Arzneimittel und Therapie

Brüchige Knochen durch PPI?

Frakturrisiko scheint nicht nur bei Erwachsenen erhöht zu sein

Bei der Nutzen-Risiko-Abwägung für den Einsatz von Protonenpumpeninhibitoren (PPI) bei Kindern sollten Ärzte auch das Fraktur­risiko bedenken. Zu dieser Schlussfolgerung kommen die Autoren einer großangelegten epidemio­logischen Studie aus Schweden.

Dass PPI bei Erwachsenen das Frakturrisiko erhöhen können, ist bekannt. In den Fachinformationen findet sich der Hinweis, dass bei Anwendung dieser Wirkstoffe in klinischen Studien bzw. nach der Markteinführung gelegentlich, das heißt mit einer Häufigkeit von ≥ 1/1000 bis < 1/100, Frakturen der Hüfte, des Handgelenks oder der Wirbelsäule beobachtet wurden. Eine kürzlich publizierte Metaanalyse hatte ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche jeglicher Art, für Hüft- und Wirbelkörperfrakturen sowie für ­Osteoporose durch PPI gezeigt. Beispielsweise stieg das Risiko für Hüftfrakturen um 22%, für Wirbelsäulenfrakturen um 49% und für Osteoporose um 23%, wobei die Heterogenität der eingeschlossenen Studien groß war. Einige PPI sind auch für die ­Anwendung bei Kindern zugelassen, ­jedoch bestehen altersspezifische ­Unterschiede (s. Kasten). Die häufigste Anwendungsart ist der gastro­ösophageale Reflux. Damit ist nicht das unkomplizierte „Spucken“ gemeint, das bei vielen Säuglingen auftritt, sich aber mit zunehmendem Alter zurückbildet. Als krankhaft gilt der Reflux dann, wenn sich die Speise­röhre entzündet (Ösophagitis), eine ­Gedeihstörung oder respiratorische ­Beschwerden die Folge sind. Ursache dafür können beispielsweise Mukoviszidose oder neuromuskuläre Erkrankungen sein. In diesen Fällen werden bei Kindern Arzneimittel, vor allem Omeprazol, oder auch H2-Antagonisten wie Ranitidin eingesetzt.

Status der Protonenpumpeninhibitoren im Kindesalter

Omeprazol: Bei Kindern älter als ein Jahr und ≥ 10 kg zur Behandlung der Refluxösophagitis und zur symptomatischen Behandlung von Sodbrennen und Rückfluss von Magensaft in die Speiseröhre bei gastroösophagealer Refluxkrankheit zugelassen; bei Kindern und Jugendlichen älter als vier Jahre in Kombination mit einer Antibiotika-Behandlung bei Ulcus duodeni, das durch H. pylorihervorgerufen wird, zugelassen

Esomeprazol: analog zu Omeprazol (für Kinder im Alter von ein bis 12 Jahren als magensaftresistentes Granulat zur Herstellung einer Suspension)

Pantoprazol: Für Kinder unter 12 Jahren nicht empfohlen (keine ausreichenden Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit)

Lansoprazol: für Kinder nicht empfohlen (begrenzt klinische Daten, keine Anwendungserfahrungen)

Dexlansoprazol: Sicherheit und Wirksamkeit bei Kindern unter 12 Jahren nicht erwiesen

Rabeprazol: für Kinder nicht ­empfohlen

Risiko bei Kindern analysiert

Da es bisher wenig Evidenz zur Sicherheit der PPI bei Kindern gibt, hat eine Arbeitsgruppe am Karolinska-Institut in Stockholm eine epidemiologische Studie auf der Basis von Daten aus nationalen Registern Schwedens aus den Jahren 2006 bis 2016 durchgeführt. In der Analyse wurden 115.933 Kinder mit einem mittleren Alter von 12,6 ­Jahren, denen Omeprazol, Esomeprazol, Pantoprazol, Lansoprazol oder Rabeprazol verordnet worden war, der gleichen Anzahl von Kindern ohne diese Behandlung gegenübergestellt. Es zeigte sich eine signifikante Risikoerhöhung für Frakturen der oberen Extremitäten um 8%, der unteren Extremitäten um 19% und weiterer Knochenbrüche um 51%. Für Frakturen am Kopf und an der Wirbelsäule war das Risiko dagegen nicht signifikant erhöht. Aufgeschlüsselt auf die einzelnen Wirkstoffe erreichte die Risikoerhöhung für Frak­turen jeglicher Art nur bei Omeprazol eine Signifikanz (Hazard Ratio [HR] 1,08; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,03 bis 1,13), jedoch nicht bei Esomeprazol (HR 1,05; 95%-KI 0,94 bis 1,16), Lanso­prazol (HR 1,06; 95%-KI 0,90 bis 1,25) und Pantoprazol (HR 1,31; 95%-KI 0,88 bis 1,99). Außerdem wurden die Risiken für die kumulative Dauer der PPI-Behandlung ermittelt: Sie erhöhten sich in einem Behandlungszeitraum von 30 oder weniger Tagen auf 8%, für 31 bis 364 Tage auf 14% und für mehr als 365 Tage auf 34%.

Ob PPI das Risiko für Knochenbrüche tatsächlich erhöhen, bleibt unklar: Eine epidemiologische Studie kann keine Kausalitäten belegen. Darüber hinaus benennen die Autoren weitere Einschränkungen, die bei der Interpretation der Ergebnisse dieser Untersuchung eine Rolle spielen sollten. Beispielsweise basierten die Analysen auf Verschreibungsdaten, die nichts darüber aussagen, ob die Medikamente tatsächlich eingenommen wurden. Dennoch sollte bei der Verordnung von PPI für Kinder auch ein potenzielles Frakturrisiko beachtet werden. |

Literatur

Wang YH et al. Association between proton pump inhibitor use and risk of fracture in children. JAMA Pediatr 2020; doi:10.1001/jamapediatrics.2020.0007

Liu J et al. Proton pump inhibitors therapy and risk of bone diseases. Life Sci 2019;218(2):213-223

Fachinformationen von Präparaten mit den genannten Wirkstoffen

Gastro-ösophagealer Reflux im Kindesalter. S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie, AWMF-Leitlinienregister Nr. 006/071; abgelaufen am 28. Februar 2020, derzeit in Überarbeitung

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

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