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Interprofessionelle Zusammenarbeit

Wo stehen wir? Wohin gehen wir?

Prävention 2020 in Deutschland – eine Standortbestimmung für die Apotheke

Wir schreiben das Jahr 2020: Apotheker in Bayern kündigen die Unterstützung für eine Kampagne des Gesundheitsministeriums zur Prävention des Herzinfarktes mit 10.000 Euro an. Auf Bundesebene treibt eine hochkarätig besetzte Arbeitsgruppe die Entwicklung geeigneter Konzepte pharmazeutischer Dienstleistungen voran, da der Gesetzgeber eine baldige Honorierung in Aussicht gestellt hat. Apothekerkammern ändern ihre Satzungen, um das Impfen in Apotheken in die Wege zu leiten. Man könnte eigentlich glauben, man hat es geschafft. Haben wir unsere Ziele im Bereich Prävention und Gesundheits­förderung tatsächlich erreicht, und wie steht es eigentlich mit der „Interprofessionalität“? | Von Helmut Schlager

Eine meiner Lieblingsanekdoten, weil an Groteske kaum zu übertreffen, ist der Bericht über eine Veranstaltung, bei der vor rund 20 Jahren verschiedenste Akteure des Gesundheitswesens in München zusammenkamen, um eine Dia­betespräventionskampagne für die bayerische Landeshauptstadt zu entwickeln. Bei der Eröffnungsrunde sagte ein Teilnehmer nach meiner Vorstellung als Apotheker und Vertreter der Kammer: „Sie sind Apo­theker? Was haben die denn eigentlich mit Prävention zu tun?“.

Das ist natürlich – und glücklicherweise – Vergangenheit. Und doch ein guter Startpunkt zur Selbstreflexion, wo wir heute stehen. Es hat vier verschiedene Regierungen gebraucht, bis das Präventionsgesetz im Jahr 2015 endlich verabschiedet wurde. Mitten im dritten Anlauf, damals unter Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, ver­stärkten die bayerischen Apotheker ihre Schlagzahl im Bereich Prävention und gründeten das WIPIG – das Wissenschaftliche Institut für Prävention im Gesundheitswesen der Bayerischen Landesapothekerkammer.

Diese Ziele wurden definiert: Erforschung und Entwicklung neuer Präventionsideen, einschließlich Projekterstellung und der Umsetzung in die Praxis. Entwicklung und Durchführung geeigneter Schulungsmaßnahmen zur Professionalisierung der im Bereich der Prävention tätigen Personen. Aufbau eines (interprofessionellen) Netzwerks aktiver Partner im Gesundheitswesen zur Intensivierung der Zusammenarbeit im Bereich der Prävention. Sensibilisierung der Öffentlichkeit, der Gesellschaft und der politischen Entscheidungsträger für das Zukunftsthema Prävention.

Diese Ziele wurden erreicht: Mit der „Herzensangelegenheit 50+“, der Bestands- und Bedarfsanalyse der Präventions­aktivitäten in Apotheken, GLICEMIA und aktuell noch ­GLICEMIA 2.0 wurden vier wissenschaftliche Arbeiten durchgeführt, die zweifelsfrei den großen Nutzen von ­„Preventive Care“ durch die Apotheke belegten. Was auffällt: In allen diesen Bereichen funktionierte es besonders gut, wenn strategische Allianzen mit unseren Partnern im Gesundheitswesen eingegangen werden konnten.

Der Aufbau von Netzwerken aktiver Partner im Gesundheitswesen zur Intensivierung der Zusammenarbeit im Bereich der Prävention ist also für eine gute Präventionspraxis essenziell.

Unzählige Briefe an Politiker und Entscheidungsträger, Pressemitteilungen, Newsletter und v. a. persönliche Kontakte und Gespräche mit Abgeordneten, Kassenvertretern und (potenziellen bzw. bereits gewonnenen) Präventionspartnern brachten unsere Ideen und Konzepte voran – nicht nur in Bayern, nein, in ganz Deutschland. Die Apotheker sitzen fest im Sattel der Prävention!

Also alles ok?

