Ärzte nach dem 1. November ausstellen – und dennoch nicht der neuen Regelung entsprechen. „Unsere Mitglieder berichten inzwischen von einer mangelhaften Umsetzung bis hin zu einer kompletten Ignorierung dieser Neuregelungen durch Ärzte“, sagt beispielsweise Georg Zwenke vom Apothekerverband Schleswig-Holstein und Apothekerverein Hamburg. Apotheker bundesweit halten vielfach Rücksprache mit den Ärzten, um die Probleme zu beseitigen. Gleichzeitig befürchten sie, dass die Krankenkassen ihnen die Vergütung verwehrt, wenn Rezepte wegen Formfehlern auf „Null“ retaxiert werden.

Dass Probleme auftreten würden, hatten viele Apotheker kommen sehen: In einer nichtrepräsentativen DAZ.online-Umfrage zeigten sich im Juni letzten Jahres 57 Prozent der Befragten skeptisch gegenüber der verpflichtenden Dosierungsangabe. Auch für Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) sind die anfänglichen Probleme keine Überraschung. „Wir haben gesehen, dass es hier und da noch Schwierigkeiten mit der Software und der korrekten Bedruckung von Rezepten gibt. Das ist nicht ungewöhnlich bei solchen Umstellungen.“

Die Kunst des (Rezepte)Heilens

Fehlt auf einem Rezept die Dosierungsangabe, dürfen Apotheker diese ergänzen, wenn die Rücksprache mit dem verschreibenden Arzt nicht möglich ist und ein dringender Notfall vorliegt. Wenn Patienten eine schriftliche Dosierungsanweisung besitzen, aber der Vermerk auf dem Rezept fehlt, dürfen Apotheker diese nach § 2 Absatz 6a AMVV auch ohne Rücksprache ergänzen – wenn ihnen diese Angaben zweifelsfrei bekannt sind.

Georg Zwenke betont, dass der genaue Wortlaut bei dieser Ergänzung keine Rolle spielt. „Wie sie den Verweis auf die Dosierungsanweisung ergänzen, ist nicht vorgegeben. Das könnte mit dem Kürzel „Dj“ geschehen, muss aber nicht.“ Das Kürzel „Dj“ sei in einem Vertrag zwischen KBV und GKV-Spitzenverband zur Verordnungssoftware festgelegt worden. Zwenke weist darauf hin, dass im Anforderungskatalog an die Verordnungssoftware nach § 73 SGB V, einem Vertrag zwischen GKV-Spitzenverband und Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV), die Apotheken nicht einbezogen seien.

Wenn Apotheker Angaben auf Rezepten ändern möchten, müssen sie diese Korrekturen oder Ergänzungen nach § 17 Abs. 5 ApBetrO und nach § 6 Abs. 2 Rahmenvertrag gemäß § 129 SGB V mit einer Signatur kenntlich machen. Bei elektronischen Verordnungen sollten Apotheker Änderungen im Dispensierdatensatz aufnehmen und eine qualifizierte elektronische Signatur hinzufügen.

Zum Weiterlesen

Im Artikel „Fehldosierung vorprogrammiert“ (DAZ 2019, Nr. 42, S. 48) diskutierte Apothekerin Carina John 2019 die verpflichtende Dosierungsangabe hinsichtlich der Auswirkungen auf die Arzneimitteltherapiesicherheit. Einerseits biete die Dosierung auf dem Rezept Vorteile für den Patienten, aber andererseits das Potenzial für pharmazeutische Risiken, weil unklare Angaben Interpretationsspielraum liefern könnten. Pharmazeutisches Fachpersonal könnte diese Probleme jedoch – mit der richtigen Herangehensweise – oft ohne ärztliche Rücksprache lösen.

Die Autorin beteiligt sich am Critical-Incident-Reporting-System Nordrhein-Westfalen – kurz CIRS-NRW (www.cirsmedical.de). Dabei können Mitarbeiter des Gesundheitssystems kritische Ereignisse in der Patientenversorgung digital und anonymisiert sammeln. Anschließend diskutieren interdisziplinäre Partner des Projektes mögliche Lösungen.

Genauer Wortlaut entscheidet auch bei BtM-Rezepten nicht

Bei der Verschreibung von Betäubungsmitteln gilt wie bisher die Betäubungsmittel-Verschreibungs­verordnung (BtMVV). Demnach muss nach § 9 Absatz 1 Nr. 5 BtMVV auf BtM-­Rezepten weiterhin die Dosierung mit Einzel- und Tagesgaben vermerkt sein, es sei denn, der Arzt weist auf eine schriftliche Dosierungsanweisung hin.

Apotheker befürchten, dass Rezepte, die der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV) unterliegen, retaxiert werden könnten, wenn der Arzt mit dem Kürzel „Dj“ auf eine schriftliche Gebrauchsanweisung hinweist. Nach § 9 Absatz 1 Nr. 5 BtMVV ist auf BtM-Rezepten die Gebrauchs­anweisung mit Einzel- und Tagesangabe oder im Falle, dass der Patient eine schriftliche Gebrauchsanweisung besitzt, ein Hinweis auf diese anzugeben.

Auch hier entwarnt Zwenke: Seit dem 13.12.2014 sei in der BtMVV der Vermerk „Gemäß schriftlicher Anweisung“ ausdrücklich nicht mehr vor­gesehen. Zu BtM-Rezepten ohne die wörtliche Wiedergabe dieses Vermerks gab es zuvor nach Zwenkes Kenntnis eine Retaxwelle mit Klageverfahren. Schließlich hat der Gesetzgeber von einer Vorformulierung dieses Hinweises auf eine übergebene Gebrauchsanweisung bewusst abge­sehen. Es steht Ärzten nunmehr frei, wie sie ihren Hinweis auf die über­gebene schriftliche Gebrauchsanweisung auf dem BtM-Rezept vermerken und formulieren. Wenn also der verordnende Arzt das Kürzel „Dj“ auf BtM-Rezepten als Hinweis auf eine schriftliche Gebrauchsanweisung verwenden sollte, sei auch dies zulässig, da die Fach­kreise zum Informationsgehalt dieses Kürzels informiert wurden. Ein solches Rezept dürfte nach Einschätzung des Apotheker­verbandes Schleswig-Holstein und des Hamburger Apothekervereins nicht retaxiert werden.

Muss der Apotheker die Angaben auf dem BtM-Rezept ändern, ist zuvor Rücksprache zu halten und die An­passung im Anschluss zu signieren. |

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