Arzneimittel und Therapie

Hustenlöser gegen das Zittern

Neue Wege in der Parkinsontherapie

Ambroxol (z. B. in Mucosolvan®) wird schon seit den 1970er-Jahren als Schleimlöser bei Husten ver­wendet. Als gut verträglicher Arzneistoff findet er eine breite An­wendung. Eine kleine Pilotstudie legt nun nahe, dass der Wirkstoff auch Patienten mit Parkinson helfen könnte.

Morbus Parkinson geht mit dem ­Abbau dopaminerger Neurone im ­Zentralnervensystem (ZNS) einher. Als ­Ursachen der degenerativen Erkrankung werden Ablagerungen von ­pathologisch gefalteten Proteinen wie alpha-Synuclein diskutiert. Enzyme, die diese Proteine abbauen, stellen ­somit einen vielversprechenden ­pharmakologischen Angriffspunkt dar – die Glucocerebrosidase scheint dabei besonders interessant (s. Kasten).

Schlüsselenzym Glucocerebro­sidase

Das lysosomale Enzym Glucocerebro­sidase dient dazu, Glucocerebroside – eine bestimmte Art von Glycolipiden – zu spalten. Bei der autosomal-rezessiv vererbten Erkrankung Morbus Gaucher liegt eine Mutation des Glucocerebro­sidase-Gens GBA1 vor. Folglich reichern sich Glucocerebroside in Makrophagen und Monozyten an. Schon lange ist ­bekannt, dass Eltern von Kindern mit Gaucher-Syndrom häufig an Parkinson erkranken. Auch bei heterozygoten Genträgern haben die veränderten ­Enzyme einen negativen Effekt. ­

Es wird vermutet, dass die Gluco­cerebrosidase aufgrund einer posttranslationalen Fehlfaltung nicht in die Lysosomen transportiert wird, ­sondern sich im ­endoplasmatischen ­Retikulum an­reichert. Durch die lysosomale Dysfunktion werden pathologisch gefaltete Proteine wie das alpha-Synuclein nicht mehr abgebaut.

Mutationen im GBA1-Gen stellen damit einen Risikofaktor ­­für die Parkinson-Krankheit dar.

Anstandsdame Ambroxol

Auf der Suche nach kleinen Molekülen, welche die Aktivität der Gluco­cerebrosidase erhöhen, zeigte ein Hochdurchsatz-Screening eine pH-­abhängige Steigerung der Enzym-­Aktivität durch den Hustenlöser Ambroxol. In Zellkultur- und Tierstudien konnte der Effekt be­stätigt werden.

Im Rahmen einer kleinen, nicht kontrollierten Studie wurde nun untersucht, wie sich eine Behandlung mit Ambroxol bei Patienten mit Parkinson auswirkt. 23 Probanden wurden in die Studie eingeschlossen. Sie erhielten dreimal täglich 1,26 g Ambroxol, aufgeteilt in drei gleiche Einzel­dosen, wobei die Dosierung zu Beginn langsam ­gesteigert wurde. Primäre End­punkte waren die Ambroxol-Spiegel in der Zerebro­spinalflüssigkeit (CSF) sowie die Enzymaktivität der Glucocerebrosidase nach 186 ­Tagen. Daten von 17 Patienten gingen in die Analyse ein. Obwohl die verabreichte Dosierung etwa ein Zehn­faches der zugelassenen Ambroxol-­Dosierung bei Husten betrug, wurde die Therapie allgemein gut vertragen.

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Justicia adhatoda, das Indische Lungenkraut, wurde schon vor 3000 Jahren bei Lungenerkrankungen eingesetzt. ­Mitte des 20. Jahrhunderts konnte das Vasicin isoliert werden, das als Leitstruktur für die Entwicklung von Ambroxol diente.

Bei Studienbeginn war kein Ambroxol in der Zerebrospinalflüssigkeit nachweisbar, am Ende wurden mittlere Ambroxol-Spiegel von 156 ng/ml ­gemessen. Folglich ist der Wirkstoff in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden. Die Aktivität der Glucocerebrosidase in der Zerebrospinalflüssigkeit sank um 19%. Erklären lässt sich dieses Ergebnis durch den vermuteten Wirkmechanismus von Ambroxol: Dieses soll ähnlich wie Chaperone (engl. Anstandsdame) ­agieren. Es bindet an die mutierte ­Glucocerebrosidase, inhibiert diese und löst eine Konformationsänderung aus, die den Transport zum Lysosom ermöglicht. Im sauren Inneren des ­Lysosoms löst sich Ambroxol wieder von dem Enzym, welches dann seiner normalen Funktion nachgehen kann. Als Konsequenz sinkt die Enzym­aktivität in der zellarmen Zerebro­spinalflüssigkeit, während sie im ­Gewebe erhöht ist. Weiterhin wird seit Längerem eine Steigerung der Tran­s­kription des GBA1-Gens durch Am­broxol diskutiert. Der beobachtete ­Anstieg der Glucocerebrosidase-Konzentration nach 186 Tagen um 88 ng/mol (35%) stärkt diese Theorie. Die ­alpha-Synuclein-Spiegel im CSF stiegen um 50 pg/ml (13%). Als Erklärung wird ein Anstieg des Transportes von α-Synuclein aus den Gewebezellen in den Extrazellularraum vermutet. ­Interessanterweise zeigten sich die ­beschriebenen Veränderungen sowohl bei den Patienten mit als auch ohne GBA1-Mutation. Die Studie liefert erste Hinweise auf ein mögliches Potenzial von Ambroxol in der Therapie des Morbus Parkinson. Zumal sich die ­klinische Symptomatik der Patienten in der Pilotstudie verbesserte. Aufgrund der kleinen Studienpopulation und der fehlenden Placebo-Kontrolle sollten die Ergebnisse jedoch mit sehr viel Vorsicht interpretiert werden. Weitere Studien sind unerlässlich.

Literatur

Mullin S et al. Ambroxol for the Treatment of Patients With Parkinson Disease With and Without Glucocerebrosidase Gene Mutations. JAMA Neurol 2020;

doi:10.1001/jamaneurol.2019.4611

Apothekerin Leonie Naßwetter

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