Pandemie Spezial

Verschwundene Studie sorgt für Aufregung

Keine Klarheit über den Nutzen von Remdesivir

Die Ergebnisse einer randomisierten, placebokontrollierten Studie mit Remdesivir bei COVID-19-Erkrankten waren mit Spannung erwartet worden. Erste, wenig erfolgversprechende Resultate waren indes nur kurzfristig einsehbar; eine offizielle Einschätzung steht also noch aus.

Das Virustatikum Remdesivir wird als möglicher Kandidat zur Therapie einer COVID-19-Erkrankung gehandelt. Seine Wirksamkeit und Sicherheit wird derzeit in zahlreichen Studien untersucht: Allein im Studienregister ClinicalTrials.gov der US National Library of Medicine finden sich 16 Einträge (Stand 24. April 2020). Eine dieser Studien fand dieser Tage eine erhöhte mediale Aufmerksamkeit und wurde etwa im „Stern“, in mehreren Tageszeitungen und in dem US-amerikanischen Nachrichtenmagazin „Time“ aufgegriffen. Dies war zum einen den enttäuschenden Ergebnissen und zum anderen der Publikation derselben geschuldet. Doch der Reihe nach: Es handelt sich höchst wahrscheinlich um die Zusammenfassung einer chinesischen Phase-III-Studie, deren negative Aussagen kurzfristig auf der Webseite der WHO zu sehen waren und bald darauf wieder verschwanden. In besagter doppelblinder, randomisierter Studie wurde bei an COVID-19-erkrankten Patienten Remdesivir gegen Placebo getestet (NCT 04257656; „A Trial of Remdesivir in Adults With Severe COVID-19“ [2]). An ihr nahmen 237 hospitalisierte Patienten teil, 158 erhielten Remdesivir (200 mg an Tag 1, gefolgt von 100 mg während neun Tagen), 79 ein Placebo. Endpunkte waren unter anderem die klinische Verbesserung an Tag 28 und die Mortalität. Ergebnisse dieser Studie waren kurzfristig auf einer WHO-Seite einsehbar [3], wurden aber wieder entfernt. Laut dieses Eintrags zeigten sich keine Unterschiede im Hinblick auf die klinische Verbesserung der Patienten. Die Mortalität nach 28 Tagen lag in der Remdesivir-Gruppe bei 13,9%, in der Placebo-Gruppe bei 12,8%. Zu einem Studienabbruch kam es bei 12% der Remdesivir-Gruppe und bei 4% der Placebo-Gruppe.

Therapieerfolg bei Affen

In einer tierexperimentellen Studie mit Rhesusaffen konnten mit Remdesivir Behandlungserfolge erzielt werden. Zwölf Affen wurden mit SARS-CoV-2 infiziert, sechs von ihnen erhielten zwölf Stunden später, als die Viruskonzentration in der Lunge ihren Höchststand erreicht hatte, Remdesivir i.v., die anderen Tiere eine Placebo-Infusion. Der Gesundheitszustand der behandelten Affen verbesserte sich bereits nach einem halben Tag; dieser Trend setzte sich über den gesamten einwöchigen Studien­zeitraum fort. Eines der Tiere aus der Behandlungsgruppe hatte trotz der Remdesivir-Therapie eine leichte Dyspnoe. In der Kontrollgruppe verschlechterte sich dagegen der Gesundheitszustand aller sechs Affen rapide. Alle hatten schwere Atembeschwerden wie Tachypnoe und Dyspnoe. In den Lungen der mit Remdesivir behandelten Affen lag eine deutlich geringere Viruskonzentration vor als bei den nicht behandelten Affen. Auch die Lungenschäden waren bei den Tieren in der Behandlungsgruppe geringer. – Diese Studie erschien am 15. April 2020 im preprint; derzeit liegt noch kein Peer Review vor.


Literatur

Williamson B et al. Clinical benefit of remdesivir in rhesus macaques infected with SARS-CoV-2, www.biorxiv.org/content/10.1101/2020.04.15.043166v1?ct=ct

Erstmals Placebo-Vergleich, aber verfrühte Veröffentlichung

Vonseiten der WHO wurde die Entfernung der Ergebnisse damit begründet, dass das Studienmanuskript zuerst einer Peer-Review unterzogen werden müsse und man mit einer Veröffentlichung der Daten warte, bis die finalen Ergebnisse vorlägen. Vonseiten des Sponsors Gilead ist zu hören, dass die Studie aufgrund der geringen Fallzahl vorzeitig abgebrochen wurde und somit ein zu geringer Datenpool vorläge, um aussagekräftige Schlussfolgerungen zu ermöglichen. Die Studienergebnisse seien nicht schlüssig, obwohl Trends in den Daten einen potenziellen Nutzen für Remdesivir nahelegten, insbesondere bei einem frühzeitigen Behandlungsbeginn [1].

Man wird also die Publikation der endgültigen Daten abwarten müssen. Festzuhalten bleibt, dass es eine lang erwartete Studie mit Placebo-Vergleich war. Der frühzeitige Abbruch erfolgte aufgrund mangelnder Patienten (COVID-19 war in China so weit unter Kontrolle, dass keine neuen Patienten mehr rekrutiert werden konnten). Die Studie war vermutlich zu klein, um zu aussagekräftigen Ergebnissen zu kommen, zeigte allerdings keinen Hinweis auf einen klaren Benefit einer Remdesivir-Therapie. |
 

Literatur

[1] Park A. Leaked Data From a Key Remdesivir Study Suggest the Potential Coronavirus Drug Is Not Effective. https://time.com/5826618/remdesivir-leaked-data-who-website/, Abruf am 24. April 2020

[2] Cao B. A Trial of Remdesivir in Adults With Severe COVID-19. NCT 04257656, https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT04257656, Abruf am 24. April 2020

[3] Silverman E et al. New data on Gilead’s remdesivir, released by accident, show no benefit for coronavirus patients. Company still sees reason for hope. www.statnews.com/2020/04/23/data-on-gileads-remdesivir-released-by-accident-show-no-benefit-for-coronavirus-patients/, Abruf 24. April 2020

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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