Prisma

Verdrehte Welt

Forscher untersuchen, wie linksdrehende Schneckengehäuse entstehen

Foto: Angus Davison – University of Nottingham

Internetsensation „Jeremy“ auf der rechtsdrehenden gefleckten Weinbergschnecke „Theresa“

mp | „Linksdrehende“ Schneckengehäuse gelten bei der gefleckten Weinbergschnecke (cornu aspersum) als ­extrem selten. Bisher waren die genetischen Ursachen für diese Erscheinung unklar. Die Vererbung der Linksdrehung kann nur schwer untersucht werden: Linksdreher paaren sich nicht mit „normalen“ Schnecken, da die Genitalien auf der anderen ­Seite des Kopfes liegen. Die Fortpflanzung hängt bei Schnecken von der Chiralität ab. Um das Geheimnis der Gehäuse-Windung zu erforschen, ­initiierte der Autor einer Studie, die im Journal „Biology letters“ veröffentlicht wurde, eine PR-Kampagne. Für den einsamen Linksdreher „Jeremy“ (s. Abb.) sollte die Weinbergschnecke fürs Leben gefunden werden. Die ­Aktion machte das Weichtier, das nach Politiker Jeremy Corby benannt ­wurde, nicht nur zu einer Internet­sensation. Schneckenfarmer wurden auf ­Jeremy aufmerksam und fanden Gleichgesinnte, wodurch der Einzelgänger nur kurz vor seinem Tod ‒ im Dienste der Wissenschaft ‒ Nachkommen zeugen konnte.

Insgesamt konnten 45 linksdrehende gefleckte Weinbergschnecken miteinander gepaart werden. Ziel war es, Einblick in die Vererbungsregeln des verdrehten Panzers zu bekommen. Unter der Annahme, dass die Eigenschaft „Linksdrehendes Gehäuse“ autosomal rezessiv vererbt wird, wurden die Schnecken einer Drei-Generationen-Paarung unterzogen. Alle direkten Nachfahren der Linksdreher waren Schnecken mit rechtsdrehendem Gehäuse. Auch die Enkel- und ­Urenkelgeneration von ­Jeremy und Co. blieben bei rechter Windung. Eine einzige Ausnahme bildete ein französisches Schneckenpaar, von dessen 6302 Nachfahren 17 links­gewundene Gehäuse hatten.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Entstehung linksdrehender gefleckter Weinbergschnecken nicht den Mendelschen Vererbungsregeln folgt. Wahrscheinlicher ist, dass sich die ­gespiegelten Gehäuse durch eine Entwicklungsstörung, Zufall oder andere Umwelteinflüsse bilden. |

Literatur

Davison A, Thomas P ,‘Jeremy the snail’ citizen scientists. Internet ‚Shellebrity‘ Reflects on Origin of Rare Mirror-Image Snails. Biol Lett 2020; doi:10.1098/rsbl.2020.0110

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.