Noch nicht, aber wir geben die Hoffnung nicht auf. Bedingt durch die politischen Wirren um das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken (VOASG) und die aktuelle Corona-Krise wissen wir heute nicht, ob und wann die Vergütung für die pharmazeutischen Dienstleistungen im Gesetz festgeschrieben sein wird. Wären es die zunächst veranschlagten 150 Mio. Euro, dann ergäbe dies einen Betrag, der mit gerade einmal ein paar Medikationsanalysen pro Apotheke in einem einzigen Jahr rasch aufgebraucht wäre.

Vom konkreten Finanzierungsvolumen einmal abgesehen, wäre es übrigens völlig richtig, zuerst unsere Kern­kompetenz – nämlich die qualitativ hochwertige pharmazeutische Betreuung der Patienten – zu honorieren. Die Prävention käme an zweiter Stelle.

Wenn dann erste Präventionsdienstleistungen vergütet werden können, wird sich der Fokus zunächst auf die relativ einfach zu erbringenden Screeningmaßnahmen konzentrieren. Und doch steckt mit dem Thema „Impfen durch Apo­theker“ auch schon eine völlig neue und hochspezialisierte Dienstleistung in der Pipeline.

Die Apotheker stehen in den Startlöchern und erwarten den Startschuss. Lassen Sie uns also einmal schauen, was wir heute schon alles bieten (können).

Was läuft bereits in den Apotheken?

Blutdruck-, Blutzucker-, HbA1c- und Cholesterin-Wert­messungen sowie Bestimmungen von BMI, Taillenumfang, Taillen-Hüft-Quotienten und Peak-Flow-Werten gehören zu den Screening-Dienstleistungen, die schnell und mit relativ geringem Aufwand zu bewerkstelligen sind.

Schon aufwendiger sind spezielle Beratungsleistungen rund um die gesunde Ernährung, das Impfen, die Reise oder die Tabakentwöhnung sowie die Beratung und Qualitätschecks zu Blutzucker- und Blutdruckselbstkontrolle oder die Diabetesrisikoselbstermittlung mittels Findrisk-Fragebogen.

Die Kür stellen dann Präventionsprogramme wie GLICEMIA dar, die eine einjährige Präventionsbetreuung von Menschen mit einem hohen Diabetesrisiko umfassen, oder GLICEMIA 2.0, ein Konzept, mit dem schon an Diabetes erkrankte Patienten sekundär- und vor allem tertiärpräventiv begleitet werden.

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Blutdruckmessung – eine klassische Dienst- und Präven­tionsleistung in allen Apotheken.

Während reine Screening-Maßnahmen heutzutage nach wie vor fälschlich als geringfügige Zusatzdienstleistungen mit zum Teil viel zu geringen „Schutzgebühren“ angeboten und „verbucht“ werden, ist das Bewusstsein, dass besondere Beratungsleistungen auch besonders, auf Stunden- oder Minutenbasis, vergütet werden müssen, mittlerweile bei allen Beteiligten angekommen.

Wirklich effektive wissenschaftlich evaluierte High-Class-Präventions- und Beratungsprogramme können jedoch nach wie vor kaum angeboten werden, da sie nicht bezahlt werden und nur in seltenen Fällen mit einem perfekten Marketing so gepusht werden, dass kleine Verbrauchergruppen bereit sind, die dafür erforderlichen Gebühren, im deutlich dreistelligen Bereich, zu bezahlen.

Dazu sei aus dem Antrag des Geschäftsführenden ABDA-Vorstands und der Apothekerkammer Nordrhein zum Deutschen Apothekertag 2019 in Düsseldorf zitiert: „Die Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker begrüßt, dass mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken (VOASG) Versicherte einen Anspruch auf zusätzliche pharmazeutische Dienstleistungen haben sollen, die über die Information und Beratung nach § 20 Apothekenbetriebsordnung hinausgehen. […] Es sind die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sich die in vielen Projekten des Berufsstandes ent­wickelten und gut erprobten pharmazeutischen Dienstleistungen als langfristiger Bestandteil der apothekerlichen Leistungen durchsetzen. [...] Die Schaffung einer gesetz­lichen Grundlage für die Erbringung zusätzlicher pharmazeutischer Dienstleistungen ist ein wichtiger Schritt, um die Effektivität von Arzneimitteltherapien zu verbessern und die Arzneimitteltherapie- und damit die Patientensicherheit noch weiter zu erhöhen.“

Es lohnt also die Recherche, welche Dienstleistungen und Programme sich im Apothekenmarkt in den letzten Jahren wie entwickelt haben.

