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Fünf Wochen … und dann?

Ein Kommentar

Fünf Wochen … und dann?


Dr. Armin Edalat, Chefredakteur der DAZ

Nein, von „deutscher Gründlichkeit“ kann man aktuell nicht sprechen mit Blick auf die nur schleppend anlaufenden Maßnahmen der Bundes- und Landesregierungen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie. Zu viel Kompetenzgerangel und Planlosigkeit prägen den politischen Willen. Auch bei dieser Krise steht uns mal wieder der Föderalismus im Weg. Dabei haben wir häufig genug erfahren müssen, dass weder Hochwasser noch Waldbrände und erst recht keine Seuchen immer nur ein Bundesland alleine betreffen. Diese Herausforderungen gehen uns alle an und genau so müssen unsere Politiker endlich auftreten und agieren!

Seit Anfang dieser Woche befinden sich die meisten Familien und Berufstätigen bereits in ihrem ganz persönlichen „Shutdown“. Schulen und Betreuungseinrichtungen haben für mindestens fünf Wochen geschlossen, viele Arbeitnehmer sind ins Home-Office geschickt worden und so mancher Selbstständige bangt um seine Existenz. Dabei gilt: Großeltern und andere Risikogruppen sollten möglichst nicht als Ersatzerzieher fungieren und neue, improvisierte Betreuungsangebote könnten zu ganz neuen Infektionsketten führen. Von jetzt auf gleich wurde das private Leben auf den Kopf gestellt – allmählich wird klar, weshalb in China die Infektionsraten zwar gesunken die Scheidungsraten dagegen deutlich gestiegen sind.

Während sich also die Haushalte in Deutschland – freiwillig oder gezwungenermaßen – auf die Coronavirus-Pandemie in den vergangenen Tagen vorbereitet haben, debattierten Bund und Länder immer noch über die weiteren Einschränkungen des Alltagsleben. Herausgekommen ist eine umfangreiche Empfehlungsliste. Wann und wie drastisch diese Maßnahmen allerdings in der Fläche umgesetzt werden, hängt nach wie vor von den Ländern und Behörden vor Ort ab.

Die Zeit läuft uns davon. Nicht nur im Hinblick auf die täglich wachsenden Infektionszahlen, sondern auch im Hinblick auf die Geduld der Menschen und ihre Solidarität untereinander. Das dürfte der Politik klar sein. Schulen und Kitas werden keine weiteren fünf Wochen geschlossen bleiben können. Deutschlands Wirtschaft im Notbetrieb wird irgendwann der Akku leer gehen.

Die Corona-Krise hat einige Gemeinsamkeiten mit der Klimakrise: Die Menschen sind bereit, sich einzuschränken, nur muss man ihnen aufzeigen, an welcher Zielgröße der Erfolg ihres Einsatzes letztendlich gemessen wird. Während es beim Klima beispielsweise die CO2-Bilanz oder Stickoxid-Werte nach mehreren Jahren sind, könnten es bei Seuchen die Infektionsraten oder Todesfälle nach Wochen sein.

Doch diese Ansage wagt derzeit niemand zu machen, weder Politiker noch Experten. Täglich veröffentlichen die Medien neue Zahlen und Statistiken. Einordnungen, Analysen und kritische Stimmen kommen dabei nur selten vor. Dafür beherrschen Fake News die Messenger-Dienste und sozialen Medien. Schon in der Schule lernen wir, dass exponentielles Wachstum für uns Menschen nur sehr schwer begreifbar ist. Unsere Risikowahrnehmung ist mit der dynamischen Ausbreitung einer Infektionskrankheit praktisch überfordert. Diese Tatsache äußert sich bei jedem unterschiedlich – von übertriebener Angst bis leichtsinnige Verdrängung.

Unabhängig davon, wie die Welt unmittelbar um uns herum in fünf Wochen aussieht, wird man die Bundesregierung weder für den einen noch für den anderen Fall loben. Sollte es zu einer signifikanten Verminderung der Neuinfektion kommen, wird es Kritiker geben, die alle Maßnahmen für übertrieben halten. Wird sich die Lage verschlechtern, waren die Einschränkungen nicht ausreichend genug.

Vielleicht droht der akademischen, politischen und medialen Welt derweil ein verhängnisvoller Tunnelblick. Denn Coronaviren begleiten uns neben Influenza-, Rhino- oder Adenoviren durch jede Grippe- und Erkältungssaison. Je nach Ausprägung und Pathogenitätsindeces der jeweiligen Stämme kann es in jedem Jahr zu mehr oder weniger Erkrankungen und Todesfällen kommen. So waren in der Influenzasaison vor zwei Jahren mehr als 25.000 Tote allein in Deutschland zu beklagen. Es kam zu neun Millionen Arztbesuchen, bei 334.000 Menschen wurde die Influenza nachgewiesen, rund 60.000 Patienten mussten stationär behandelt werden. Für unser Gesundheitssystem und unsere Gesellschaft stellen „Grippewellen“ also eigentlich immer eine Herausforderung dar und glücklicherweise nur selten einen echten Ausnahmezustand. Hoffen wir, dass wir aus jeder einzelnen lernen und uns zukünftig noch besser schützen – uns selbst und unsere Schwächsten.

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