DAZ aktuell

Hämophilie-Präparate sind jetzt apothekenpflichtig

Versorgung von Bluterkranken auf neuen Wegen

ks | Seit dem 1. September sind Arzneimittel zur Behandlung von Hämophilie-Patienten apothekenpflichtig. Auf die Apotheken kommt damit eine neue Aufgabe zu. Für Patienten ändert sich nicht nur der gewohnte Versorgungsweg – auf sie kommt auch eine neue Zuzahlung zu.

Mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) wurde der Vertriebsweg für Hämo­philie-Präparate neu geordnet. Die bisherige Ausnahmeregelung, wonach pharmazeutische Hersteller diese Arzneimittel direkt an Ärzte und Versorgungszentren geliefert haben, ist Geschichte. Seit vergangenem Dienstag müssen die behandelnden Ärzte wie bei jedem anderen Arzneimittel eine Verordnung ausstellen, die die Patienten in einer Apotheke ihrer Wahl einlösen können.

Diese Änderung, die im Gesetzgebungsverfahren auf viel Kritik gestoßen ist, soll unter anderem für transparentere Preise sorgen. Die Faktorpräparate unterliegen nun wie andere rezeptpflichtige Arzneimittel der Arznei­mittelpreisverordnung.

Es handelt sich allerdings um anspruchsvolle Ware: Die Arzneimittel sind zumeist im Kühlschrank bei 2 bis 8 Grad Celsius zu lagern, gekühlt zu transportieren und vor Licht zu schützen. Zudem gelten die Dokumentationspflichten gemäß dem Transfusionsgesetz sowie eine neue Meldepflicht an den verordnenden Arzt (§ 17 Absatz 6a ApBetrO). Letztere gilt übrigens für sämtliche in der Norm genannten dokumentationspflichtigen Blutprodukte. Die ABDA hat diese „überschießende Meldepflicht“ bereits mehrfach kritisiert – aktuell in ihrer Stellungnahme zu einer Verordnung, mit der u. a. Änderungen an der Apothekenbetriebsordnung erfolgen sollen.

Ansonsten gilt für die Belieferung der Rahmenvertrag gemäß § 129 SGB V – damit sind die verordneten Arzneimittel gegen rabattierte oder preisgünstige Fertigarzneimittel oder preisgünstige Importe auszutauschen. Die Interessengemeinschaft Hämophiler e. V. IGH empfiehlt Patienten nachdrücklich, darauf zu achten, dass ihr Arzt auf den Rezepten für die Gerinnungsmedikamente den Austausch ausschließt, am besten vermerkt: „aus medizinisch-therapeutischen Gründen kein Austausch“ – und zwar „spätestens wenn die ersten reimportierenden Unternehmen mit den Krankenkassen Rabattverträge geschlossen haben“. Auch Apotheken können pharmazeutische Bedenken anmelden. Dafür sind die üblichen Vermerke nötig.

Mehr zum Thema

Einen ausführlichen Beitrag zum Thema „Gerinnungsfaktoren aus der Apotheke“, unter anderem zu den Besonderheiten bei Zuzahlungen, Dokumentations- und Meldepflichten finden Sie in der DAZ 2020, Nr. 33, S. 46. Die Grenzen der Zusammenarbeit zwischen Apotheken und Ärzten bei der Hämophilie-Versorgung beleuchtet in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Arzneimittel & Recht“ Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas.

DAV: Apotheken übernehmen Verantwortung gerne

Ob sich alle Apotheken für die neue Aufgabe gerüstet fühlen, ist nicht sicher. Zwar ist es ein lukrativer Markt. Doch angesichts des nicht ganz ein­fachen Handlings der Präparate und ihres hohen Preises, können sie für Apotheken auch ein Risiko sein. Berend Groeneveld, Patientenbeauftragter des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) meint jedoch: „Die öffentlichen Apotheken in Deutschland übernehmen gerne die Verantwortung für die Arzneimittelversorgung von Hämophilie-Patienten.“ Arzneimittel gehörten grundsätzlich in die Apotheke, denn dort stünden auch die Arzneimittelfachleute zur Verfügung. „Hämophilie-Patienten müssen sich keine Sorgen machen, denn die Änderung des Vertriebswegs wird keinesfalls eine Beeinträchtigung ihrer Versorgung bedeuten.“ Groeneveld weist aber auch darauf hin, dass sich gesetzlich versicherte Hämophilie-Patienten nun auf Zuzahlungen einstellen müssen. Um finanzielle Härten zu vermeiden, könne aber in vielen Fällen eine Zuzahlungsbefreiung bei der Krankenkasse beantragt werden. |

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