Pandemie Spezial

Warten auf die Welle

COVID-19-Patienten auf Intensivstation – eine Übersicht

Von Verena Stahl | Eine zielgerichtete Therapie zur Behandlung schwerer COVID-19-Verläufe steht derzeit nicht zur Verfügung. Das Dilemma der mangelnden Therapieoptionen und das neue Krankheitsbild verunsicherte Ärzte gleichermaßen und man fragte sich zu Recht, was bei einer COVID-19-Pneumonie im Vergleich zu bekannten Pneumonien anders ist und worauf in der Behandlung geachtet werden muss. Pneumologen und Intensivmediziner sind bei der Therapie von hospitalisierten Patienten mit schwerem Krankheitsverlauf, und hierzu zählen circa 20% aller positiv getesteten Personen, darauf bedacht, den Organismus vor weiterem Schaden oder dem Tod zu bewahren und durch Sym­ptomlinderung und konservative sowie apparative Maßnahmen (Beatmung) dabei zu unterstützen, die ­akute respiratorische Insuffizienz zu überstehen.

Man unterscheidet bei COVID-19 drei Erkrankungsphasen, die fakultativ durchlaufen werden können (siehe Abb. 1): die frühe Infektion (Phase I), die pulmonale Manifestation mit oder ohne Hypoxie (Phase IIa oder IIb) und die schwere hyperinflammatorische Phase III [8, 9]. In Phase I kommt es für gewöhnlich circa zwei Tage nach der SARS-CoV-2-Infektion zu ersten Symptomen unterschiedlicher Ausprägung und Schwere. Bleibt die Erkrankung auf dieses Stadium mit unspezifischen Symptomen begrenzt, ist die Prognose und Genesung sehr gut [9]. Patienten können jedoch nach weiteren fünf Tagen, wenn das Virus in der Lunge repliziert, eine virale Pneumonie entwickeln und in die zweite Phase übertreten. Hier zeigen sich Fieber, Husten und gegebenenfalls dyspnoische Beschwerden. Früh erkennt man in der Computertomografie (CT) radiologische Veränderungen, die im Vergleich zu Patienten mit anderen ambulant erworbenen Pneumonien ausgeprägt sind. Charakteristisch sind Kumuluswolken-ähnelnde Flecken, milchglasartig getrübt, die bilateral auftreten und auf wenige, aber große Herde verteilt sind. Auch sonografisch lassen sich häufig pleuranahe Infiltrate identifizieren. Erschreckend ist, dass man bei Patienten teilweise CT-Veränderungen der Lungen trotz nicht stark ausgeprägter klinischer Zeichen sieht. Im weiteren Verlauf der Erkrankung, um den achten bis zwölften Tag nach Beginn der Erstsymptomatik, scheint ein kritischer Zeitpunkt für die Betroffenen mit Dyspnoe erreicht [8, 9]. Nun sind zwei Wege möglich: Entweder tritt aufgrund einer einsetzenden immunologischen Kontrolle des Organismus eine Erholung ein oder der Gesundheitszustand verschlechtert sich aufgrund einer extrapulmonalen, systemischen Hyperin­flammation deutlich (Phase III), was intensivmedizinische Maßnahmen erforderlich macht.

Abb. 1: Klinische Verläufe von COVID-19 Die Einteilung erfolgt in drei Krankheitsphasen: frühe Infektion, pulmonale Erkrankung mit oder ohne Hypoxie und hyperinflammatorische Erkrankung. Alle drei klinischen Verläufe (leicht, schwer und kritisch) können sich, in Abhängigkeit von der individuellen Immunität und Komorbidität, aus der Phase I entwickeln. Hypoxie wird definiert als Oxygenierungsindex (paO2/FiO2), also dem Quotient aus arteriellem Sauerstoffpartialdruck (paO2) und inspiratorischer Sauerstoffkonzentration (FiO2), < 300 mmHg (adaptiert nach [8]).