Bestands- und Bedarfsanalyse

Eine gute Grundlage für eine Analyse ist die schon erwähnte Bestands- und Bedarfsanalyse des WIPIG aus den Jahren 2010/11:

Die zehn häufigsten Präventionsthemen (Aktionen sowie Standard-Dienstleistungen von Apotheken) waren: Messung auf Nachfrage von Blutdruck, Blutzucker und Blutfett­werten, Prävention von Venenleiden, gesundes Abnehmen, Osteoporose-Prävention, allgemeine Ernährungsberatung, Diabetes- und Bluthochdruck-Früherkennung durch Screening sowie Impfberatung.

Die zehn bei den Kunden beliebtesten Präventionsthemen waren der Impfpasscheck sowie Aktionstage mit Blutfettwertemessungen, zu Vorsorgeuntersuchungen, zur Hautkrebsprävention, zur Venengesundheit, zu Osteoporose („Stabile Knochen ein Leben lang“), mit Blutdruckmessungen, zur Zahngesundheit, Stressbewältigungsvorträge sowie Blutzuckermessungen.

Auch das bundesweit als Onlinebefragung 2018 erstmalig ausgeführte Apotheken-Datenpanel der ABDA beschäftigte sich u. v. a. mit den Dienstleistungen von Apotheken. Auf den ersten Rängen standen hier die Blutdruckbestimmung, die in 96,7 Prozent der teilnehmenden öffentlichen Apotheken angeboten wird, gefolgt vom Medikationsgespräch (85,8 Prozent), der BMI-Bestimmung (74,1 Prozent), der Reiseberatung (73,2 Prozent), der Blutzuckerbestimmung (68,6 Prozent), der Beratung zur Tabakentwöhnung (55,8 Prozent) und der Ernährungsberatung (47,8 Prozent).

Bei den meisten Themen sollten Apotheker und Arzt Hand in Hand spielen: Der Apotheker als Lotse im Gesundheits­wesen informiert, misst und überprüft, berät und leitet den Patienten, wo nötig, in die Hände des jeweiligen Thera­peuten.

Was bietet nun das WIPIG, was bieten die Präventions-Arbeitsgruppen und Projektgruppen aus den Bundesländern zur Unterstützung der Prävention in Deutschland an? Ideen und Projekte ähneln sich und werden doch, je nach interprofessionellen Allianzen und Kapazitäten im jeweiligen Bundesland, ganz unterschiedlich durchgeführt.

Den 146-seitigen Abschlussbericht der Bestands- und Bedarfsanalyse des WIPIG zu den Präventionsthemen in den Apotheken finden Sie auf www.wipig.de > Über uns > Wissenschaft > Wissenschaftliche Projekte > Bestands- und Bedarfsanalyse der Präventionsaktivitäten von Apotheken. Oder auf DAZ.online, wenn Sie im Suchfeld den Webcode H6SQ3 eingeben.

Apotheke macht Schule

Das wohl bekannteste interprofessionelle Projekt ist das von der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg initiierte Vortragskonzept „Apotheke macht Schule“. Es startete 2007 in Stuttgart, wurde 2008 von den Kollegen aus Bayern mit ins WIPIG-Programm aufgenommen und wird heute in elf Bundesländern angeboten.

Die Vortragsreihe umfasst 21 Vorträge für unterschiedliche Altersklassen, von „Cooles Hautgefühl“ über „Doping für den Alltag“, „Gesund schmeckt besser“, „Gluko und Insi“ bis hin zu „Lass das Gras auf der Wiese“ und „Sexuell übertragbaren Krankheiten“.

Die Vorträge werden in Zusammenarbeit mit Kultusministerien, Lehrerverbänden und Schulen angeboten. Von vielen Apothekerkammern werden die Referenten als Anerkennung ihrer ehrenamtlichen Einsätze honoriert, wohl wissend, dass dafür in unserer Gesellschaft kaum Fördergelder bereitstehen bzw. der bürokratische Mehraufwand zur Beschaffung etwaiger Gelder so überbordend ist, dass ein normaler Präventionsbegeisterter lieber von der Begeisterung alleine lebt – die aber unter diesen Umständen nach einer gewissen Zeit dann auch wieder vergeht.

