Arzneimittel und Therapie

Neurodermitis mit Cremen aufhalten?

Konsequente Hautpflege kann Risikokinder nicht schützen

In der Basistherapie der Neuro­dermitis hat eine rückfettende Hautpflege einen hohen Stellenwert. Doch zur Vorbeugung taugen Emollenzien nicht – so die Ergebnisse zweier großangelegter Präventionsstudien.

Neurodermitis ist die häufigste chronische Erkrankung im Säuglingsalter, welche die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Eltern stark beeinflusst. Eine Schlüsselrolle bei der Entstehung spielt eine gestörte Hautbarriere mit fehlenden natürlichen Feuchthaltefaktoren sowie veränderter Ceramid- und Proteinzusammensetzung. Das wichtigste Ziel bei der Therapie des atopischen Ekzems ist daher die Wiederherstellung der physiologischen Haut­barrierefunktion. Eine regelmäßige wirkstofffreie, hydratisierende und rückfettende Basispflege – bestehend aus Cremes, Salben und Badezusätzen – bildet die unterste Ebene im Stufenplan der Neurodermitis­behandlung. Soweit zur Therapie, aber wie sieht es angesichts der zunehmenden Neurodermitisprävalenz mit Präventionsmöglichkeiten aus? Kann auch hier eine Anwendung von Hautpflegeprodukten sinnvoll sein und gar der Entwicklung einer atopischen Dermatitis vorbeugen?

Zwei kleine randomisierte Pilotstudien, deren Ergebnisse 2014 veröffentlicht wurden, gaben zunächst Hoffnung. Dort zeigten sich signifikante Präventionseffekte durch eine tägliche Hautpflege bei Hochrisikokindern mit einem atopisch vorbelasteten ­Elternteil oder mit betroffenen Geschwistern. Das Risiko für eine Neurodermitis konnte bei den Probanden um 30 bis 50% reduziert werden.

Foto: triocean – stock.adobe.com

Allerdings werfen die Ergebnisse von zwei jüngst im „Lancet“ veröffentlichten großangelegten Studien ein anderes Licht auf die präventive Hautpflege bei Säuglingen mit einem erhöhten Atopierisiko. Im Rahmen der multizentrischen, randomisierten BEEP-Studie (barrier enhancement for eczema prevention) wurden in Großbritannien insgesamt 1394 Neugeborene untersucht. 693 Kinder wurden ein Jahr lang einmal täglich mit Emollenzien (Basisgrundlagen mit Vaseline) behandelt. Die Eltern der 701 Kinder der Kon­troll-Gruppe erhielten dagegen nur Hinweise zu einer angemessenen Hautpflege. Im ­Alter von zwei Jahren wurde das Auftreten von Neurodermitis bewertet: In der Hautpflegegruppe lag der Anteil der betroffenen Kinder bei 23%, in der Kontrollgruppe bei 25%. Der fehlende präventive Nutzen von Emollenzien war angesichts der positiven Effekte der vorangegangenen Pilotstudien und der guten Adhärenz unerwartet. Zudem traten in der BEEP-Studie sogar vermehrt ­Hautinfektionen wie Impetigo auf (Emollenzien-Gruppe 15% vs. Kon­troll-Gruppe 11%).

In der randomisierten PreventADALL-Studie (Preventing Atopic Dermatitis and ALLergies in childhood) wurden bei 2397 Säuglingen in Oslo und Stockholm zwei Interventionsmaßnahmen bewertet: zum einen die regelmäßige Hautpflege im ersten Lebensjahr (Badezusatz und Gesichtscreme), zum anderen die frühe Einführung spezieller Nahrungsmittel wie Erdnuss, Kuhmilch, Weizen und Hühnerei zwischen dem dritten und vierten Lebensmonat. Die Häufigkeit der Entwicklung einer atopischen Dermatitis wurde in einem Alter von zwölf Monaten beurteilt. Die Erkrankung trat bei 11% der Kinder in der Emollenzien-Gruppe auf. In der Kontroll-Gruppe waren es 8%, in der Nahrungsinterventions-Gruppe 9% und in der kombinierten Gruppe 5%. Auch diese Studie dokumentierte keine günstigen Auswirkungen der Hautpflegeintervention, lässt aber auf einen positiven Effekt von kombinierten Maßnahmen schließen.

Während unbestritten die Basispflege bei bestehender Neurodermitis in allen Stadien der Erkrankung un­verzichtbar ist, bleibt die präventive Maßnahme einer konsequenten Hautpflege angesichts der Ergebnisse der BEEP- und PreventADALL-Studie fraglich. Möglicherweise könnten neu entwickelte Emollenzien mit verbesserten Hautbarriereeigenschaften in zukünftigen Studien einen präventiven Effekt zeigen – ergänzt um begleitende Maßnahmen wie weiches Wasser, seltenes Baden und adäquate Reinigungsprodukte. |

Literatur

Simpson EL et al. Emollient enhancement of the skin barrier from birth offers effective atopic dermatitis prevention. J Allergy Clin Immunol 2014;134(4):818-823

S2k-Leitlinie Neurodermitis, Version 2014; AWMF-Registernr. 013-027 (Gültigkeit verlängert bis 31. Dezember 2018)

Horimukai K et al. Application of moisturizer to neonates prevents development of atopic dermatitis. J Allergy Clin Immunol 2014;134(4):824-830

Rausch R. Mit Ölbädern gegen Neurodermitis? Nutzen rückfettender Badezusätze bleibt umstritten. DtschApothZtg 2018;158(33):22-24

Winterhagen I. Stabile Schutzschicht – Basistherapie bei Neurodermitis. DtschApothZtg 2019;159(44):48-54

Santer M et al. Emollient bath additives for the treatment of childhood eczema (BATHE): multicentre pragmatic parallel group randomised controlled trial of clinical and cost effectiveness. BMJ 2018;361:k1332

Chalmers JR et al. Daily emollient during infancy for prevention of eczema: the BEEP randomised controlled trial. Lancet 2020; doi:10.1016/S0140-6736(19)32984-8

Skjerven HO et al. Skin emollient and early complementary feeding to prevent infant atopic dermatitis (PreventADALL): a factorial, multicentre, cluster-randomised trial, Published Online Lancet 2020; doi:10.1016/S0140-6736(19)32983-6

Apothekerin Dr. Ines Winterhagen

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