Arzneimittel und Therapie

Asthmafälle sinken

Weniger Antibiotikaverordnungen und das Mikrobiom könnten verantwortlich sein

Die Zahl der Asthmafälle bei Kindern sinkt, nachdem sie über Jahre hinweg gestiegen war. Eine im Lancet publizierte Studie deutet darauf hin, dass geringere Antibiotika-­Verschreibungen einen Beitrag ­dazu leisten.
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Asthma ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen bei Kindern. Im Rahmen der „Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland“ (KiGGS Welle 2) errechnete man bei Kindern und Jugendlichen eine zwölf-Monats-Prävalenz von 4%. Nachdem die Neuerkrankungs­raten jahrzehntelang stiegen, verringert sich diese seit der Jahrtausendwende. Die Gründe für das Schwanken der Fallzahlen sind nach wie vor unklar. Eine wichtige Rolle scheinen Hygienemaßnahmen und die Auswirkungen auf die Mikrobiota gespielt zu haben. Auch die Zahl der Antibiotika-Verschreibungen bei Kindern könnte die Entwicklungen beeinflusst haben. In einer im Lancet erschienenen Studie gingen Forscher der Frage nach, ob sich der Gebrauch von Antibiotika auf die Fallzahlen von Asthma bei Kindern ausgewirkt hat.

Für die Untersuchungen verfolgten die Autoren der Studie einen kombinierten Ansatz aus populationsbasierten Daten und einer prospektiven Kohortenanalyse: ­Einerseits konnten die gesundheitsbe­zogenen Daten von 4,7 Millionen Patienten aus der Region British Columbia (Kanada) ausgewertet werden. Mithilfe dieser Daten wurden Antibiotika-Verschreibungen bei Kindern unter einem Jahr und Asthmadiagnosen im Alter von einem bis vier Jahren dokumentiert.

Andererseits wurden Daten von 2644 Kindern der „Canadian Healthy Infant Longitudinal Development (CHILD) prospective birth cohort”-Studie darauf untersucht, ob eine systemische Antibiotika-Anwendung im ersten Lebensjahr mit einer Asthmadiagnose im Alter von fünf Jahren zusammenhing. In dieser Kohorte wurden außerdem die 16S-rRNA Gensequenzdaten (bakterielle ribosomale RNA) aus Stuhlproben von 917 Kindern im Alter von bis zu ­einem Jahr ausgewertet. Mit diesen Daten versuchten die Wissenschaftler den möglichen Zusammenhang zwischen Darmmikrobiota, Antibiotika-Gaben und Asthmainzidenz einzuschätzen.

Die Forscher ermittelten, dass im Jahr 2000 die Erstdiagnose Asthma im Alter von einem bis vier Jahren bei 27,3 von 1000 untersuchten Kindern gestellt wurde. Im Vergleich dazu wurde die Erkrankung im Jahr 2014 nur bei 20,2 pro 1000 untersuchten Kindern diagnostiziert. Diese Reduktion um 26% korreliert mit verringerten Antibiotika-Verschreibungen. Von durchschnittlich 1253,8 Verschreibungen je 1000 Kinder unter einem Jahr im Jahr 2000 sank die Zahl der Verordnungen auf 489,1 pro 1000 Kinder im Jahr 2014 (Rangkorrelationskoeffizient rs = 0,81; p < 0,0001). Bei jedem Anstieg der Antibiotika-Verschreibungen um 10% erhöhte sich die Inzidenz von Asthma um 24%. Auch in der CHILD-Kohorte korrelierte die Asthmainzidenz mit dem Antibiotika-Verbrauch (angepasstes Odds-Ratio: 2,15; 95%-Konfidenzintervall: 1,37 – 3,39). Zudem stellte sich ein signifikanter Dosis-Wirkungseffekt heraus: Im Mittel entwickelten 5,2% der Kinder ohne Antibiotika-Exposition eine Asthmaerkrankung bis zum Alter von fünf Jahren, im Vergleich zu 8,1% bei einmaliger, 10,2% bei zweimaliger und 17,6% bei mindestens dreimaliger Therapie.

Alpha- und Beta-Diversität

Die Alpha–Diversität ist ein Maß für die effektive Zahl verschiedener Arten in einem definierten Lebensraum, zum Beispiel in einer Stuhlprobe.

Die Beta-Diversität misst die Differenz zwischen der Zahl der Organismenarten probenübergreifend und ist damit ein Maß für Unterschiede in der Artenvielfalt zwischen zwei oder mehreren Proben.

Interessant sind auch die Erkenntnisse der Mikrobiom-Analytik: eine Vergrößerung der Alpha–Diversität der Darmflora verringerte das Asthmarisiko um 32%, und auch weitere Faktoren (Beta–Diversität, PCR-Amplikon-Variationen) korrelierten mit der Inzidenz (s. Kasten). Der adäquatere Antibiotika-Einsatz der letzten Jahre und die Erhaltung der intestinalen Mikrobiota könnten zu einer Verringerung der Asthmaerkrankungen bei Kindern beigetragen haben, schlussfolgern die Autoren. |
 

Literatur

Robert Koch-Institut. KiGGS Welle 2 – Erste Ergebnisse aus Querschnitt- und Kohortenanalysen. Journal of health monitoring 2018(1). DOI: 10.17886/RKI-GBE-2018-003

Patrick DM A et al. Decreasing antibiotic use, the gut microbiota, and asthma incidence in children: evidence from population-based and prospective cohort studies. The Lancet 2020; published online March 24

Apotheker Dr. Peter Meiser

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