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Bereits in elf Bundesländern leisten Apotheker in den Schulen Präventionsarbeit mithilfe der Vortragsreihe „Apotheke macht Schule“.

Vitamin-Detektive

Die Bayerische Apothekerstiftung fördert seit vielen Jahren finanziell mit den Projekten „Ernährung für Kinder: Vitamin-Detektive“, „Gesund schmeckt besser – Powerfrühstück“, „Ich interessiere mich für Ernährung“ und „Kindernotfälle“ ebenso die Zusammenarbeit von Apothekern mit Kindergärten, Kindertagesstätten und Grundschulen. Aus diesem Projekt sind in Bayern an einigen Orten wertvolle dauerhafte Kooperationen zwischen Apotheken, den genannten Institutionen und auch Gesundheitsämtern entstanden.

Klasse2000

In Zusammenarbeit mit dem Verein Klasse2000 e. V. sind bundesweit derzeit 24 Apothekerinnen und Apotheker sowie PTA als sogenannte Gesundheitsförderer tätig, d. h. sie gehen in die Klassen und gestalten Stunden mit den Kindern. 118 Apotheken engagieren sich bundesweit als Paten und finanzieren damit „ihren“ Klassen die Teilnahme.

Zitat des Geschäftsführers Thomas Duprée: „Wir freuen uns sehr über diese Unterstützungen. Apotheken machen damit ihr gesellschaftliches Engagement für die Gesundheitsförderung und Prävention deutlich – und viele Kinder glücklich.“

Impfen

Auch das äußerst kontrovers diskutierte Thema Impfen bietet viele Chancen, interprofessionell zusammenzuwirken. Das Impfen durch Apotheker wurde im März durch Inkrafttreten des Masernschutzgesetzes in die Wege geleitet. Sobald entsprechende Verträge zwischen Apothekerverbänden und GKV abgeschlossen werden und die auf Basis des neu entwickelten Curriculums der Bundesapothekerkammer (BAK) durchzuführenden Schulungen starten, können wir loslegen. Voraussichtlich Anfang 2021 könnte mit den ersten Modellversuchen gestartet werden.

Impfberatungen auf Basis des Impfpasschecks dagegen sind schon seit vielen Jahren möglich. Stellt dies doch eine Dienstleistung von Apotheken dar, von der auch die überwiegend zuständigen Kinder-, Frauen- und Hausärzte unmittelbar profitieren. Materialien und entsprechende Fortbildungen sind eigentlich in allen Bundesländern vorhanden und werden von Landesarbeitsgemeinschaften Impfen und anderen staatlichen Institutionen ausdrücklich gewünscht.

Deswegen erarbeiten das WIPIG, der Bayerische Apothekerverband und die Bayerische Landesapothekerkammer derzeit ein Impfberatungskonzept, in dessen Rahmen auch eine Honorierung der apothekerlichen Dienstleistung vorgesehen ist.

Demenzfreundliche Apotheke

Schon in der Anfangszeit des Instituts wurde das Projekt der „Apotheke im Netzwerk Demenz“ initiiert. Dadurch entstand eine interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen WIPIG, der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft, unserem ehemaligen Vizepräsidenten Dr. Jens Schneider und später teilweise auch noch der GKV. Zunächst nur als Vortrags- und Informationsprojekt gestartet, stand schnell auch der Netzwerkgedanke im Mittelpunkt, da die Institutionen der Demenzberatung und die Apotheken ideale Partner im Kampf gegen das Vergessen sind. In Augsburg wurde daraus das Projekt der Demenzfreundlichen Apotheken entwickelt, das seit 2019 nun auf zahlreiche weitere bayerische Regionen erweitert wurde.

Die „Demenzfreundliche Apotheke“ – ein bayerisches Modellprojekt auch für andere Bundesländer?