Entwicklung eines akuten Lungenversagens

Geht die Pneumonie im Verlauf in ein akutes Lungenversagen (Acute Respiratory Distress Syndrome, ARDS) mit massiver pulmonaler Gasaustauschstörung über, erfordert dieser meist plötzlich eintretende, lebensbedrohliche Zustand eine rasche intensivmedizinische Behandlung und protektive Beatmung. Nach Einschätzung von Prof. Dr. med. Martin Witzenrath, stellvertretender Klinikdirektor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie der Charité Berlin, kann eine ARDS-Entwicklung bei einem Viertel bis einem Drittel der COVID-19 Pneumonie-Patienten beobachtet werden [1]. Der Schweregrad des akuten Lungenversagens kann nach der sogenannten Berlin-Definition in Abhängigkeit von der Schwere der Hypoxämie (gemessen am Oxygenierungsindex, also dem Quotienten aus arteriellem Sauerstoffpartialdruck (paO2) und inspiratorischer Sauerstoffkonzentration (FiO2) und unter Berücksichtigung der Respiratoreinstellung (positiver endexpiratorischer Druck, PEEP ≥ 5 cm H2O) als mild, moderat oder schwer eingestuft werden. Da sich der intensivmedizinische Verlauf bei COVID-19-Patienten sehr heterogen gestaltet, ist die Einstufung nach ARDS-Kriterien jedoch schwierig [8]. Die Mehrheit der Pneumonie-Patienten ohne akutes Lungenversagen kann auf einer Isolierstation geführt und bei Erholung in die ambulante Nachsorge entlassen werden. Kehren Beschwerden nach der Krankenhausentlassung wieder, sollten Patienten erneut Kontakt mit ihrem Arzt aufnehmen. Auch bezüglich weiterer Infektionen gilt es aufmerksam zu sein, vorübergehend ist das diesbezügliche Risiko genesener Pneumonie-Patienten erhöht [2]. Die Empfehlung lautet, für 14 Tage ein Selbst-Monitoring durchzuführen und penibel auf die empfohlenen Hygienemaßnahmen und Abstands­regeln zu achten [2].

Pathologische Aspekte einer COVID-19-Pneumonie

Eine Pneumonie ist gekennzeichnet durch komplexe Entzündungsprozesse in der Lunge, bei COVID-19 sind hiervon beide Lungenflügel betroffen (bilaterale Lokalisation). SARS-CoV-2 infiltriert in der frühen infektiösen Phase das Lungenparenchym und fördert als auslösende Noxe eine ­Aktivierung und Rekrutierung von Granulozyten und Leukozyten, die Freisetzung von Entzündungsmediatoren, eine lokale Vasodilatation und eine erhöhte Permeabilität des ­Endothels [8]. Dadurch wird der Übertritt von Flüssigkeit aus den Blutgefäßen in die Alveolen und das interstitielle Lungengewebe erleichtert, zusätzlich können inflammatorisch bedingte Schwellungen der Alveolen- und Bronchiolenwände und des Lungenzwischengewebes auftreten (siehe Abb. 2). Die infizierten Gewebeabschnitte (Herde), welche in der Bildgebung als milchglasartig eingetrübt zu sehen sind, stehen dann für die Hauptaufgabe der Lunge, den Gasaustausch, nicht zur Verfügung. Tritt im weiteren Verlauf entzündungsbedingt ein irreparabler Umbau des Lungengewebes durch vermehrte Bildung von Bindegewebe statt (Fibrose), muss zusätzlich mehr Kraft bei der Atmung aufgewendet werden. Sind die Diffusionswege über verdickte Wände zu lang, die Lungenbläschen nicht belüftet, sondern mit Exsudat gefüllt oder Zwischenräume fibrotisch verändert (siehe Abb. 2), kann Hämoglobin nicht im gewünschten Umfang mit Sauerstoff gesättigt werden. Bei einer Blutgasanalyse spiegeln sich diese Prozesse in pathologisch veränderten Werten, zum Beispiel in einem Hypoxienachweis mit vermindertem Sauerstoffpartialdruck (paO2) wider, alternativ zeigt sich pulsoxymetrisch eine Abnahme der Sauerstoff­sättigung (SpO2).

Abb. 2: Bei einer Lungenentzündung (Pneumonie) ist der Luftweg nicht frei, sondern mit Entzündungszellen und Flüssigkeit gefüllt. Auch Bronchiolen und Alveolarwände sind verdickt, das Interstitium ist entzündet. Im gesunden Zustand diffundiert Sauerstoff aus den Alveolen in das umspannende Kapillarnetz und tritt so in die Blutbahn über, um Organe und Gewebe zu versorgen. Auf umgekehrtem Wege verlässt Kohlendioxid den Körper. Es wird aus dem Blut über das Kapillarnetz in die Alveolen abgegeben und kann dann über das fein verzweigte Bronchiensystem abgeatmet werden. Bei einer Pneumonie ist dieser Gasaustausch stark eingeschränkt.

