Arzneimittel und Therapie

Weniger Glucocorticoide – mehr Benefit

Sparsamer Einsatz beugt Fistelbildung bei Morbus Crohn vor

Weniger ist manchmal mehr. So auch bei der Therapie des Morbus Crohn. So konnte vor Kurzem gezeigt werden, dass Betroffene weniger Komplikationen in Form von perianalen Fisteln aufwiesen, wenn sie steroidsparend mit Immunmodulatoren und TNFα-Inhibitoren behandelt wurden.

Morbus Crohn (MC) ist eine schubweise verlaufende, chronisch entzündliche Darmerkrankung, von der in den westlichen Ländern schätzungsweise 250 bis 1200 von 100.000 Menschen betroffen sind. Die Erkrankung kann in jedem Abschnitt des Verdauungstraktes – vom Mund bis zum After – auftreten und betrifft im Gegensatz zur Colitis ulcerosa nicht nur die oberen Schleimhautschichten. Durch die Entzündung tieferer Schichten der Darmwand kann es zur Fistelbildung, also zur Bildung entzündlicher Gänge, zwischen Darm und anderen Hohlorganen oder der Haut, kommen. Etwa 15 bis 20 Prozent der Morbus-Crohn-Patienten sind davon betroffen, am häufigsten bilden sich die Fisteln in der Perianalregion. Perianalfistelbedingte Komplikationen schränken die Lebensqualität betroffener Patienten stark ein und können schwerwiegende gesundheitliche Folgen wie eine Sepsis nach sich ziehen. Die Behandlung ist schwierig, und in vielen Fällen treten die Komplikationen nach abgeschlossener Therapie erneut auf. Auch die chirurgische Intervention, zu der es bei ungefähr 70 Prozent der Patienten früher oder später kommt, hilft häufig nur für kurze Zeit. Evidenzbasierte Strategien zur Prävention fehlen bislang. Von Steroid-sparenden Therapien (SST) mit Immunmodulatoren (Thiopurine und Methotrexat) und TNFα-Inhibitoren (Infliximab, Adalimumab, Certolizumab) weiß man, dass viele Outcomes des Morbus Crohn verbessert werden können.

Foto: Daniel Berkmann – stock.adobe.com

Männer und Frauen sind etwa gleich häufig von einer Morbus-Crohn-Erkrankung betroffen.

Komplikationen vorbeugen?

In einer aktuellen Studie der University of Michigan wurde nun der präventiven Effekt einer Steroid-sparenden Therapie in Hinblick auf perianalfistelbedingte Komplikationen untersucht. Hierfür wurden retrospektiv die Daten von Januar 2001 bis Juni 2016 einer großen US-amerikanischen Datenbank analysiert. Mithilfe eines Propensity Score Matchings wurden die Patienten in zwei Gruppen geteilt. Jedem Patienten mit SST wurde ein möglichst identischer Patient (Geschlecht, Alter usw.) mit nicht Steroid-sparender Therapie (NSST) zugeordnet, um das Risiko für Verzerrungen zu verringern. Primärer Endpunkt der Studie war die Entwicklung von perianalfistelbedingten Komplikationen innerhalb von zwei Jahren nach Diagnose. Insgesamt wurden die Daten von 2214 jungen Patienten mit Morbus Crohn analysiert. Im Mittel waren die Patienten zum Zeitpunkt der Diagnose 17 Jahre alt, und knapp die Hälfte der Patienten erhielt eine Glucocorticoid-sparende Therapie (35% Immunmodulatoren, 8,7% TNFα-Inhibitoren und 12,3% eine Kombination aus beiden). Nach dem Propensity Score Matching verblieben 972 Patienten in jeder Gruppe. Etwa jeder fünfte Patient entwickelte perianale Fisteln innerhalb von zwei Jahren nach der Diagnose.

Signifikant weniger Fisteln

Es konnte festgestellt werden, dass die Patienten ohne Glucocorticoid-Therapie ein um 59% geringeres Risiko für perianalfistelbedingte Komplikationen hatten als die Vergleichsgruppe, die Steroide erhalten hatte (HR = 0,41; 95%-KI: 0,33 bis 0,52; p < 0,001). Auf die jeweiligen Wirkstoffe bezogen konnte das Risiko unter alleiniger Immunmodulatoren-Therapie um 52%, unter alleiniger TNFα-Inhibitoren-Therapie um 47% und sogar um 83% unter einer Kombinationstherapie aus beiden reduziert werden (p < 0,001). Auch die Schwere der Komplikationen scheint unter einer Glucocorticoid-freien Therapie weniger ausgeprägt zu sein, da diese Patienten 55% seltener einen permanenten künstlichen Darmausgang benötigten als die mit Steroiden behandelten Patienten.

Überraschend ist, dass nur knapp über die Hälfte der jungen Patienten SST erhielten, obwohl aktuelle Leitlinien diese für alle Morbus-Crohn-Patienten empfehlen. Die Studie spricht für die Sinnhaftigkeit eines präventiven Einsatzes einer Glucocorticoid-sparenden Therapie bei jungen Morbus-Crohn-Patienten und lässt vermuten, dass auch Patienten anderer Altersgruppen von diesem Effekt profitieren könnten. Weitere prospektive Studien mit Betroffenen anderer Altersgruppen wären wünschenswert, um die Ergebnisse zu bestätigen. |

 

Literatur

Adler J et al. Association Between Steroid-Sparing Therapy and the Risk of Perianal Fistulizing Complications Among Young Patients With Crohn Disease. JAMA Netw Open 2020;3(6), doi:10.1001

Apothekerin Leonie Naßwetter

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