Pandemie Spezial

Die unheilvolle Allianz von Krebs und COVID-19

SARS-CoV-2 ist ein neuer Risikofaktor für Krebspatienten

SARS-CoV-2-Infektionen stellen auch die Onkologie vor große Herausforderungen. Das betrifft unter anderem die Risikoeinschätzung, den Schutz des Tumorpatienten vor einer Ansteckung mit SARS-CoV-2, die Durchführung onkologischer Therapien und die Fortführung von Tumorbehandlungen bei Patienten, die an COVID-19 erkrankt sind.

Ein wichtiges Ziel ist der Schutz des Tumorpatienten vor einer Ansteckung. Dabei ist das Ansteckungsrisiko vom Risiko eines schweren Erkrankungsverlaufs zu trennen. Bisher gibt es keine belastbaren Zahlen für ein erhöhtes Infektionsrisiko von Krebspatienten für SARS-CoV-2. Allerdings weisen Tumorpatienten mit COVID-19 eine höhere 30-Tage-Mortalität als Krebspatienten ohne eine SARS-CoV-2-­Erkrankung auf. Ist ein Krebspatient an COVID-19 erkrankt, bestimmt unter anderem die Art der Tumorerkrankung das Ausmaß seiner Gefährdung. Besonders gefährdet sind Patienten mit einem geschwächten oder unterdrückten Immunsystem, niedrigen Immunglobulinwerten oder Leukopenien sowie Patienten nach einer allogenen Stammzelltransplantation. Krebspatienten mit einer aktiven und progredienten Erkrankung weisen ebenfalls ein höheres Risiko auf. Sie haben bei einer COVID-19-Infektion eine höhere Sterblichkeit als Patienten in Remission oder Patienten mit fortgeschrittener, aber nicht progredienter Erkrankung. Hinweise auf eine erhöhte Sterblichkeit finden sich bei Patienten mit aktiven hämatologischen Neoplasien unter intensiver Therapie, bei Patienten mit Lungenkarzinom und bei jüngeren Krebs­patienten (s. Kasten Schwerer Verlauf, erhöhte Sterblichkeit).

Schwerer Verlauf, erhöhte Sterblichkeit

Foto: Blue Planet Studio – stock.adobe.com

Für einen schweren Verlauf von COVID-19 oder eine erhöhte Sterblichkeit bei Krebs­patienten sind verschiedene Risikofaktoren verantwortlich:

allgemein

  • höheres Alter
  • männliches Geschlecht
  • schlechter Gesamtzustand eines Patienten (höherer ECOG-Status)
  • Komorbidität
  • Rauchen

maligne Erkrankungen

  • maligne Erkrankung in der Vorgeschichte
  • hämatologische Neoplasien und Lungenkarzinom
  • aktive Krebserkrankung
  • metastasierte Krebs­erkrankung (Stadium IV)
  • Therapie in den Wochen unmittelbar vor der COVID-19-­Erkrankung
  • Lymphozytopenie
  • Neutrophilie

Verzögerte Diagnosen

Zwischen März und Mai dieses Jahres nahm die Zahl neu diagnostizierter Krebserkrankungen deutlich ab, was sich auf eine pandemiebedingte Verzögerung der Diagnosestellung zurückführen lässt. Dies betraf vor allem diejenigen Tumorentitäten, die im Rahmen von Früherkennungsmaßnahmen festgestellt werden. Mögliche Folgen, die aus einem späteren Behandlungsbeginn resultieren, sind stärker belastende Therapien oder ein ungünstiger Krankheitsverlauf.

DAZ/Hammelehle
Abb.: Entscheidungskriterien beim Vorliegen von Tumor- und COVID-19-Erkrankungen. Die Bewertung und Gewichtung der Einzelfaktoren soll individuell erfolgen. Dabei sollten die lokalen Gegebenheiten ebenso berücksichtigt werden wie die sich rasch ändernde Daten- und Versorgungslage [nach www.Onkopedia.de].

Therapie verschieben?

Bei Patienten mit aktiver Krebserkrankung und gleichzeitigem Nachweis einer SARS-CoV-2-Infektion oder Aufenthalt in einer Hotspot-Region soll individuell abgewogen werden, ob das Verschieben einer Tumortherapie indiziert ist. Berechnungen aus Großbritannien zufolge kann eine zweimonatige Verlängerung der Wartezeit bei Patienten mit einer malignen Erkrankung im kurativen Stadium zu einem Verlust an Lebensjahren führen. Ob eine Therapie verschoben wird, hängt neben der Art der Tumorerkrankung von verschiedenen Kriterien ab und muss in jedem Fall individuell entschieden werden. Die Angst vor einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-­Virus darf die Bekämpfung einer bereits bestehenden, potenziell lebensgefährlichen Erkrankung nicht beeinträchtigen. Der Benefit einer Tumortherapie überwiegt in vielen Fällen das mit einer COVID-19-­Infektion einhergehende Risiko.

Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) erarbeitete für viele Tumorentitäten Leitlinien, wie die Krebsbehandlung in Zeiten der COVID-19-Pandemie erfolgen kann.

Worauf der Krebspatient achten sollte

Die wichtigsten Maßnahmen sind das Tragen von Mund- und Nasenschutz, die hygienische Hände­desinfektion, das Einhalten von Abstand zu anderen Personen, die Eingrenzung sozialer Kontakte sowie das Beachten möglicher Symptome einer COVID-19-Infektion. Dies gilt besonders für Patienten, die eine immunsuppressive Therapie erhalten oder unter einer unkontrollierten Tumorerkrankung leiden. Ferner sollte auf einen ausreichenden Ernährungsstatus (Behandlung einer Tumorkachexie, Ausgleich potenzieller Mangelzustände wie Vitamin-D- und Eisen-Mangel) und auf eine ausreichende Mobilität geachtet werden. Impfungen gegen Influenza und Pneumokokken reduzieren das Risiko weiterer, potenziell kritischer Infektionen. Von dem Konsum von Rauchwaren wird dringend abgeraten. |

Literatur

Trümper L. COVID-19 und Krebs: Ein neues von vielen zu beachtenden Elementen in der Krebstherapie. Pressekonferenz am 10. Oktober 2020 im Rahmen der virtuellen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie (DGHO)

von Lilienfeld-Toal M, Greinix H, Hein A, Hirsch HH et al. Coronavirus-Infektion (COVID-19) bei Patienten mit Blut- und Krebserkrankungen. Stand 17. September 2020, www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/coronavirus-infektion-covid-19-bei-patienten-mit-blut-und-krebserkrankungen/@@guideline/html/index.html

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

 

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