Dehnbarer Typ L und steifer Typ H

In einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ nannte Prof. Dr. Michael Pfeifer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP), Medizinischer Direktor und Chefarzt der Klinik Donaustauf, einen besonderen Aspekt der COVID-19-Pneumonie. Typisch beim pneumogenen ARDS aufgrund eines septischen Schocks oder einer bakteriellen Pneumonie wäre eine gewisse Steifheit der Lunge, ausgelöst durch einen fibrotisch bedingten Verlust ihrer Elastizität. Bei hypoxämischen COVID-19-Patienten seien die Lungen hingegen „weicher“ zu beatmen, gegen einen geringeren mechanischen Widerstand. Ursächlich hierfür sind die im frühen Stadium der SARS-CoV-2-Infektion lokal begrenzten Verteilungsstörungen in den Alveolen. Hier herrsche ein auffälliges Ungleichgewicht zwischen Durchblutung und Belüftung (sogenannte Ventilations-Perfusions-Verteilungsstörung), wodurch das Blut nur sehr ineffektiv oxygeniert wird. Da der überwiegende Teil der Lunge im Anfangsstadium einer COVID-19-Pneumonie (sogenannter Typ L) nicht erkrankt ist, hält die Lunge ihre normale Dehnbarkeit aufrecht [8]. Dies erklärt auch, weshalb Patienten keine oder nur geringe Dyspnoe trotz Hypoxämie und Hypokapnie (erniedrigter Kohlendioxid-Partialdruck im arteriellen Blut durch vermehrtes Abatmen von CO2) empfinden: bei ihnen ist die reflektorische Steigerung der Ventilation auf Atemfrequenzen von mehr als 30 Atemzüge pro Minute (Tachypnoe) nicht mit Beschwerden verbunden. Hingegen nimmt im späten COVID-19-Pneumonie-Stadium (sogenannter Typ H) unter anderem das intrapulmonale Ödem zu, so dass die Lunge ihre Dehnbarkeit schlussendlich verliert. Die schwere Lungenschädigung vom Typ H imponiert in der CT dann nicht mehr lokal begrenzt, sondern als flächenhafte Konsolidierung [8].


Weltweit einmalig: das DIVI-Intensivregister

Die meisten COVID-19-Patienten in intensivmedizinischer Behandlung müssen zur Aufrechterhaltung der Sauerstoffversorgung des Körpers intubiert und invasiv beatmet werden. Genaue und aktuelle Fallzahlen liefert das DIVI-Intensivregister [6]. Demnach werden im bundesweiten Durchschnitt 72% der intensivmedizinisch behandelten COVID-19-Patienten beatmet. An dem zunächst auf freiwilliger Meldebasis konzipierten Gemeinschaftsprojekt der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e. V. (DIVI), des Robert Koch-Instituts (RKI) und der ­Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) sollen sich nun nach einer Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums alle deutschen Krankenhaus-Standorte mit Intensiv­stationen beteiligen und täglich melden [7]. Weltweit einzigartig ist unter www.intensivregister.de eine Übersicht freier, belegter und insgesamt zur Verfügung stehender Intensivbetten unterschiedlicher Versorgungsstufen des gesamten Bundesgebietes. Anhand eines Ampelschemas lassen sich die intensivmedizinischen Kapazitäten der jeweiligen Kliniken bzw. Stationen unter Berücksichtigung von Bettenzahl, Personalsituation und Arbeitsbelastung ablesen (grün: vorhanden, gelb: begrenzt vorhanden, orange: ausgelastet).

Auf eine generelle Überlastung der Krankenhäuser (lokale Ausnahmen bestätigen die Regel) lässt sich anhand der im Intensivregister erfassten Zahlen nicht schließen: von den 30.182 betreibbaren Intensivbetten sind aktuell 58% belegt. Bei Nachlässigkeiten bezüglich kontaktbeschränkender Maßnahmen oder der Basishygieneregeln kann sich die Situation jedoch rasch ändern und die Pandemieausbreitung schnell wieder Fahrt aufnehmen. Trügerisch wäre, sich beim Anblick der aktuellen intensivmedizinischen Fallzahlen und der Versorgungssituation zurückzulehnen oder leichtsinnig zu werden. Wir stehen scheinbar noch am Anfang der Infektionswelle!

