DAZ aktuell

Taskforce für Penicillin-Produktion in Österreich

Österreichische Wirtschaftsministerin will Standort sichern

hb | Die Wirkstoffproduktion hat sich in den letzten Jahrzehnten weitgehend aus Europa verabschiedet, im Wesentlichen getrieben durch den finanziellen Druck auf die Gesundheitssysteme. In Westeuropa soll es nur noch ein „gallisches Dorf“ geben, in dem an der Herstellung antibiotischer Wirk­stoffe festgehalten wird. Und das soll auch so bleiben.

Spätestens seit der Corona-Krise hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Europa die Produktion wichtiger Arzneimittel dringend wieder auf heimischen Boden zurückholen muss, um die Abhängigkeit vor allem von China und Indien zu verringern. Die beiden „Platzhirsche“ haben sich in den letzten Jahrzehnten im internationalen Wirkstoffhandel so breitgemacht, dass Produktionsausfälle an einzelnen Standorten in den Importländern in ­Europa und auch in den USA Erdbeben in der Versorgung auslösen können. So geschehen im Fall Valsartan. Immer wieder im Fokus der Diskussion um Lieferengpässe stehen die Antibiotika. In Westeuropa soll es nur noch ein einziges Werk geben, dass die therapeutisch unverzichtbaren Pharmaka herstellt, schreibt die internationale Zeitung „Epoch Times“.

Dieses unbeugsame „gallische Dorf“ der westeuropäischen Antibiotikaherstellung befindet sich im österreichischen Tirol in den Ortschaften Kundl und Schaftenau. Der Schweizer Pharmariese Novartis-Sandoz habe hier seine weltweit größten Herstellungs­standorte, berichtet die Zeitung. Das Tiroler Werk decke allein bei Penicillin in Tablettenform 75 Prozent der Weltproduktion ab. Nun sei vor einiger Zeit das Gerücht kursiert, das Unternehmen könnte diese Herstellung ­wegen des enormen Preisdrucks in Österreich beenden und den Wirkstoff künftig aus Asien zukaufen.

Das hat die Politik auf den Plan gerufen. Mitte Mai hat in Innsbruck ein erstes Gespräch zwischen Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) und den Top-Managern von Novartis, dem Mutterkonzern, und der Tochter Sandoz stattgefunden. Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) waren laut Österreichischem Rundfunk (ORF) zugegen. Novartis habe sich gesprächsbereit gezeigt. Die Wirtschaftsministerin hat die Einrichtung einer Taskforce angekündigt, um den Verbleib der Penicillinproduktion im Tiroler Unterland zu sichern. „Wir werden Gespräche mit der Europäischen Union führen, um die Rahmenbedingungen für das Unternehmen zu verbessern“, so ihre Zusage. Angedacht sei, dass die Länder der EU gemeinsam in einen Topf einzahlen und so die Produktion in Kundl mit der europaweit einzigen Penicillin-Produktion absichern. Zugleich müsse aber auch gewährleistet werden, dass das Antibiotikum von den europäischen Ländern gekauft wird.

Gegenüber ORF Tirol soll die Sandoz GmbH Kundl/Schaftenau die „Aufmerksamkeit der Politik“ begrüßt haben. Ob seitens Novartis ein ernsthaftes Interesse am Verbleib der Antibiotika-Produktion in Tirol besteht, dazu habe Geschäftsführer Mario Riesner jedoch zunächst nichts sagen wollen. Möglicherweise bringt die Corona­virus-Pandemie dem Unternehmen einen Motivationsschub, von ihrem Ansinnen abzurücken. Sandoz berichtet von Vollauslastung der dort beschäftigten 4000 bis 5000 Mitarbeiter. Der Bedarf an Antiinfektiva sei weltweit gestiegen, Kurzarbeit kein Thema. |

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