Die Seite 3

Unerklärliches Nichtstun

Foto: DAZ/tmb

Dr. Thomas Müller-Bohn, Redakteur der DAZ

Die meisten Berufspolitiker betrachten das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) derzeit nach der Devise „warten und hoffen“ oder „warten und bangen“, je nach Neigung und Gemütslage. Niemand kann vorhersagen, was das Wechselspiel zwischen EU-Kommission, Gesundheitsminister und Abgeordneten ergeben wird. Daraufhin hat sich die ABDA offenbar entschlossen, nur eines zu tun und das ganz k­onsequent, nämlich nichts. Doch auch derjenige, der nichts macht, kann vieles verkehrt machen. Denn eine aufgezwungene Zeit des Wartens kann eine ideale Gelegenheit sein, Fehlentwicklungen zu korrigieren, Alternativen vorzubereiten oder zusätzliche Projekte anzugehen.

Doch sogar wenn die Gunst der ­Stunde persönlich anklopft, will die ABDA diese Chance offenbar nicht sehen. So hat es der Pharmaziestudent Benedikt Bühler erlebt. Sein Engagement für das Rx-Versandverbot gibt ihm die großartige Gelegenheit, am 27. Januar vor dem Petitionsausschuss des Bundestages für diesen wirkungsvollen Weg zur Sicherung der Rx-Preisbindung zu werben. Doch die ABDA hat ihm zumindest im ersten Anlauf die von ihr in Auftrag gegebenen Gutachten verweigert, die die verfassungs- und europarechtliche Zulässigkeit des Rx-Versandverbotes darlegen. Dass diese Gutachten existieren, ist kein Geheimnis. Die ABDA hat Zusammenfassungen präsentiert. Dass die ABDA selbst die Vollversionen nicht aktiv nutzt, solange das VOASG in der Schwebe hängt, ist nachvollziehbar, nachdem Minister Spahn sie vor die Wahl zwischen dem VOASG und der Beendigung seiner Arbeit gestellt hatte. Doch das Rx-Versandverbot bleibt gemäß ABDA-Beschlusslage eine „Handlungsoption“. Daran hat auch der Vorstand des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe die ABDA in einem Brief erinnert (siehe Seite 9). Wenn die Zukunft des VOASG ungewiss ist und sich in der Zeit des Wartens ein Verbündeter findet, der dem Rx-Versandverbot vielleicht neuen Schwung gibt, kann niemand ernsthaft von der ABDA erwarten, dass sie eine mögliche Entwicklung ihrer eigenen Handlungsoption blockiert. Auch Minister Spahn weiß, dass die Antwort der EU-Kommission unvorhersehbar ist und dass eine denkbare Kabinettsumbildung ihn aus diesem Spiel nehmen würde. Eine umsich­tige Berufsvertretung muss solche Möglichkeiten beachten.

Auch an anderer Stelle erscheint das Nichtstun unerklärlich. Eine Analyse der jüngsten Änderungen der Arzneimittelpreisverordnung zeigt, dass diese nicht annähernd den Kosten­anstieg durch die neuen Tarifgehälter kompensieren (siehe Seite 22). Die bei jedem festen Honorarbetrag auf Dauer unumgängliche Anpassung an steigende Kosten und Anforderungen fehlt seit der Einführung des Festzuschlags auf Rx-Arzneimittel im Jahr 2004. Das Warten auf das VOASG ist kein Grund, die Arbeit an einer zukunftssicheren Preisbildung einzustellen. Im Gegenteil, das VOASG soll das Konzept der Preisbindung sichern. Darum ist dies die ideale Gelegenheit, auch die Berechnungsweise der Preise zukunftsfest zu machen.

Für die Apotheker sollte daher jetzt gelten: „warten und vorbereiten“ – als Ergänzung für einen positiven Ausgang beim VOASG und als Alternative für den negativen Fall. Fehlende Möglichkeiten können das Nichtstun der ABDA nicht er­klären. Ist es also die Qual der Wahl unter den Optionen, die Sorge vor dem Scheitern oder der Mangel an Entschlossenheit?

Thomas Müller-Bohn

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