Intensivmedizinische Therapiemöglichkeiten

Bei der intensivmedizinischen Behandlung von COVID-19-Patienten mit akuter respiratorischer Insuffizienz bieten sich in Abstufungen verschiedene apparative Differenzialtherapien an. In der vergangenen Woche erschien hierzu ein Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP), in der das vorhandene Expertenwissen gebündelt und hilfreiche Kernaussagen ­formuliert wurden [8]. Das Behandlungsspektrum reicht von einfacher Sauerstofftherapie, Sauerstofftherapie mit hohem Durchfluss (High-flow), nicht-invasiver Beatmung mit Maske (CPAP), invasiver (maschineller) Beatmung bis zu Lungenersatzverfahren. Welche Option gewählt wird, muss in Abhängigkeit der individuellen Patientensituation ­entschieden werden, nachvollziehbare Entscheidungskriterien sind im Positionspapier dargestellt [8]. Dabei ist ein permanentes und engmaschiges Monitoring, unter anderem eine arterielle oder kapilläre Blutgasanalyse, der Organfunktionen, der Laborwerte und des klinischen Bildes und natürlich Erfahrung entscheidend, um die Progredienz zu beurteilen und die Entwicklung kritischer Verläufe recht­zeitig zu erkennen. Der Gesundheitszustand der Patienten kann sich innerhalb weniger Stunden drastisch verschlechtern, was eine Eskalation innerhalb der vorhandenen Möglichkeiten unter Berücksichtigung des Patientenwillens erforderlich macht.

Nicht-invasive Beatmung

Leidet der Patient zunächst nur unter einer leichten bis moderaten Hypoxämie bzw. einer respiratorischen Insuffizienz, kann eine Stabilisierung mit nicht-invasiven Be­atmungsmethoden (NIV) erreicht werden, zum Beispiel über die Gabe von Sauerstoff per Mund-Nasen-Maske oder eines Beatmungshelms, CPAP-Therapie (Continuous Positive Airway Pressure, kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck) oder nasale High-Flow-Therapie (NHF) [8]. Bei dieser geringer erkrankten, spontan atmenden Patientengruppe kann man durch unterstützende Beatmung den Einsatz eines Endotracheal- oder Tracheostomietubus vermeiden, vorausgesetzt, ein bestimmter Schweregrad wird nicht überschritten! Bei der High-flow-Sauerstofftherapie ist jedoch Expertise des Behandlungsteams erforderlich, um keine Schädigung zu provozieren. Dem Patienten wird dabei sauerstoffangereicherte Luft, die zusätzlich erwärmt und angefeuchtet ist, über eine Nasenbrille (HFNC, High Flow Nasal Cannula) mit höherem Durchfluss angeboten. Hierdurch erhöhen sich die Sauerstoffsättigung und die Kohlendioxid-Elimination beim Patienten. Durch die angefeuchtete Luft wird einem Austrocknen der Schleimhäute entgegengewirkt. Die Methode hat mehrere Vorteile, aber auch Nachteile: die Verweildauer auf der Intensivstation verkürzt sich deutlich und es treten weniger im Zuge einer invasiven Beatmung auftretende potenzielle Komplikationen auf (z. B. aufgrund des künstlichen Komas: Unterdrückung der körpereigenen Immunabwehr durch die Narkose, Gefahr beatmungsassoziierter nosokomialer Infektionen, Blutdrucksenkung aufgrund der Intubation). Zudem ist das Verfahren schonender als eine invasive Beatmung, welche trotz aller Fürsorge immer zusätzlichen mechanischen Stress für die Lungen bedeutet. Eine „Erholung“ des Organs findet bei künstlicher Beatmung, im Gegensatz zur Vorstellung vieler Laien, nicht statt. Ist eine Intubation medizinisch nicht gerechtfertigt und kann der Patient nicht-invasiv beatmet werden, lassen sich an dieser Stelle wirksam Ressourcen schonen, die für schwerere Fälle vorgehalten werden können. Eine nicht-invasive Beatmungsmethode kann sich bei Therapieversagen aber auch schnell als nicht lungenprotektiv erweisen! Ist der Atemantrieb des Patienten aufgrund der Hypoxämie sehr hoch (große Atemzüge, hohes Volumen) und wird eine zu hohe Druckunterstützung durch die NIV angeboten, treten potenziell schädliche transpulmonale Druckschwankungen und möglicherweise ein selbst-induzierter Lungenschaden auf [8]. An dieser Stelle ist die Intubation und maschinelle Beatmung zu bevorzugen, andernfalls droht eine erhöhte Sterblichkeit. Generell muss engmaschig überwacht werden, ob der Sauerstoffbedarf des Patienten unter einer CPAP/NIV gestillt werden kann, oder ob ein kritischer Abfall der Sauerstoffsättigung, eine Zunahme der Atemarbeit oder eine Zustandsverschlechterung eintritt. Hier ist dann zügig die Indikation zur invasiven Beatmung zu überprüfen, weshalb eine NIV/CPAP im Idealfall auf einer Intensivstation mit entsprechender Intubationsbereitschaft und personeller Expertise durchgeführt werden sollte [8].

