Die Seite 3

Trugschluss

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Dr. Armin Edalat, Chefredakteur der DAZ

Arzneimittel oder Patient? Die Frage, was genau im Fokus unserer pharmazeutischen Tätigkeit steht, wird bekanntlich kontrovers diskutiert, und doch müsste die Antwort eigentlich klar sein: Es gibt kein Entweder-oder, sondern immer nur ein Sowohl-als-auch.

Eine Beratung und Betreuung von Patienten durch Apotheker, ohne dass diese Arzneimittel abgeben können, entspricht nicht wirklich dem Sinn einer qualitativ hochwertigen und sicheren Versorgung. Es wäre eine sehr düstere Perspektive, wenn die Apotheker der Zukunft als reine Dienstleister und Berater fungieren, die die Medikation ihrer Klienten im Rahmen von Hausbesuchen oder Videokonferenzen managen, während die Arzneimittel auf anderen Wegen verteilt würden.

Das Tauziehen um diese Frage ist in der akademischen Welt noch längst nicht beendet – in der Standes­politik ­offensichtlich schon. Nicht anders ist zu erklären, warum sich die ABDA mit nur wenigen Vorbehalten so sehr an das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) von Gesundheitsminister Jens Spahn klammert. Man hofft, das Zeit­alter der honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen zu betreten. Gleichzeitig verlässt man aber immer weiter das Terrain einer soliden Apo­thekenfinanzierung. Das Fixum im ­Packungshonorar bleibt seit Jahren ­unangepasst, und es ist zweifelhaft, ob eine nachfolgende Bundesregierung dann überhaupt noch einmal die Dynamisierung in Angriff nehmen wird.

Damit verschärft sich die wirtschaftliche Situation der Apotheken – einerseits aus Sicht der Angestellten, deren Gehälter seit Jahren von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung abge­koppelt bleiben, andererseits aus Sicht der Inhaber, deren unternehmerisches Risiko schon längst nicht mehr abgedeckt wird.

Man wolle die Apotheker doch nicht für die Abgabe der Packung bezahlen, heißt es immer wieder im politischen Diskurs. Ein Trugschluss, denn das Packungshonorar soll nicht den Akt der Abgabe, sondern die Kosten für den Apothekenbetrieb insgesamt abbilden. Was wäre die Alternative? Dienstleistungshonorare müssten in Zukunft so hoch kalkuliert werden, dass sie die defizitäre Vergütung kompensieren. Realistisch betrachtet ist das aussichtslos. Denn plötzlich würde über die Vergütung einer konkreten Tätigkeit in der Apotheke diskutiert. Widerstände aus dem Lager der Krankenkassen, der Ärzteschaft und nicht zuletzt der Politik sind dann – mit künstlich erzeugtem öffentlichen Druck – noch spürbarer. Die Reaktionen auf die 12,61 Euro netto pro Grippeimpfung im Rahmen des Modellprojekts in Nordrhein waren bereits ein erster Vorgeschmack. Und wenn am Ende der Corona-Krise noch das ein oder andere Spar-Gesetz droht, könnte den honorierten Dienstleistungen ohnehin das vorläufige Aus blühen.

Irgendwie scheint es, als habe es der Berufsstand aufgegeben, mit der Politik über eine auskömmliche Vergütung per Kombimodell zu verhandeln und die Dienstleistungshonorare konsequent als Add-on zu kommunizieren. Das VOASG wird für die neue ABDA-Spitze ab nächstem Jahr alles andere als ein leichtes Erbe sein.

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