Gesundheitspolitik

Der Apotheken-Ökonom: Kontextkompetenz – ein Attribut der Apotheken!?

Prof. Dr. Andreas Kaapke

Geht es um die Stärken von Menschen, werden immer häufiger die diversen Kompetenzfelder angesprochen, die gemeinhin unterschieden werden. Auch im Handel ist die alleinige Fachkompetenz einer Mischung aus Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz gewichen. Während gerade im Einzelhandel zur Fachkompetenz die Warenkunde zählt, also Fragen technischer Art (kann das Gerät …?), inhaltlicher Art (welche Schadstoffe sind in Produkt x …?) oder auch hinsichtlich der Waschbarkeit, Austauschbarkeit usw., versteht sich Methodenkompetenz eher als Fähigkeit, bestimmte Techniken des Verkaufens einsetzen zu können, rhetorisch geschult das Verkaufsgespräch zu begleiten oder auch Abschlusstechniken beim Verkauf zu nutzen. Soziale Kompetenz schließlich zeigt auf, wann ein Kunde angesprochen werden will und wann nicht, wann welches Argument kommen kann, wie ausgeprägt Freundlichkeit und Problemlösungsfähigkeit des Mitarbeiters sind usw.

Alle drei Kompetenzfelder münden in die sogenannte Handlungskompetenz, also die Fähigkeit eines Mitarbeiters, genau richtig zu reagieren, die richtige Fachinformation zum richtigen Zeitpunkt parat zu haben, den Kunden nicht mit Informationen zu überfordern, ihn aber auch nicht zu schonen und vieles mehr.

Dies vor Augen, hat man – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Heterogenität der Kunden – ge­hörigen Respekt vor der Auf­gabe des Verkaufens. In Zeiten, in denen der Verkäufer in allen Feldern in der Regel einen Vorsprung hatte – es sei denn, er hatte es mit ausgesprochenen Warenkennern zu tun –, war diese Handlungskompetenz nicht nur ausreichend, sondern sie steuerte und strukturierte den Verkaufsvorgang bei erklärungsbedürftigen Produkten gut und präzise. Die Informationsflut im Internet mit den gestiegenen Zugangs­möglichkeiten für jedermann zu jeder Zeit, hat die Gewichte beim Verkaufsvorgang in Richtung Kunden verschoben. Da der Kunde sich über etwas Spezifisches vorinformiert hat, weiß er oft besser Bescheid als der Verkäufer oder meint dies zumindest, wenn es um das einzelne Produkt oder die einzelne Dienstleistung geht. Dies macht das Verkaufsgespräch zunehmend schwierig. Hier kommt die Kontextkompetenz ins Spiel. Die Kunden lesen zwar alles über die Features eines Produktes, über technische Möglichkeiten usw., kennen sich aber nicht aus, in welchen Situationen welches Feature am besten geeignet ist und ob das präferierte Produkt tatsächlich das am besten geeignete ist. Hier kann der Verkäufer ver­lorenes Terrain zurückerobern. Seine Erfahrung im Abverkauf bestimmter Produkte kann er nutzen, um zu wissen, was geht und was nicht, was infrage kommt und was nicht. Mag er ein Produkt nicht genau kennen, so kann er dennoch die Gesprächshoheit zurückgewinnen, wenn er dieses „Pfund“ ausspielt.

In Apotheken kommt dies nicht selten vor, denn die Patienten und Kunden mögen sich manches angelesen haben, aber einordnen können sie es nicht. Wenn ein Apothekenmitarbeiter dies im Beratungsgespräch geschickt anstellt, hat er das Vertrauen des Kunden gewonnen – und nicht nur bei dem einen Verkauf, sondern ggf. auf Dauer. Richtig nachhaken, nachhören und nachfragen, sind Stärken der Apothekenberufe. Diese Kontextkompetenz besitzen Apotheker sowie PTA in der Regel besser als jeder andere im Handel angesiedelte Beruf. Das Studium oder die Ausbildung machen sie für die Auswahl des geeigneten Präparats unersetzlich, deshalb wäre es schade und unklug, wenn der Kauf von Arzneimitteln in Apotheken in reine Verkaufsakte ohne wirkliche Beratung abdriften würde. Natürlich könnte dies als einfacher, weniger zeitintensiv, am Ende des Tages weniger stressig empfunden werden, aber die von Kunden wahrgenommene Kompetenz hat man durch ein anderes Verhalten erlangt und zugeschrieben bekommen.

An sich wäre diese Art der Kontextkompetenz in allen Handelsbranchen sinnvoll, aber gerade in Apotheken ist sie unersetzbar, denn es ist gewünscht, dass sich Menschen nicht selbst therapieren, sondern dies von Fachleuten wie Arzt oder Apotheker erledigt wird. Es ist gut, wenn auch mal empfohlen wird, nichts zu nehmen oder nicht alles durcheinander einzunehmen. Und es ist hilfreich, wenn Kunden erleben, was die Mischung aus Fach-, Methoden-, Sozial- und Kontextkompetenz bewirken kann. Hier sind Apotheken Benchmark für alle anderen Handelsbranchen und sollten es bleiben, so es der Apotheker abruft, der Kunde goutiert und der Gesetzgeber kapiert. |

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

 

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