Gefahr der Aerosolbildung

Ein entscheidender Nachteil der Sauerstoffzufuhr mit nicht-invasiven Beatmungsmethoden ist die Aerosolbildung in der Umgebung mit Gefahr der Virenübertragung. Das Personal der Intensivstation ist hier einer höheren Kontaminationsgefährdung ausgesetzt, nach Experteneinschätzung gibt es derzeit aber keine Hinweise auf gehäufte Infektionen von Ärzte- oder Pflegepersonal über diesen Weg. Personalschutzmaßnahmen müssen entsprechend streng umgesetzt und diszipliniert beachtet werden, um weiter handlungsfähig zu sein. Wichtig ist patientenseitig der korrekte Sitz der nasalen High-flow-Brille oder der Beatmungsmaske (Dislokationen und Maskenkorrekturen sind zu vermeiden) und beim Personal dicht schließende FFP2-Masken sowie weitere Schutzausrüstung (Handschuhe, Augenschutz, Kittel) beim direkten Patientenkontakt oder Betreten der Räume. Räume sind (falls möglich) gezielt zu lüften, um die Aerosollast zu erniedrigen. Im Positionspapier der DGP wird empfohlen, geschlossene Systeme (sog. non-vented Masken) mit virendichten Filtern vor dem Exspirationssystem zu verwenden, die zu keiner vermehrten Aerosolbildung führen [8]. Eine erhöhte Aerosolbildung ist bei einer Bronchoskopie, zum Beispiel zur Erregerdiagnostik, im Moment der Intubation und bei einer kardiopulmonalen Reanimation zu erwarten. Diese Prozeduren müssen entsprechend mit größter Sorgfalt und Tragen entsprechender Schutzausrüstung durchgeführt werden. Bei invasiver Beatmung ist gemäß DGP-Empfehlung darauf zu achten, dass die Exspirationsluft gefiltert wird oder virendichte Filter im Expirationsschenkel eingesetzt werden [8].

Invasive Beatmung

Die Durchführung der invasiven Beatmung wird im Detail in einer 295 Seiten starken S3-Leitlinie thematisiert, auf die aus Gründen der Komplexität hier nicht eingegangen wird [16]. Ein interessanter Aspekt soll jedoch erwähnt werden: Beatmete COVID-19-Patienten sollten nach Möglichkeit 16 (bis 18) Stunden pro Tag auf dem Bauch liegen, was bei schwerem ARDS die Lunge entlastet, den Sauerstoffgehalt im arteriellen Blut durch verbesserten Gasaustausch erhöht und Sekrete mobilisiert [15, 16]. Diese Lagerungstherapie erfordert jedoch ausreichende personelle Ressourcen und Fachkenntnisse, um sicher durchgeführt werden zu können. Ist ein effektiver Gasaustausch nur durch aggressive, nicht lungenprotektive mechanische Beatmung mit hoher inspiratorischer Sauerstoffkonzentration, hohen Beatmungsdrücken und Atemhubvolumina zu erreichen, kann eine beatmungsassoziierte/-induzierte Lungenschädigung provoziert werden [4]. Der per Überdruck in die Lungen gepresste Sauerstoff kann die Alveolen überblähen und somit zu einer weiteren Reizung, Entzündung und Schädigung beitragen. An dieser Stelle sind die konservativen Therapiemöglichkeiten der invasiven Beatmung ausgeschöpft. Für Patienten mit schweren Formen eines ARDS und therapie­refraktärer Hypoxämie oder therapierefraktärem kardio-­zirkulatorischem Versagen kann in der letzten Eskalationsstufe als ultima ratio ein extrakorporales Lungenersatzverfahren (ECMO, s. Kasten und Abb. 3) erwogen werden. Bei verfügtem Patientenwillen und anhand streng festgelegter Kriterien wird individuell entschieden, welche vital bedrohten COVID-19-Patienten vermutlich von dieser Methode profitieren und bei welchen Patienten oder unter welchen Umständen sie nicht indiziert ist [5].

