Prisma

Pappsatt! Oder doch nicht?

Warum wir auch ohne Hunger weiteressen

Foto: Irina – stock.adobe.com

us | Übergewicht ist in vielen westlichen Gesellschaften weit verbreitet und ein Risikofaktor für chronische Erkrankungen wie Diabetes mellitus und Krebs. Ein Überangebot an billigen und schnell verfügbaren Speisen verleitet manche Menschen dazu, mehr zu essen als ihnen gut tut. Amerikanische Neurowissenschaftler erklären am Mausmodell, welcher neuronale Mechanismus zu solch ungesunden Gewohnheiten führt. Sie identifizierten eine Gruppe glutamaterger Neuronen im Peri-Locus coeruleus, einem kleinen Bereich im Hirnstamm, die die Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme regulieren. Die Inhibierung dieser Neuronen führte zu einer gesteigerten Nahrungsaufnahme und wurde von den Tieren als belohnend empfunden. Die Aktivierung hingegen bremste die Nahrungsaufnahme. Die Wissenschaftler beobachteten, dass längere Fressperioden eine anhaltende Inhibierung der Neuronen zur Folge hatten und in einigen Fällen sogar aktivierte Nervenzellen wieder inhibierten. Gleichzeitig werden die Nervenzellen auch nach der Zufuhr besonders schmackhafter Nahrung inhibiert. Diese Beobachtung machten die Forscher während eines Experimentes, in dem Mäuse Zugang zu unterschiedlich konzentrierten Sucralose-Lösungen erhielten. Der Süßstoff ist um ein Vielfaches süßer als Zucker, hat aber keinen Nährwert. Ein solcher Mechanismus führt regelrecht in einen Teufelskreis: Schmackhafte Speisen inhibieren Neuronen und regen dadurch immer wieder zum Weiteressen an. Glücklicherweise ist der konsumverlängernde Effekt der Inhibierung mit rund 15 Sekunden kurzlebig. Dadurch ist gewährleistet, dass die Wirkung sich nicht auf weniger schmackhafte Speisen überträgt. Wer sich also vor dem Überfressen schützen will, dem sei ­geraten: Erstmal sacken lassen! |

Literatur

Gong R et al. Cell 2020. doi:10.1016/j.cell.2020.07.031

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