Da kognitive Veränderungen und vor allem die Diagnose Demenz zu großer Verunsicherung führen, haben das Wissenschaftliche Institut für Prävention im Gesundheitswesen (WIPIG), die Bayerische Landesapothekerkammer und ihre regionalen Qualitätszirkel Pharmazeutische Betreuung den bayernweiten Aufbau des Netzwerkes „Demenzfreundliche Apotheke“ angestoßen.

Ausgehend vom Netzwerk aus Augsburg und Umgebung wurden sukzessive weitere bayerische Regionen aktiv (s. AZ 2019, Nr. 50, S. 6.). Seit dem Sommer 2019 wurden im vergangenen Jahr in acht Kommunen und Landkreisen Netzwerke etabliert, und im Jahr 2020 wollen Apotheken und ihre Partner in weiteren Regionen aktiv werden. Zwei Projekte sind bereits angelaufen, weitere werden folgen. Ausführliche Informationen finden Sie auf DAZ.online, wenn Sie in das Suchfeld den Webcode E5MZ9 eingeben.

Mit einer Projektpräsentation können das Konzept, die Schulungen für die teilnehmenden Apotheken, der Erfahrungsaustausch in den landesweiten Qualitätszirkeln Pharmazeutische Betreuung und die Ergebnisse der ersten Evaluation unter den teilnehmenden Apothekenmitarbeitern dargestellt werden.

Warum kann die „Demenzfreundliche Apotheke“ als Netzwerkpartner von Alzheimer Gesellschaften und von Beratungsstellen für Menschen mit Demenz interessant sein? Die Apotheke ist eine niederschwellige Anlaufstelle, die Patienten oft über viele Jahre begleitet und betreut. Veränderungen der Patienten, aber auch der pflegenden Angehörigen werden oft frühzeitig wahrgenommen. Die Apotheke kann vor diesem Hintergrund eine wichtige Wegweiserfunktion zu entsprechenden Angeboten im Netzwerk Demenz ausüben. Gleichzeitig kann in Kooperation mit der entsprechenden Hilfeeinrichtung die pharmazeutische Betreuung des Patienten in Absprache mit dem pflegenden Angehörigen übernommen werden.

Sowohl die Apotheke als auch die Netzwerkpartner werden von dieser Kooperation profitieren, wenn die Zusammenarbeit durch regelmäßigen Informationsaustausch gepflegt wird. Zusammenarbeit auf Augenhöhe soll aber vor allem dazu dienen, die Situation von Menschen mit Demenz und von pflegenden Angehörigen zu verbessern. Die Organisatoren würden sich freuen, wenn das Modell „Demenzfreundliche Apotheke“ deutschlandweit als Kooperationsprojekt mit Alzheimer Gesellschaften und Beratungsstellen umgesetzt wird.

Wissenschaftliche Kooperationsprojekte

Im Anschluss an die erste groß angelegte wissenschaftliche Arbeit des WIPIG, „Herzensangelegenheit 50+“, mit der der positive Einfluss einer individuellen Präventionsbegleitung durch öffentliche Apotheken auf kardiovaskuläre Risikofaktoren bei 50- bis 70-Jährigen in einer Region mit hoher kardiovaskulärer Sterblichkeit nachgewiesen wurde, konzentrierte sich das Institut auf die Diabetesprävention. Aus der GLICEMIA-Studie, mit der bewiesen werden konnte, dass die Teilnahme an einem primärpräventiven Betreuungskonzept aus der Apotheke zur Reduktion des Risikos für Typ-2-Diabetes führt, wurde ein flächendeckend einsetzbares Programm zur Präventionsbetreuung von Risikopersonen zur Verfügung gestellt. Die Umsetzung von Programmen wie GLICEMIA in der Apotheke ist möglich, aber aufwendig, und lässt sich daher nur mit entsprechender Honorierung umsetzen. Es gelingt, Risikopersonen zu sensibilisieren, der Gesundheitszustand der Teilnehmer verbessert sich subjektiv wie objektiv, und die Risikofaktoren für Typ-2-Diabetes lassen sich signifikant reduzieren.

Nach diesen positiven Ergebnissen wurde mit GLICEMIA 2.0 noch einmal „Preventive Care“ auf bereits erkrankte Typ-2-Diabetiker übersetzt und ein entsprechendes sekundär- und tertiärpräventives Konzept ausgearbeitet. Die Ergebnisse werden noch in diesem Jahr veröffentlicht.

