Adexa-Info

Offener Brief an die Politik und die Bevölkerung

Dieser offene Brief wurde am 31. März 2020 an Politiker und Medien verschickt.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, in der aktuellen Epidemie zeigen sich auch im Apothekenbereich die Stärken und die Schwächen des deutschen Gesundheitssystems:

Auf der Plus-Seite stehen die Apothekenteams vor Ort mit rund 160.000 qualifizierten und motivierten Fachkräften, die täglich (und auch nachts im Notdienst!) die Bevölkerung mit Arzneimitteln versorgen. Sie improvisieren in der augenblicklichen Lage noch mehr als sonst, weil sich die Lieferengpässe verschärfen und Gesundheitsschutzmaßnahmen getroffen werden müssen. Sie beraten und haben ein offenes Ohr, sie stellen im Labor Desinfektionsmittel her und stocken ihre Botendienste gerade für ältere Mitmenschen massiv auf, damit diese zu Hause bleiben können.

Auf der anderen, der Minus-Seite wird der bereits über Jahre, ja Jahrzehnte währende Spardruck jetzt umso deutlicher spürbar. Er hat dazu geführt, dass viele Apotheken keine Nachfolge fanden bzw. aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen worden sind. Diese Apotheken fehlen nun in den Wohnvierteln und Kleinstädten, wo Bürgerinnen und Bürger heute stärker als je auf kurze Wege angewiesen sind. Die unzureichende Finanzierung der Apothekenleistungen führt auch seit Langem zu unangemessen niedrigen Gehältern für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – und zu einer niedrigen Attraktivität der Ausbildungs­berufe. Das schlägt sich in einem wachsenden Fachkräftemangel nieder.

Zur Minus-Seite gehören auch die bereits erwähnten Lieferengpässe, die bereits vor der Corona-Pandemie von den Apothekern angemahnt wurden. Ein bedenklich ausgereiztes System von Rabattverträgen ist dabei ein wichtiger Aspekt. Außerdem hat die Produktion von Arzneimitteln im außereuropäischen Ausland zu einer massiven Abhängigkeit von globalen Lieferketten geführt. Dadurch spürt Deutschland (und Europa) bereits jetzt eine Mangelversorgung bei einer Vielzahl von wichtigen Arzneimitteln, die sich noch zu verschärfen droht.

Die Apothekenangestellten sehen, dass im Moment die Wertschätzung in der Öffentlichkeit gestiegen ist. Apotheken werden als systemrelevant erkannt und ihnen wird in den Medien gedankt. Das tut kurzfristig sicherlich gut! Ausreichend ist es nicht! Die beschriebenen Probleme müssen nach der Epidemie angepackt werden. Sie dürfen nicht auf die lange Bank geschoben werden!

ADEXA – Die Apothekengewerkschaft wird sich mit den Arbeitgebervertretern im Apothekenbereich über Möglichkeiten beraten, wie die Angestellten für ihre Arbeit in der Corona-Epidemie auch finanziell zusätzlich honoriert werden können. Allerdings ist dies unter den augenblicklichen wirtschaftlichen Bedingungen der Apotheken ein Kraftakt und macht künftige Systemverbesserungen zwingend nötig.

Zuletzt möchten wir uns noch mit einer Bitte an die Bevölkerung wenden:

Respektieren Sie die von den Apotheken erbetenen Regeln zur sozialen Distanzierung und nutzen Sie die angebotenen Hygienemaßnahmen am Eingang. Damit sorgen Sie dafür, dass Ihre Apotheken weiterhin als niederschwellige Anlaufstellen in der Corona­virus-Epidemie funktionieren können. Die Apothekenteams tun ihr Möglichstes, um für Ihre Gesundheit zu sorgen. Bitte leisten auch Sie ihren Beitrag, um Infektionen zu vermeiden. |

Andreas May, Tanja Kratt, Vorstand, ADEXA – Die Apothekengewerkschaft

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