Abb. 3: Die extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) unterstützt bzw. ersetzt bei Patienten mit schwerem Lungen- und/oder Herz-Kreislauf-Versagen übergangsweise die Organfunktion. Bei der veno-venösen ECMO (vv-ECMO, rechts) wird venöses, sauerstoffarmes Blut über die Vena femoralis ausgeleitet und nach Oxygenierung und Decarboxylierung an einem Membranoxygenator über die Vena jugularis interna wieder in den Körper eingeleitet. Bei der veno-arteriellen ECMO (va-ECMO, links) wird ein Parallelkreislauf außerhalb des Körpers gebildet und das mit Sauerstoff angereicherte Blut über die Arteria femoralis wieder eingeleitet.

ECMO – die externe Lunge

Die extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) ist eine etablierte, hochkomplexe intensivmedizinische Behandlungsmethode, die bei ausgewählten Patienten mit schwerstem Lungen- und/oder Herz-Kreislauf-Versagen zum Einsatz kommen kann. Die seltene Therapieform wird in Deutschland nur in hierauf spezialisierten interdisziplinären Zentren durchgeführt. Die Anfänge des Verfahrens sind in den 1970er-Jahren angesiedelt, hier wurden erste Versuche mit der „externen Lunge“ unternommen und stetig weiterentwickelt. Das Prinzip klingt einfach: Venöses, sauerstoffarmes Blut wird permanent über ­großlumige Kanülen aus dem Körper ausgeleitet, mithilfe einer Zentrifugalpumpe durch eine künstliche Lunge (Membranoxygenator, MO) gepumpt, dort an Polymethylpenten(PMP)-Membrankapillaren von Kohlendioxid befreit und mit Sauerstoff angereichert und dann über eine große Kanüle ins venöse oder arterielle Blutsystem wieder eingeleitet. In den permeablen Hohlfasern des Membranoxygenators wird das Blut durch Diffusion entlang eines Konzentrationsgefälles (entsprechend dem Fick‘schen Gesetz) oxygeniert und decarboxyliert [17]. Der zur Oxygenierung erforderliche hohe Blutfluss über die Membran wird durch die großlumigen Kanülen gewährleistet, der Hämoglobinwert des Patienten sollte zudem ausreichend hoch sein (> 10 mg/dl) [17]. Man unterscheidet die veno-venöse ECMO ­(vv-ECMO), bei der die Lungenfunktion bei noch ausreichender Pumpfunktion des Herzens maschinell übernommen wird und die veno-arterielle ECMO (va-ECMO), bei der die Lungen- und/oder Herzfunktion ersetzt und beide Organe entlastet werden (siehe Abb. 3). Ausleitungsstellen des Blutes sind sehr große Gefäße, bevorzugt die Vena femoralis (Oberschenkelvene) in der Leiste des Patienten. Das oxygenierte Blut wird beim veno-­arteriellen Anschluss über die Arteria femoralis (Oberschenkelarterie) wieder in den großen Kreislauf des Körpers eingeleitet, so dass ein Parallelkreislauf unter Umgehung des Herzens und des Lungenkreislaufs entsteht. Beim veno-venösen Anschluss erfolgt die Rückführung des Blutes über die Vena jugularis interna (innere Drosselvene) am Hals, wobei der Katheter bis zur Einmündung in den rechten Vorhof vorgeschoben ist. Anschließend passiert das sauerstoffangereicherte Blut das rechte Herz, den Lungenkreislauf und das linke Herz und gelangt dann in den großen Kreislauf.

