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Spiel mit dem Feuer

Foto: DAZ/Kahrmann

Dr. Armin Edalat, Chefredakteur der DAZ

Immer wieder taucht in den aktuellen Debatten die Frage auf, wie unser Leben wohl nach der Corona-Pandemie aussehen wird. Wird es eine bessere oder schlechtere Welt sein? Werden wir aus der Krise lernen und Veränderungen zulassen oder mit aller Kraft versuchen, am jetzigen Status quo festzuhalten? Fest steht, die Ausnahmen von heute können zur Regel von morgen werden. Das kann einen ängstlich oder hoffnungsvoll stimmen.

Dr. Stefan Hartmann, Vorsitzender der ­Kooperationsapotheker, hat sich für die ­optimistische Variante entschieden. Anfang dieser Woche richtete er sich in einem ­Schreiben an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (S. 16). Darin äußert er den Wunsch, dass die in der Not getroffenen ­erleichterten Substitutionsregeln bei Rabattarzneimitteln auch nach der Krise gelten sollten. Diese seien viel effizienter und patientenfreundlicher als die alten, starren und überbürokratischen Regelungen. ­Hartmann hofft, dass die Lockerungen in der Arzneimittelversorgung von heute zur ­Normalität von morgen werden.

Tatsächlich wäre es der Idealfall (nicht nur zur Eindämmung einer Pandemie), wenn Patienten ihre benötigten Arzneimittel direkt erhalten könnten und nicht wiederholt außer Haus müssten, weil das ein oder andere Rabattarzneimittel nicht an Lager oder nicht lieferbar ist. Bei über 27.000 Rabattverträgen bekanntlich keine Seltenheit.

Doch der Verbandsvorsitzende schließt sein Schreiben mit einem düsteren Szenario ab: Es sei zu befürchten, dass man spätestens nach Corona in ein altes Denken zurückfallen wird. Genauso wie sich die Pflegekassen weigern würden, die vom Minister zugesagte Corona-Prämie an das Pflegepersonal auszuzahlen, könnten sich die Verhandlungen der Apotheker mit den Krankenkassen bei den Dienstleistungshonoraren entwickeln. Darauf folgt das Donnerwetter: „Wehe, es gelten wieder die alten Rabattvertragsregeln. Dann ­dauert es nur einige Tage, bis die Krankenkassen damit beginnen werden, erneut ihre irrsinnigen Retaxierungen zu starten“, so Hartmann.

Dunkle Wolken ziehen auch auf, blickt man auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in der vergangenen Woche (S. 12 und AZ 2020, Nr. 18, Seite 1). Eine Präsenzapotheke darf demnach in ­ihrem örtlichen Einzugsbereich Rezepte und OTC-Bestellungen einsammeln und die Präparate den Kunden per Boten aus­liefern – vorausgesetzt die Apotheke verfügt über eine Versandhandelserlaubnis.

Damit rückt das leidige Thema Pick-up-Stellen wieder auf die Tagesordnung, nachdem es sich in den letzten zehn Jahren eher totgelaufen hatte. Zwar muss man jetzt nicht unbedingt befürchten, dass Briefkästen und sonstige Boxen wie Pilze aus dem Boden schießen; auch die Einführung des E-Rezeptes wird das Konzept wohl eher konterkarieren. Doch man reibt sich die Augen, dass es 2020 – im Zeitalter der digitalen Rezeptsammelstellen, der Click-and-Collect-Angebote und der deutlich erleichterten Botendienstregelungen – immer noch Kolleginnen und Kollegen gibt, die auf solche Geschäftsmodelle setzen.

Die Arzneimittelsicherheit sei nicht mehr gefährdet als beim Versand über größere Entfernungen mittels externer Versanddienstleister, erklärt das Gericht. Die ­Gesetze zum Arzneimittelversand würden eine Zustellung durch eigene Boten der Apotheke nicht ausschließen.

Der Anwalt der klagenden Apothekerin – kein Geringerer als der allseits bekannte Apothekenrechtsexperte Dr. Morton Douglas – hält das Urteil für einen Erfolg für die Apotheken vor Ort und würde behördlich zuge­lassene Rezeptsammelstellen lieber komplett durch Pick-up-Stellen ersetzen. Doch ist das wirklich ein Triumph? Abwarten – auf jeden Fall ist es ein Spiel mit dem Feuer, das die Grenzen zwischen Versorgung und Versand immer mehr verwischen lässt und eine wichtige Argumentationsgrundlage für zukünftige Gerichtsverfahren vernichtet hat.

Armin Edalat

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