Gesundheitspolitik

Der Apotheken-Ökonom: Wie das Diskrete auch noch dezent sein muss

Prof. Dr. Andreas Kaapke

In Apotheken müsse es diskret zugehen, so eine gleich oder ähnlich lautende Forderung seitens der Kunden. Bemüht man ein Herkunftswörterbuch, entnimmt man diesem für Diskretion die Übersetzung Verschwiegenheit, taktvolle Zurückhaltung. Es leuchtet ein, dass eine taktvolle Zurückhaltung bei manchem Verkaufs- oder Beratungsgespräch in Apotheken angezeigt ist. Gesundheit bzw. Krankheit ist in manchen Fällen für manche Personen ein Tabuthema, also ein Thema, das sich aus Sicht des Betroffenen der Allgemeinheit und Öffentlichkeit entziehen soll und nur im kleinen Kreis angesprochen werden kann – selbst beim Arzt oder in der Apotheke. Trifft dies auf alle Themen zu? Hier scheiden sich die Geister. So gibt es Kunden, die offen über ihre fortgeschrittene Krebserkrankung in der Apotheke berichten können, aber zugleich verschämt über den Fußpilz nuscheln. Andere haben selbst mit ihren Filzläusen kein Problem und wieder andere möchten nicht beim Kauf von Kondomen erkannt werden. Zu was braucht der Maier denn Kondome? Was mag dieser Kunde erlebt haben, wenn er Filzläuse hat? usw. Aus derlei Überlegungen und Fragen resultiert das Schamgefühl, das Kunden bei diversen Themen empfinden. Das kann auch bei Krebs der Fall sein. Nur dafür kann man nichts, was beim Fußpilz möglicherweise schon anders ist oder eben anders interpretiert wird.

Apotheken können in zweierlei Hinsicht auf das Thema Diskretion reagieren. Zum einen durch bau­liche, formale Voraussetzungen. Durch den Hinweis, man möge bitte zum aktuellen Kunden hin­reichend Abstand wahren, kann zumindest physisch eine Distanz zum nächsten Kunden aufgebaut werden. Aber Hand aufs Herz, es hilft in der Regel wenig. Ein großer Abstand setzt nicht nur große Flächen voraus, sondern ist zugleich organisatorisch nicht durchhaltbar. Wer sichert den Abstand und ermahnt ggf. davon abweichende Kunden? Der üblich gewählte Abstand lässt den Dahinterstehenden dennoch am Gespräch partizipieren, ohne dass sich dieser wahnsinnig anstrengen muss. Einen Schritt weiter als diese Abstandswahrung geht der abgetrennte Raum. Hier hätte man die Möglichkeit, ein gesundheitliches Problem außerhalb der Öffentlichkeit zu besprechen. Gleichwohl bekommt der Vorgang durch den Vorgang selbst eine Öffentlichkeit, denn der Weg in den Besprechungsraum ist in Apotheken nicht allzu häufig.

Dies leitet den Blick auf den zweiten großen Baustein für Diskretion: das Fingerspitzengefühl des Apothekenpersonals. Mit anderen Worten: Die Befähigung zu erkennen, wann eine Beratungssituation eintritt, bei der der klassische Thekenverkauf an seine Grenzen stößt. Doch bedauerlicherweise hängt dies nicht nur von den Fähigkeiten des Apothekenpersonals ab, sondern auch von der Art der Kommunikation der Kunden. Vor dem Hintergrund der eigenen Unsicherheit wird diese oftmals durch zunächst zur Schau gestellte Selbstsicherheit überspielt. Dabei ist es nicht nur schwierig genug zu erkennen, dass der Kunde eigentlich ein Be­ratungsgespräch benötigt bzw. wünscht, sondern auch das Ausmaß zu erahnen, in dem ein Tabu­thema ansteht. Bei Stammkunden merkt das Apothekenpersonal schnell, dass etwas im Busch ist. Man kennt sich und weiß um die Art des anderen. Dies lässt wieder die Empfehlung an beide Seiten zu, unbedingt eine dauerhafte Beziehung aufzubauen: sowohl aus Sicht der Apotheke als auch aus Sicht des Kunden. Auf der anderen Seite bekennen viele Kunden, dass sie für heikle Themen gerade nicht ihre Stammapotheke aufsuchen, da man sich nicht outen wolle, obgleich das Vertrauen am höchsten ist. Diese Absurdität aufzubrechen, ist nicht immer einfach, da es ja die Kenntnis eines Gesprächs­bedarfes voraussetzt.

Generell ist es mit der Diskretion an sich so eine Sache. Wenn man beim Physiotherapeuten nur durch Vorhänge getrennt in einer Fangopackung eingehüllt hört, was ge­rade nebenan an Privatem aus­getauscht wird, rüstet man sich schon für die nächste halbe Stunde, in der man selbst Teil des Gespräches wird. Wer in der Bahn Handygesprächen lauscht, wundert sich über die Mitteilsamkeit der Mitmenschen, und auch bei Ärzten ist man irritiert, wenn Telefonate in das Behandlungszimmer rein­gestellt werden und man über die Gastritis des Nachbarn besser Bescheid bekommt als ggf. im Gespräch mit dem Arzt über die eigene Magenverstimmung.

Was kann eine Apotheke also aus der immer wieder vorgetragenen Forderung nach Diskretion lernen? Die Diskretion zu wahren, ist schwierig, dazu sind weder die räumlichen Voraussetzungen in jeder Apotheke vorhanden noch die Notwendigkeiten für ein entsprechendes Verkaufsgespräch zu Beginn stets erkennbar. Deswegen ergänzt das Wort „dezent“ im Sinne von schicklich, zurückhaltend sehr gut das Diskrete. Wer alles dafür tut, dass es diskret und dezent, also zurückhaltend und schicklich zugeht, ist „nur“ noch darauf angewiesen, dass der Kunde auch zulässt, dass man sein Problem erörtert. Und das muss der Kunde selbst leisten. |

Andreas Kaapke  ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

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