DAZ aktuell

Klinikgeburten trotz Corona-Krise

Fachgesellschaften raten dringend zu Vorsorgeuntersuchungen und professioneller Geburtshilfe

eda | Seit Beginn der Corona-Krise mehren sich die Meldungen, dass sich werdende Mütter aus Angst vor Infektionen in den Krankenhäusern für Hausgeburten entscheiden und frauenärztliche Vorsorgeuntersuchungen ausfallen lassen. Hinzu kommt die Sorge, dass die Partner je nach Situation in der Klinik am Geburtsvorgang nicht teilnehmen dürfen sowie Mutter und Kind im Wochenbett nicht besuchen können. Zwei Fachgesellschaften haben sich auf Anfrage der DAZ nun zur aktuellen Situation geäußert und dargestellt, welche Empfehlungen für die werdenden Eltern jetzt wichtig sind.

In der „Süddeutschen Zeitung“ kam jüngst die Starnberger Hebamme Astrid Sommer zu Wort. Sommer war viele Jahre zuvor Krankenschwester auf der Intensivstation des Klinikums – nun betreut sie als Hebamme werdende Eltern. Aktuell sind es im Durchschnitt neun Frauen pro Monat.

Bei den Hausbesuchen sei die Corona-Krise das überragende Thema: „Die Verunsicherung ist groß, die Stimmung gedrückt“, so Sommer. Sie spricht von Ausnahmezuständen in den Familien, weil die Angst allgegenwärtig wäre, dass sich Mutter oder Kind in der Klinik mit dem ­Coronavirus infizieren könnten oder die Partner bei der Geburt und in der Phase des Wochenbetts nicht anwesend sein dürfen.

Klinikbehandlungen mitunter (über-)lebenswichtig

Die Erfahrungen von Astrid Sommer und die Fallberichte in den Medien wie der „Süddeutschen Zeitung“ sind in dieser Zeit keine Seltenheit. Direkt zu Beginn der Corona-Krise wurde das Thema „Hausgeburt“ wieder sehr populär. Viele Schwangere erwägen aus Angst vor Infektionen oder einer schlechteren medizinischen Betreuung in Krankenhäusern auf einen Klinikaufenthalt ganz zu verzichten.

Davon raten die Fachgesellschaften dringend ab. Vor allem bei einem bestehenden Risiko für Komplikationen könne es im Rahmen einer Hausgeburt schnell zu Gesundheitsschäden bei Mutter und Kind kommen.

Prof. Dr. Uwe Wagner, Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Universitätsklinikum Gießen und Marburg sowie stellv. Sprecher im German Board and College of Obstetrics and Gynecology (GBCOG), erklärt auf Anfrage der DAZ: „Eine nötige Klinikbehandlung abzulehnen birgt [...] ein relevantes Risiko: [...] Dazu gehören unvorhersehbare Komplikationen wie Geburts­stillstand, Blutungen, Gefährdung des Kindes durch Sauerstoffmangel (u. a.), die wiederum schwere Gesundheits­schäden beim Neugeborenen wie Hirnschäden, Armlähmungen, Lungenprobleme oder Knochenbrüche nach sich ziehen können. Unbedingt aufgesucht werden sollte eine Klinik, wenn irgend­etwas Unvorhergesehenes passiert, z. B. (vorzeitige) Wehen, Hinweise für einen Blasensprung, ungewöhnliche Schmerzen oder nachlassende Kindsbewegungen.“ Sollte eine Hausgeburt im Vorhinein als nicht geeignet erscheinen, würden – unabhängig von Corona – völlig un­nötige Geburtsrisiken zum Tragen kommen, „die sich keine Mutter für ihr Kind oder sich selbst wünscht“. Wagner eröffnet allen werdenden Müttern die Perspektive einer ambulanten Geburt und frühzeitigen Entlassung, wenn ein gesundes Kind mit einer unauffälligen Geburt zur Welt gekommen ist und eine adäquate Nachbetreuung und Anleitung im ambulanten Bereich durch eine Hebamme gesichert ist.

Frauenarzt-Termine nicht verschieben

Auch auf Vorsorgeuntersuchungen bei den Frauenärzten zu verzichten, sei keine gute Idee. Zwar ist die allgemeine Empfehlung, während der Pandemie alle nicht notwendigen Praxisbesuche zu verschieben, doch gerade Schwangere sollten nach wie vor alle Termine und Angebote der frauenärztlichen Schwangerenvorsorge wahrnehmen. Dr. med. Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte (BVF), weist auf Anfrage der DAZ darauf hin, dass in der Schwangerschaft möglichst früh Risiken entdeckt bzw. Krankheiten vermieden oder therapiert werden sollten. Zeitnah und individuell muss auch das richtige Level-Krankenhaus für die Entbindung festgelegt werden.

Auch Mädchen und Frauen mit Schmerzen, Blutungen oder sonstigen Beschwerden und Frauen mit Krebserkrankungen sollten die frauenärzt­liche Behandlung nicht verschieben. „Da sich die Pandemie noch über viele Wochen und Monate hinziehen wird, ist es nicht sinnvoll, weiterhin alle anderen Arzttermine zu verschieben. Viele Krankheiten entwickeln eine ­gefährliche Dynamik, wenn sie un­behandelt bleiben“, so Albring.

Besondere Vorsicht empfiehlt er für Frauen, die zur Risikogruppe für eine COVID-19-Erkrankung gehören. Diese sollten nach wie vor alle Kon­takte – auch in Arztpraxen – meiden und nach Absprache mit dem Praxis­team vor Beginn oder nach Ende der Sprechzeit den Frauenarzt auf­suchen. Das gilt auch für Frauen, die an COVID-19 erkrankt sind oder sich in Quarantäne befinden. |

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