Der wesentliche Vorteil der extrakorporalen Membranoxygenierung ist, dass sie – über einen Umweg außerhalb des Körpers – rasch und zuverlässig den Gasaustausch gewährleistet und dadurch eine protektive Atmung und Erholung der geschädigten Lunge ermöglicht. Die Methode ist sehr überwachungsintensiv und erfordert hochqualifiziertes und erfahrenes Personal aufseiten der Intensivpflegekräfte und Ärzte. Der Pflegeschlüssel pro ECMO-Patient beträgt 1:1! Komplikationen können in Form von Gefäßverletzungen (Perforationen) bei der Kanülierung auftreten. Eine weitere Herausforderung des Verfahrens besteht in der Gefahr der Koagel­bildung durch Aktivierung der endogenen Gerinnung einerseits und von Blutungskomplikationen durch gegensteuernde systemische Antikoagulation andererseits. Für den störungsfreien Durchtritt des Blutes durch die langen Anschlussleitungen, die Pumpe und den Membranoxy­genator muss daher sowohl die Antikoagulation des Blutes individuell und fein abgestimmt und überwacht sein als auch die (Heparin- oder Phosphorylcholin-)Beschichtung der Komponenten einwandfrei funktionieren [4]. In seltenen Fällen kann es zu Hirnblutungen, Venenthrombosen oder Lungenembolien beim Patienten sowie Thrombenbildung und Defekten im extrakorporalen Kreislauf kommen. Der Blutfluss sollte möglichst über wenige Komponenten und Anschlüsse geleitet werden, damit die zellulären Blutbestandteile auf ihrem extrakorporalen Weg und unter dem Pumpvorgang nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Bei den heutigen, kompakten Systemen ist jedoch eine Traumatisierung/Hämo­lyse der Blutzellen mit einhergehender Störung der Gerinnung nur noch selten festzustellen.

Auf einen Blick

  • COVID-19 lässt sich in drei Erkrankungsphasen, die fakultativ durchlaufen werden können ­einteilen: die frühe Infektion (Phase I), die ­pulmonale Manifestation mit oder ohne Hypoxie (Phase IIa oder IIb) und die schwere hyper­inflammatorische Phase III.
  • Eine COVID-19-Pneumonie tritt bilateral auf und kann im Verlauf in ein akutes Lungenversagen (Acute Respiratory Distress Syndrome, ARDS) mit massiver pulmonaler Gasaustauschstörung übergehen.
  • Die akute respiratorische Insuffizienz kann je nach Schweregrad mit einfacher Sauerstoff­therapie, Sauerstofftherapie mit hohem Durchfluss (High-flow), nicht-invasiver Beatmung mit Maske (CPAP), invasiver (maschineller) Be­atmung bis zu Lungenersatzverfahren (ECMO) behandelt werden.
  • Der Patientenwille zur Durchführung intensivmedizinischer Maßnahmen sollte vor dem aktuellen Hintergrund besprochen und dokumentiert werden.

Woran sterben Patienten mit COVID-19?

Die Überlebenschancen schwer erkrankter COVID-19-­Patienten sind nicht hoch, die meisten sterben am respiratorischen Versagen. Schuld ist das Virus und die in Gang gesetzte Entzündungsreaktion mit einhergehender schwerer Schädigung des Lungenparenchyms. Zusätzlich besteht immer dann ein Problem, wenn bakterielle Superinfektionen und eine Sepsis oder ein septischer Schock hinzukommen. Bei Patienten mit Verdacht auf eine bakterielle Superinfektion und/oder septischem Verlauf sollte eine kalkulierte antibiotische Therapie so schnell wie möglich initiiert werden, bei Sepsis innerhalb einer Stunde. Nach Aussage von Professor Witzenrath erleidet ein Viertel bis ein Drittel auch kardiale Probleme (COVID-19-assoziierte Kardiomyopathie/ Myokarditis, kardiale Insuffizienz, Rhythmusstörungen, Herzversagen). Zudem treten thromboembolische Ereignisse und akutes Nierenversagen sowie Multiorganversagen infolge systemischer Hyperinflammation auf. |

Literatur

 [1] Witzenrath M. Patienten mit COVID-19 Erkrankung auf der Intensivstation. DGP Aktuell, 06. April 2020, https://pneumologie.de/aktuelles-service/covid-19-videoclips/?L=0

 [2] Hinweise zu Erkennung, Diagnostik und Therapie von Patienten mit COVID-19. Stand März 2020, Ständiger Arbeitskreis der Kompetenz- und Behandlungszentren für Krankheiten durch hochpathogene Erreger am Robert Koch-Institut (STAKOB), https://pneumologie.de/fileadmin/user_upload/Stellungnahme-Covid-19_Therapie_Diagnose-2.pdf

 [3] Kluge S et al. Empfehlungen zur intensivmedizinischen Therapie von Patienten mit COVID-19. Med Klin Intensivmed Notfmed 12. März 2020, https://doi.org/10.1007/s00063-020-00674-3

