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Beschäftigte profitieren von Tarifbindung

Strukturwandel führt zu rückläufigen Zahlen

Wer in einem tarifgebundenen Betrieb arbeitet, verdient deutlich mehr als ohne Tarifvertrag. In Bremen macht das über 23 Prozent aus! Rechnet man strukturelle Unterschiede wie Größe und Branche heraus, bleibt immer noch eine Lücke von 10,5 Prozent.

In Zusammenarbeit mit der Arbeit­nehmerkammer Bremen haben das Tarifarchiv des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung und das Institut für Arbeit und Wirtschaft (IAW) der Universität Bremen den Einfluss von Tarifbindung und Tarifflucht auf die Arbeitsbedingungen in Bremen untersucht. Sie machen deutlich, welche positiven Effekte Tarifverträge für die Beschäftigten haben. Außerdem haben Thorsten Schulten, Andreas Friemer, Irene Dingeldey und Malte Lübker auch Vergleiche mit der Situation in anderen Bundesländern angestellt:

  • 2018 verdiente ein Vollzeitbeschäftigter in Bremen in einem tarifgebundenen Unternehmen im Schnitt 4018 Euro monatlich, aber nur 3087 Euro in einem Unternehmen ohne Tarifbindung.
  • Beschäftigte in Unternehmen ohne Tarifvertrag haben im Schnitt deutlich längere Arbeitszeiten und bekommen deutlich seltener Sonderzahlungen wie Urlaub- oder Weihnachtsgeld.
  • Bei Kurzarbeit stocken Unternehmen ohne Tarifvertrag das Kurz­arbeiter­geld deutlich seltener auf als tarif­gebundene Betriebe.
  • Der Grad der Tarifbindung der Beschäftigten unterscheidet sich regional stark: In Niedersachsen werden 60 Prozent nach Tarif bezahlt, in Sachsen nur 40 Prozent. Bremen nimmt mit 55 Prozent einen mittleren Platz ein.
  • Betrachtet man den Anteil der tarifgebundenen Betriebe, führt Rheinland-Pfalz mit 38 Prozent, in Sachsen sind es lediglich 15 Prozent. Bremen liegt auf dem vorletzten Platz und ist von 2008 bis 2018 von 39 auf 17 Prozent zurückgefallen, ein so starker Rückgang wie in keinem anderen Bundesland.
  • Branche und Betriebsgröße spielen eine wichtige Rolle: In Bremen liegt die Tarifbindung der Beschäftigten im Einzelhandel sowie im Gesundheits- und Sozialwesen bei „weit unterdurchschnittlichen“ 34 Prozent. Überdurchschnittlich ist sie mit 66 Prozent im Baugewerbe und mit 89 Prozent in der öffentlichen Verwaltung. Es gilt die Faustregel: Je größer der Betrieb, desto höher die Tarifbindung.
  • Die Arbeitszeit spielt ebenfalls eine Rolle: 59 Prozent der Bremer Vollzeitbeschäftigten arbeiten in tarif­gebundenen Unternehmen, bei Teilzeitbeschäftigten sind es lediglich 47 Prozent und bei geringfügig Beschäftigten nur 34 Prozent.

Als wesentlichen Grund für die rückläufige Tarifbindung in Bremen benennt die Studie den ökonomischen Strukturwandel: Eingesessene Unternehmen mit hoher Tarifabdeckung wurden durch neue Unternehmen ohne Tarifbindung ersetzt.

Die Studie empfiehlt folgende Maßnahmen zur Stärkung der Tarif­bindung: erstens verbindliche Tarif­treuevorgaben bei öffentlichen Auf­trägen. Zweitens wäre wünschenswert, die gesetzlichen Verfahren zu vereinfachen, um Tarifverträge für allgemeinverbindlich zu erklären. Außerdem gelte es, die Sozialpartnerschaft zu stärken: Arbeitgeberver­bände sollten die Möglichkeit von Tarifflucht über OT-Mitgliedschaften beenden. Und Gewerkschaften müssten neue Strategien zur Mitglieder­gewinnung entwickeln.

Auch die Beschäftigten sind gefragt

ADEXA-Vorstand Andreas May kommentiert: „Der Rückgang der Tarif­bindung gerade in Bremen, mit seiner starken gewerkschaftlichen Tradition und der Arbeitnehmerkammer, die dort für Rückenwind sorgen sollte, stimmt bedenklich. Aber auch die Beschäftigten selbst haben es ein Stück weit in der Hand, die sich – nicht nur in Bremen – für eine Gewerkschaftsmitgliedschaft und damit die Stärkung ihrer Tarifvertretung entscheiden sollten.“ |

Quelle

Beschäftigte mit Tarif haben bessere Arbeits­bedingungen, doch Tarifbindung sinkt: Das Beispiel Bremen. Hans-Böckler-Stiftung, Pressemitteilung vom 26. August 2020, www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-beschaftigte-mit-tarif-haben-bessere-arbeitsbedingungen-25944.htm

Schulten T et al. Tarifverträge und Tarifflucht in Bremen. Study Nr. 22, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut (WSI), August 2020, www.boeckler.de/pdf/p_wsi_studies_22_2020.pdf

sjo

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