DAZ aktuell

Modellprojekt ohne Ansteckungsgefahr

„Online Hautarzt vor Ort“ weitet seinen Dienst aus

spi | Das Online-Angebot „App-Doc – Online Hautarzt“ ermöglicht für Patienten schon seit November 2018 eine schnelle erste Einschätzung ihrer Hautleiden durch qualifizierte Fachärzte aus Baden-Württemberg. Vor wenigen Wochen genehmigte die Landesärztekammer die Aus­weitung des Dienstes auf andere Bundesländer. Dies ist aufgrund der Corona-Krise besonders relevant geworden. Hautärzte können nun bundesweit ihren Dienst online, ohne Ansteckungsgefahr anbieten. Und sie unterstützen damit auch die Apotheken vor Ort.
Foto: Titus Brinker

Per Smartphone-Anwendung „AppDoc“ erhalten Patienten anonym eine Einschätzung ihres Hautproblems durch einen Facharzt.

Der Online Hautarzt ist ein von der Landesärztekammer genehmigtes und mehrfach ausgezeichnetes Modellprojekt. Erstmalig durften Ende 2018 Hautfachärzte aus Baden-Württemberg ohne persönlichen Kontakt zum Patienten eine digitale Diagnose bei Hautleiden ausstellen. Entwickelt wurde das digitale Angebot von Mitarbeitern der Hautklinik am Uni­ver­sitätsklinikum Heidelberg (UKHD), des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Zusammenarbeit mit der Universitäts-Hautklinik in Essen. Die Entwickler sahen in der Teledermatologie-Anwendung eine Möglichkeit, das Problem des Fachärztemangels zu lösen. Denn Patienten müssten oft monatelange Wartezeit für einen Termin beim Dermatologen hinnehmen. Oft geht es den Patienten jedoch nur um eine Abschätzung, wie dringend die von ihm entdeckte Hautveränderung tatsächlich behandelt werden muss. Die entwickelte App scheint dafür ein gutes Instrument zu sein. Laut einer Pressemitteilung des NCT konnten die am Modellprojekt beteiligten Hautärzte in Baden-Württemberg innerhalb eines Jahres 2500 Patienten mit Hautproblemen online unterstützen. Jochen Utikal, Leiter der klinischen Kooperationseinheit für Dermatoonkologie des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und lokaler wissenschaftlicher Beirat von „AppDoc“ ist von dem Konzept überzeugt: „Nur wenige Minuten auf die individuelle ärztliche Beratung warten zu müssen, ohne dafür in die Praxis zu fahren – das findet Zuspruch“, so Utikal.

Angebot nun auch bundesweit

Foto: Titus Brinker

Dr. Titus Brinker

Besondere Relevanz erhielt das Angebot mit der Corona-Krise: Die Patientenzahl für die Online-Diagnostik verdoppelte sich innerhalb kürzester Zeit. Zudem wünschen sich auch viele Hautärzte den Kontakt mit ihren Patienten über eine interaktive Plattform ohne Ansteckungsgefahr. Außerhalb von Baden-Württemberg war dies jedoch aus berufsrechtlichen Gründen für das Modellprojekt zunächst nicht erlaubt. Doch im Dezember 2019 genehmigte die Landesärztekammer laut Pressemitteilung, den Dienst auf andere Bundesländer auszuweiten. ­Titus Brinker, Assistenzarzt an der Universitäts-Hautklinik am Univer­sitätsklinikum Heidelberg (UKHD) sowie Initiator und Leiter der App-Entwicklung des Online Hautarztes, freut sich: „So können wir viele Hautarztpraxen schnell entlasten und gleichzeitig auch für Patienten die Gefahr einer Ansteckung mit SARS-CoV-2 substanziell reduzieren.“

Der neue bundesweite Dienst des Modellprojektes „Online Hautarzt vor Ort“ ist nun unter online-hautarzt.de erreichbar. Zugelassene Hautfachärzte können sich registrieren und eine Freischaltung beantragen. Innerhalb von 24 Stunden kann der Dienst für individuelle Hautarztpraxen eingerichtet und den lokalen Patienten angeboten werden. Brinker weist auch auf die weiteren Vorteile des Angebots für Ärzte hin. Diese könnten die Diagnose einfach von zu Hause, aber auch von jedem anderen Ort, zeitlich völlig unabhängig, stellen. In der Regel sei der Aufwand gering. Eine Diagnose dauere normalerweise nur wenige Minuten. Und für die teilnehmenden Fachärzte ist der digitale Service nach der Gebührenordnung für Ärzte ab­rechenbar. Der Patient bezahlt derzeit je nach Aufwand eine Service-­Gebühr in Höhe von 19 Euro. Laut Brinker würden viele private Krankenkassen die Kosten für den Service übernehmen, die gesetzlichen zu diesem Zeitpunkt leider noch nicht.

Schnelle Antwort und genaue Handlungsanweisung

Das Angebot sei bewusst auch für Menschen, die wenig technische Erfahrung haben, gemacht. Die Patienten können sich auf der Webseite des neuen bundesweiten Dienstes „Online Hautarzt vor Ort“ einen Arzt, zum Beispiel in ihrer Nähe, heraussuchen. In einer verständlichen Anleitung werden die Patienten aufgefordert, drei Fotos von den betroffenen Stellen ihres Hautproblems aufzunehmen und hochzuladen. Eine kurze Anamnese – die Beantwortung einiger Fragen zu den Beschwerden – ergänzen die Informationen des Patienten an den Hautarzt. Die Bilder und In­for­ma­tionen werden anschließend über eine verschlüsselte Verbindung an den ausgewählten Hautfacharzt übermittelt. Für die Nutzer ist der Service anonym. Innerhalb von 48 Stunden antwortet der Arzt dem Patienten. In der Praxis des Modellprojektes erhielten die Patienten ihre Diagnosen in der Regel in weniger als sechs Stunden. Das schon seit 2018 erprobte Modell in Baden-Württemberg, an dem drei langjährig erfahrene Dermatologen teilnehmen, zeigte, dass in etwa 90 Prozent der Fälle eine konkrete Diagnose gestellt werden konnte. Die Patienten erhalten immer eine konkrete Handlungsempfehlung. Etwa 70 Prozent der Patienten aus der baden-württembergischen Modellregion mussten nicht mehr persönlich in der Praxis vorsprechen, die anderen 30 Prozent konnten ihr Hautproblem nach der Diagnose besser ein­schätzen.

Dienst steht hinter Apotheken vor Ort

„Ganz bewusst möchten wir mit den Apotheken vor Ort zusammenarbeiten“, erklärt Titus Brinker gegenüber DAZ. Einige Versandapotheken hätten zwar Interesse an einer Zusammenarbeit bekundet, die Gründer lehnten jedoch ab. Falls eine Apo­theke notwendig sei, verweise man auf die Apotheken vor Ort, bei denen der Patient sich die freiverkäuflichen Medikamente persönlich abholen könne. Ein Grund sei, dass die Online-Diagnostik fehleranfälliger sei, als der ­direkte Kontakt mit dem Arzt. Telemedizin könne daher nur nachhaltig erfolgreich sein, wenn sie die qualifizierten Apotheken vor Ort mit ihren wichtigen Beratungs- und Kontrollfunktionen gerade für ältere Menschen nicht schwäche, sondern stärke. |

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