 [4] Wilm JG. Charakterisierung zellulärer Ablagerungen auf Polymethylpenten-Gaskapillaren nach extrakorporaler Membranoxygenierung bei akutem Lungen- oder Herzversagen. 2016. Dissertation, Fakultät für Medizin der Universität Regensburg

 [5] ELSO guidance document: use of ECMO in COVID-19 patients during the pandemic. Extracorporeal Life Support Organization, 24. März 2020, www.elso.org/Portals/0/Files/Guideline/ELSO_Guidance_COVID%2019%20Document.German.pdf (Zugriff am 14. April 2020)

 [6] Aktuelle Belegungssituation intensivmedizinischer Bereiche der Krankenhaus-Standorte Deutschlands. DIVI-Intensivregister, www.intensivregister.de/#/intensivregister

 [7] Referentenentwurf einer Verordnung zur Aufrechterhaltung und Sicherung intensivmedizinischer Krankenhauskapazitäten (DIVI Intensivregister-Verordnung). Bundesministerium für Gesundheit, www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/D/DIVI_Intensiv­register-Verordnung.pdf

 [8] Positionspapier zur praktischen Umsetzung der apparativen Differenzialtherapie der akuten respiratorischen Insuffizienz bei COVID-19. Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP), Stand 16. April 2020. https://pneumologie.de/fileadmin/user_upload/COVID-19/20200417_DGP__app._Differenzialtherapie_ARI_bei_COVID-19.pdf

 [9] Siddiqi HK et al. COVID-19 Illness in Native and Immunosuppressed States: A Clinical-Therapeutic Staging Proposal. Journal of Heart and Lung Transplantation, in press 2020, doi: https://doi.org/10.1016/j.healun.2020.03.012

[10] Karg O et al. Nichtinvasive Beatmung am Lebensende. Pneumologe 2010;7:110–113, https://doi.org/10.1007/s10405-009-0372-7

[11] Entscheidungen über die Zuteilung von Ressourcen in der Notfall- und der Intensivmedizin im Kontext der COVID-19-Pandemie – Klinisch-ethische Empfehlungen. Diverse Fachgesellschaften, https://pneumologie.de/fileadmin/user_upload/Aktuelles/2020-03-25_COVID-19_Ethik_Empfehlung_Endfassung_2020-03-25.pdf

[12] Handlungsempfehlung zur Therapie von Patient*innen mit COVID-19 aus palliativmedizinischer Perspektive 2.0. Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin und Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, Stand 30. März 2020, https://pneumologie.de/fileadmin/user_upload/Aktuelles/2020-03-30_HE_Covid-19_Palliativ.pdf

[13] Solidarität und Verantwortung in der Corona-Krise. Deutscher Ethikrat, Stand 27. März 2020, www.ethikrat.org/fileadmin/Publikationen/Ad-hocEmpfehlungen/deutsch/ad-hoc-empfehlung-corona-krise.pdf

[14] Ambulante patienten-zentrierte Vorausplanung für den Notfall – Ein Leitfaden aus Anlass der Covid-19-Pandemie. Informationen diverser Fachgesellschaften, Stand 9. April 2020, www.dgpalliativmedizin.de/images/Ambulante_patientenzentrierte_Vorausplanung_fuer_den_Notfall_LEITFADEN_20200409_final.pdf

[15] Clinical management of severe acute respiratory infection (SARI) when COVID-19 disease is suspected. WHOm Stand 13. März .2020, www.who.int/publications-detail/clinical-management-of-severe-acute-respiratory-infection-when-novel-coronavirus-(ncov)-infection-is-suspected

[16] Invasive Beatmung und Einsatz extrakorporaler Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin. 1. Auflage, AWMF Leitlinien-Register Nr. 001/021, Stand 4. Dezember 2017, www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/001-021l_S3_Invasive_Beatmung_2017-12.pdf

[17] Lotz C, Muellenbach RM. Extrakorporale Membranoxygenierung. Anästh Intensivmed 2018;59:316-325, DOI: 10.19224/ai2018.316

Autorin

Dr. Verena Stahl ist Apothekerin und wurde an der University of Florida als Semi-Resident im landesweiten Drug Information and Pharmacy Resource Center ausgebildet. Ihre berufsbegleitende Dissertation fertigte sie zu einem Thema der Arzneimitteltherapiesicherheit an.

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