DAZ aktuell

Wer den Preis für Modellprojekte zahlt

Kassen wägen ab zwischen Mehrkosten und Einsparungen

mp | In mehreren deutschen Bundesländern, z. B. in Bayern, West­falen-Lippe und Berlin, laufen Verhandlungen für Modellvorhaben zur Grippeschutzimpfung in Apotheken. Einer der wichtigsten Verhandlungsspunkte dürfte sein, sich auf eine angemessene Vergütung zu einigen. Für viele entscheidet sich in diesem Punkt, ob sie diese Dienstleistung anbieten werden oder nicht. Doch wie werden Modellprojekte überhaupt finanziert? Welche Rolle spielt dabei die Impfquote?
Foto: Lothar Drechsler – stock.adobe.com

Seit dem 1. Januar 2009 werden Krankenkassen ihre finanziellen Mittel aus dem Gesundheitsfonds zugewiesen. Seitdem gehen die Beiträge der Krankenversicherten nicht mehr direkt an ihre Kostenträger, sondern fließen ­zunächst in diesen zentralen Fonds. Neben den Beiträgen der Kranken­kassenmitglieder stammt das Geld des Gesundheitsfonds von Versicherungsbeiträgen der Arbeitgeber sowie von Beiträgen anderer Sozialversicherungsträger (z. B. der Rentenversicherung). Zusätzlich fließt ein steuerlich finanzierter Bundeszuschuss in den Fundus.

Weiterentwicklung per Gesetz

Die gesetzlichen Grundlagen für Modellvorhaben gesetzlicher Krankenversicherungen sind in den §§ 63 bis 65 im fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) verankert. Pilotprojekte sollen umgesetzt werden, um aktuelle Leistungen weiterzuentwickeln und die Qualität und Wirtschaftlichkeit des Gesundheitswesens auszubauen. Die Projekte werden wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Für sie gilt der Grundsatz der Beitragssatzstabilität. Demnach müssen finanzielle Mehraufwendungen gleichzeitig mit Einsparungen für die Krankenkassen einhergehen. Diese Einsparungen müssen nach­gewiesen werden.

Bei den Modellvorhaben zur Grippeschutzimpfung nach § 132j SGB V fallen für die Krankenkassen Mehraufwendungen an, da einerseits mehr Impfstoffdosen erstattet und andererseits die Apotheker angemessen ver­gütet werden müssen. Gleichzeitig ist wissenschaftlich belegt: wird die Influenza-Impfquote in der Bevölkerung erhöht, sinken die Kosten durch sonstige ambulante oder stationäre Behandlungen. 2019 gaben gesetzliche Krankenversicherungen allein für Behand­lungen im Krankenhaus 80 Milliarden Euro aus. Das entsprach 2019 rund ­einem Drittel der gesamten Leistungsausgaben der Krankenkassen.

Was wird verhandelt?

Krankenkassen erhalten aus dem ­Gesundheitsfonds jeweils voneinander getrennte Zuweisungen für Verwaltungskosten, Pflichtleistungen sowie Satzungs- und Ermessensleistungen. Modellprojekte werden aus den Zu­weisungen für Satzungs- und Ermessensleistungen getilgt. Aus Kreisen verhandelnder Apothekerver­bände und -kooperationen wird kritisiert, dass bei vielen Kassen die Verhandlungen zu Modell­projekten erschwert werden, da Verhandlungspartner zum Teil nur ­Gelder aus den Zuweisungen für ­Satzungs- und Ermessensleistungen akquirieren und berücksichtigen könnten. Die Ein­sparungen, die mit der gesteigerten* Impfquote einhergehen, äußern sich hauptsächlich in den Ausgaben für Pflichtleistungen einer Krankenversicherung. Diese Einsparungen würden den Mehraufwendungen aus den Satzungs- und Ermessens­leistungen nicht angemessen gegenübergestellt werden.

Sowohl in Modellprojekten als auch in der Regelversorgung muss für Apotheker garantiert werden, dass keine roten Zahlen geschrieben werden, wenn eine Dienstleistung im Sinne der Öffentlichkeit angeboten wird. Würde eine Vergütung der Apotheker für Grippeschutzimpfungen höher angesetzt werden, könnten Krankenkassen möglicherweise sparen, da bei einer höheren Impfquote weniger Patienten mit den Folgen einer Grippeinfektion im Krankenhaus behandelt werden müssten. Einen ähnlichen Effekt könnte eine Mehrwertsteuerbefreiung auf diese Dienstleistung haben. |

In der Printaugabe der DAZ stand an dieser Stelle "gesenkten". Wir haben dies hier korrigert auf "gesteigerten" und bitten den Fehler in der Printausgabe zu entschuldigen (DAZ Printausgabe 2020, Nr. 32, S. 16).

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