Die Seite 3

Versorgung in der Krise

Foto: DAZ/Kahrmann

Dr. Armin Edalat, Chefredakteur der DAZ

Deutschland im Ausnahmezustand. Zwar hat die Coronavirus-Epidemie ­hierzulande noch zu keinen Todesfällen geführt und auch Berichte über schwerwiegende Krankheitsverläufe sind zum Glück extrem selten, doch das öffent­liche Leben wird seit einigen Wochen ­ordentlich durcheinandergewirbelt. ­Tausende Menschen befinden sich in häuslicher Quarantäne, Einrichtungen wie Schulen oder Kindergärten bleiben geschlossen und immer mehr Veranstaltungen werden aus Sorge vor einer noch größeren Verbreitung des Erregers ab­geblasen. So hat sich auch der Deutsche Apotheker Verlag schweren Herzens ­dazu entschieden, die Interpharm zum ersten Mal in ihrer mehr als 30-jährigen Geschichte abzusagen. Der größte pharmazeutische Fortbildungskongress hätte am 13./14. März im Berliner CityCube stattgefunden. Alle Einzelheiten dazu finden Sie auf Seite 10.

Die saisonale Grippe hat indes ihren Höhepunkt hinter sich gebracht. Wie das Robert Koch-Institut vergangene Woche meldete, zählt man bislang rund 100.000 Influenzafälle in Deutschland, etwas mehr als 160 Menschen mit po­sitivem Influenzanachweis sind verstorben – 85 Prozent von ihnen sind 60 Jahre oder älter. Mit der Grippe scheinen wir uns in jedem Jahr immer wieder aufs Neue zu arrangieren. Es gibt mil­dere und schwerere Verläufe, doch die Statistik alleine schafft es offenbar nicht, die Impfbereitschaft zu erhöhen. Schätzungsweise nur jeder Dritte bis Zweite ab 60 ist geimpft. Das ist noch nicht mal die Hälfte der von der WHO vorgegebenen Zielmarke von 75 Prozent.

Gäbe es eine wirksame Prophylaxe gegen die vom Coronavirus verursachte COVID-19-Erkrankung, würde man wahrscheinlich einen Ansturm beob­achten, wie aktuell auf Desinfektionsmittel und Atemmasken im Einzel- und Versandhandel.

Die maßgeblich durch die Publikumsmedien ausgelöste Verunsicherung und Panik in der Bevölkerung deutet schon jetzt auf Schwachstellen in unserem Vorsorge- und Versorgungssystem hin. Als die Infektionsrate noch im einstelligen Bereich lag, wurden in Apotheken die Desinfektionsmittel und Atemmasken knapp. Wie hätte man auf diese ungewöhnlich hohe und plötzliche Nachfrage reagieren sollen? Abgabe und Verkauf rechtzeitig einstellen?

Nein, sagen die beiden Experten der AG „Notfall- und Katastrophenpharmazie“ der DPhG in unserem Schwerpunkt ab Seite 24. Eine Kontingentierung könne und dürfe nicht die Aufgabe der Apotheken sein. Hier sei vielmehr der Staat in der Pflicht, Notfallvorräte anzulegen und zu ­finanzieren.

Dagegen sei das betriebliche Krisen­management Sache der Apothekenleiter. Zwar könne und müsse man sich auch hier über Unterstützung durch die ­öffentliche Hand unterhalten, doch das ­Bewusstsein und die Bereitschaft sollten im Berufsstand auch dann vorhanden sein, wenn gerade keine Katastrophe vor der eigenen Haustür passiert.

„Man kann in der Krise alles machen – nur bitte keine Diskussionen und Veränderungen der Strukturen“, appellierte NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann im WDR-Fernsehen vor einigen Tagen. Recht hat er, denn was bringt es, wenn wir uns jetzt darüber ärgern, dass die Kammern zu spät mit der Veröffentlichung von Handlungsempfehlungen reagiert haben und im ABDA-Merkblatt relevante Hinweise für Apotheken fehlen, außer dass diese ihre (nicht mehr vorhandenen) Desinfektionsmittelvor­räte überprüfen sollen?

Die Mitglieder der AG „Notfall- und ­Ka­tastrophenpharmazie“ würden sich jedenfalls über Unterstützung durch Kammern und Verbände freuen – vor ­allem langfristig und auch dann, wenn die aktuelle Krise überstanden ist.

Armin Edalat

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