In allen Projekten zeigten sich Chancen, Vorteile, aber auch die Schwierigkeiten der interprofessionellen Zusammenarbeit. Während sich die institutionelle Zusammenarbeit mit der Ärztekammer als ungemein kompliziert und z. T. je nach Studie als nicht machbar erwies, fanden vor Ort durchaus auch gute interprofessionelle Kontakte statt. Aber auch hier war eine Zurückhaltung seitens der Ärzte absehbar und unverkennbar. Daher ist es wichtig, für die Zusammenarbeit zu werben, gut und frühzeitig aufzuklären, sich aber im Zweifelsfall dennoch nicht beirren zu lassen und neue Pfade zu beschreiten, sein „Ding durchzuziehen“.

Machen Sie mit!

Treten Sie dem WIPIG-Netzwerk bei, unter www.wipig.de/netzwerk

Ausblick

Ein Ausblick in die nähere Zukunft wird möglich sein, sobald im Rahmen des VOASG oder einer Alternative die seit Langem angekündigte Honorierung pharmazeutischer Dienstleistungen beschlossen und sodann in die Wege geleitet wird. Eine Steuerungsgruppe „Pharmazeutische Dienstleistungen“ auf ABDA-Ebene hat bereits die entsprechenden Vorlagen erarbeitet. Es werden angemessene Fixpreise für die jeweiligen Dienstleistungen angestrebt, und es wird zudem gefordert, dass diese Dienstleistungen von Apotheken zu erbringen sind. Allen voran wird man sich zunächst sicherlich auf die Medikationsanalysen und das Medikationsmanagement fokussieren. Auf eine Honorierung von weiteren präventiven Dienstleistungen darf bei Erfolg der ersten Schritte gehofft werden!

Blick von außen: Zukunftsforum Public Health

Unabhängig von der Frage der Honorierung sollten wir als Apotheker auch weiterhin trotz Schwierigkeiten interprofessionell und auch intersektoral mit unseren Partnern zusammenarbeiten. Denn Gesundheit ist nicht nur Thema des Gesundheitssektors, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die in allen Bereichen des öffentlichen Handelns gefördert werden muss.

Was sagt das Zukunftsforum Public Health, ein Zusammenschluss von Akteuren aus Wissenschaft und Praxis, die sich für die öffentliche Gesundheit einsetzen, dazu?

„Ziel ist die Entwicklung einer PublicHealth-Strategie für Deutschland. Dies ist auch die Kernaussage des heute viel zitierten Konzepts „Health in All Policies“ (HiAP). Die WHO definiert HiAP als „ein Konzept für die Politik in allen Sektoren, die systematisch die Auswirkungen von Entscheidungen auf Gesundheit und Gesundheitssysteme berücksichtigt, Synergien sucht und schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit vermeidet, um die Gesundheit der Bevölkerung und gesundheitliche Chancengleichheit zu verbessern (WHO 2013). HiAP betrifft neben dem Gesundheitsbereich u. a. auch die Sozial-, Bildungs-, Umwelt-, Verkehrs-, Stadtentwicklungs-, Wirtschafts- und Arbeitspolitik.“

Wenn es uns immer besser gelingt, Gesundheit als verbindendes Thema zu nutzen, können wir positive Wirkungen durch Vernetzung verstärken. Wir alle können dazu bei­tragen, dass unsere apothekerlichen Strategien für die Prävention von der Gesundheitspolitik und auch in weiteren Politikfeldern aufgegriffen und angepackt werden. |

Autor

Dr. Helmut Schlager studierte Pharmazie an der Julius-Maximilians-Univer­sität Würzburg. Nach anschließender Promotion zur Arzneibuchanalytik von Glucocorticoiden im Arbeitskreis von Prof. Ebel ist er seit 1999 für die Bayerische Landesapothekerkammer tätig.

Heute Bereichsleitung Ausbildung (Apotheker), Fachsprachenprüfung, Weiterbildung und Geschäftsführer des WIPIG – Wissenschaftliches Institut für Prävention im Gesundheitswesen (WIPIG) der Bayerischen Landesapothekerkammer.

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