Aus der Hochschule

Apothekerin Charlotte Dahlem ausgezeichnet

Nachwuchsforscherin der Uni Saarland erhält Preis für neuartige Doppelstrategie gegen Krebs

Einen vielversprechenden neuen Ansatz für die Tumortherapie eröffnet ein Wirkstoff, an dem die Pharmazeutin Charlotte Dahlem im Team von Alexandra K. Kiemer an der Universität des Saarlandes forscht: Der Naturstoff hindert den Krebs daran zu wachsen, und bringt außerdem die körpereigene Abwehr dazu, die Tumorzellen anzugreifen. Für ihre Arbeit an dieser Doppelstrategie wurde der Nachwuchsforscherin am 23. September der Preis der Hans-und-Ruth-Giessen-Stiftung verliehen.

Gegen feindliche Eindringlinge wie Bakterien oder Viren und auch gegen außer Kontrolle geratene eigene Zellen hat der menschliche Körper ein mobiles Einsatzkommando: Die Makrophagen. Ausgerechnet in Tumoren gibt es in dieser Spezialeinheit aber Überläufer. Der sogenannte M2-Typ lässt sich von Krebszellen rekrutieren. Senden die Tumorzellen bestimmte Botenstoffe, unterstützen M2-Makrophagen fortan das Wachstum des Tumors und sabotieren zugleich die Immunabwehr. Halten sich in der Mikroumgebung um den Tumor herum viele solcher M2-Überläufer auf, fällt die Prognose eines Krebspatienten mitunter schlechter aus. Charlotte Dahlem aus dem Team von Professorin Alexandra K. Kiemer an der Uni des Saarlandes hat einen Naturstoff untersucht, der in diesem Mikroumfeld des Tumors nicht nur mitmischen kann, sondern sogar zum Doppelschlag gegen Krebszellen imstande ist: „Thioholgamide A, kurz ThioA, wirkt auf den Zellstoffwechsel und hemmt damit das Tumorwachstum“, erklärt Dahlem. ThioA nimmt dadurch zugleich die M2-Überläufer ins Visier: Er polt die tumorfördernden M2-Makrophagen um und macht aus ihnen wieder „gute“ Makrophagen, die Tumorzellen bekämpfen und die körpereigene Abwehr auf den Plan rufen, statt sie zu drosseln.

Foto: Jan Henrich/Uni des Saarlandes

Apothekerin Charlotte Dahlem zieht es jetzt nach Stockholm, wo sie ihre Forschungen zu Zebrafisch-Tumormodellen fortsetzen möchte.

Wirkung in Zebrafisch­embryonen nachgewiesen

In ihrer Doktorarbeit, die Dahlem in diesem Sommer abgegeben hat, erstellte sie das vielversprechende biologische Profil des Naturstoffs, der von Bakterien gebildet wird. In der Folge gelang ihr als Erste, die doppelte Wirkung von ThioA bei Tumorzellen und Makrophagen nachzuweisen: in vitro in der Petrischale anhand von Zellkulturmodellen und in vivo im lebenden Organismus von Zebrafischembryonen. „Wir konnten zeigen, dass ThioA den Stoffwechsel sowohl der Tumorzellen als auch der Makrophagen in ihrer Mikroumgebung beeinflusst“, erläutert Dahlem. Tumorzellen stehen mit ihrem Umfeld in regem Austausch. „Die Tumorzellen sind auf ihre Mikroumgebung angewiesen, sowohl für ihren Stoffwechsel als auch für ihr Wachstum. Mit den zellulären Bestandteilen gibt es ein enges und ­komplexes Zusammenspiel mit vielen Abhängigkeiten“, erklärt Dahlem. Ebendies möchte die Forscherin mit dem neuen Wirkstoff ausnutzen. „ThioA könnte dieses Zusammenspiel zwischen Tumorzellen und ihrer Mikroumgebung empfindlich stören“, sagt die Pharmazeutin. Sie will jetzt weiterforschen, um die komplexen Beziehungen und Verkettungen von Tumorzellen mit ihrer Mikroumgebung weiter aufzuklären und besser zu verstehen. Hierdurch will sie Schwachstellen des Tumors ausmachen, weitere Angriffspunkte finden und die Einsatzgebiete des Naturstoffes ThioA näher erforschen. „Ein besseres Verständnis des Zusammenspiels auf Zellstoffwechselebene könnte etwa dazu beitragen, neuartige Strategien zu entwickeln, um die Therapie gegen den Tumor mit einer auf das Immunsystem gerichteten Therapie zu verbinden“, erklärt sie.

Weitere Forschung in Schweden und den USA

Hierbei hilft ihr jetzt das Preisgeld in Höhe von 25.000 Euro der Hans-und-Ruth-Giessen-Stiftung, die ihre Forschung auszeichnete: Möglich werden dadurch Forschungsaufenthalte in Schweden und den USA, wo die Arbeitsgruppen unter anderem mit Zebrafisch-Modellen forschen, die Dahlem für die nächsten Schritte braucht. „Die in den ersten Tagen durchsichtigen Zebrafischembryonen können helfen, neue, sehr wirkungsvolle Therapien gegen verschiedenste Krankheiten zu erforschen und zu entwickeln. Die Forschungsgruppe in Stockholm zählt zu den führenden auf diesem Gebiet. Schon während eines ersten Forschungsaufenthaltes an der Kyushu Universität in Japan konnte ich mir wichtige Methoden für Zebrafisch-Tumormodelle aneignen, die zu den vorliegenden Ergebnissen geführt haben. Diese wertvollen Erfahrungen und methodischen Fähigkeiten möchte ich in Stockholm gerne erweitern“, sagt die Pharmazeutin. |

Pressemeldung der Universität des Saarlandes

Die Preisträgerin

Charlotte Dahlem, Diplom-Pharmazeutin, Apothekerin und Doktorandin der Pharmazeutischen Biologie an der Universität des Saarlandes im Team von Prof. Dr. Alexandra K. Kiemer, führten Forschungsaufenthalte bisher nach Japan an die Kyushu Universität sowie ans University College in Dublin. Sie war zwei Jahre AStA-Vorsitzende und Mitglied in zahlreichen Gremien der Uni des Saarlandes, darunter auch im Hochschulrat. Sie erhielt für ihr soziales Engagement den „Beste-Preis“ der Universität und des AStA. 2020 wurde sie als Nachwuchswissenschaftlerin mit einer Einladung zur Teilnahme an der Lindauer Nobelpreisträgertagung ausgezeichnet, diese wurde wegen der Corona-Pandemie ins Jahr 2021 verschoben.

Der Preis

Die Hans-und-Ruth-Giessen-Stiftung fördert besonders begabte junge Menschen in den Bereichen Naturwissenschaften, Medizin und klassische Musik. Weitere Informationen: https://www.hr-giessen-stiftung.de/stiftung

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