Interpharm online 2020

Eine pharmakologische „Ring“-Geschichte

Entwicklung und das Potenzial trizyklischer Psychopharmaka

cb | Inspiriert von und mit Bezügen zu J. R. R. Tolkiens Meisterwerk ließ Prof. Dr. med. Thomas Herdegen, Kiel, die Zuhörer seines Vortrages an der Entwicklung der trizyklischen Neuroleptika und Antidepressiva von der Mitte des vergangenen Jahrhunderts bis in die Gegenwart teilhaben. Außerdem beleuchtete er den Stellenwert ausgewählter Wirkstoffe bei verschiedenen Krankheitsbildern.

Begonnen hatte die „pharmakologische Revolution“ im Jahre 1950, als der französische Chemiker Paul Charpentier bei der Suche nach neuen Schlafmitteln Chlorpromazin, das erste trizyklische Antipsychotikum, synthetisierte. Noch heute sind diese Wirkstoffe – inzwischen mit Seitenketten modifiziert und auch nicht immer trizyklisch – fester Bestandteil der Therapie, vor allem bei Schizophrenie-Patienten, wo sie gut gegen die Plus-Symptomatik wirken. Da bei der Schizophrenie das Rückfallrisiko sehr hoch ist, kann die Apotheke Patienten bei der Adhärenz unterstützen und sie zur konsequenten Einnahme der Rezidivprophylaktika ermuntern. Doch auch bei der Behandlung der Depression nimmt die Bedeutung der Neuroleptika zu. Beispielsweise wird das atypische Neuroleptikum Quetiapin in den S3-Leitlinien zur Augmentation bei Depression empfohlen. Laut Herdegen völlig zu Recht, denn wahnhafte Vorstellungen wie Verarmungswahn oder Perspektivlosigkeits-Denken belasten auch diese Patienten.

Foto: DAZ.online

Prof. Dr. Thomas Herdegen zeigte das große Potenzial der trizyklischen Neuroleptika.

Trizyklisches Antidepressivum als Analgetikum

Ähnlich wie die trizyklischen Neuroleptika sind auch die trizyklischen Antidepressiva wie Imipramin, Clomipramin und Amitriptylin laut Herdegen „pharmakodynamische Alles­könner, da sie mit verschiedenen Rezeptoren in unterschiedlichem Ausmaß interagieren. Das breiteste Indikationsspektrum besitzt Amitriptylin; es wird beispielsweise auch zur Prophylaxe von Migräne und chronischem Spannungskopfschmerz eingesetzt. Die (ko)analgetische Wirkung der Substanz beruht nicht auf seinen stimmungsaufhellenden Eigenschaften, erläuterte Herdegen. Vielmehr blockiert Amitriptylin die Wiederaufnahme und damit die Inaktivierung von Noradrenalin an den Nerven­endigungen und verstärkt dadurch die körpereigene Schmerzhemmung. „Der einströmende Schmerz wird schon beim Eingang ins Nervensystem unterbrochen“, sagte der Pharmakologe.

Antiepileptika als Schmerzmittel

Als weiteren interessanten Wirkstoff mit einer 3-Ring-Grundstruktur nannte Herdegen Carbamazepin – ein fest etabliertes Antiepileptikum, das jedoch auch bei neuropathischen Schmerzen eingesetzt wird. Der Hintergrund: Beispielsweise lösen bei Trigeminus-Neuralgien Entladungen über Natrium-Kanäle den typischen, unerträglichen Schmerz aus. Carbam­azepin besitzt eine besonders stark ausgeprägte Fähigkeit, spannungsabhängige Natrium-Kanäle zu hemmen. Und diese Erregungen ähneln stark den „Wellen“, die zur Epilepsie führen. Deshalb kann ein Natrium­kanal-Blocker sowohl bei Epilepsie als auch beim neuropathischen Schmerz eingesetzt werden. Ein weiteres Anwendungsgebiet von Carbamazepin ist die bipolare Störung, die mit einer hohen Suizidrate verbunden ist.

Die Bedeutung von Placebo bei der Depressionsbehandlung

Bei klinischen Studien mit Antidepressiva zeigt sich manchmal nur ein geringer Unterschied zwischen Verum- und Placebogruppe, der dann als „geringe Wirkstärke“ der Arzneistoffe interpretiert wird. Doch dieses Phänomen lässt sich erklären: Placebo ist wirksam, es ist nicht „nichts tun“. Denn die Studienprotokolle sehen vor, dass auch die Teilnehmer der Placebogruppe intensiv und interaktiv betreut werden. Das kann sich positiv auf den Verlauf ihrer Erkrankung auswirken. |

 

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