Gesundheitspolitik

Kommentar: Es ist ein Skandal …

Dr. Christine Ahlheim

… dass derzeit mehrere Tausend Apotheken keine Zahlungen ihres Rezeptabrechners AvP erhalten und möglicherweise in existenzielle Nöte geraten. Rasche Hilfe ist hier notwendig und daher ist es gut, dass die AvP-Insolvenz eine so breite mediale Aufmerksamkeit erfährt. So brachten nicht nur etliche Tageszeitungen, sondern auch die ZDF-Nachrichtensendung „heute“ ausführliche Berichte.

Bedauerlich ist aber, dass ein weitaus größerer Skandal die Publikumsmedien überhaupt nicht interessiert. Derzeit vergibt der Gesetzgeber die historische Chance, die flächendeckende Arzneimittelversorgung durch Vor-Ort-Apotheken langfristig zu sichern: Statt das im Koali­tionsvertrag vereinbarte Rx-Versandverbot einzuführen, um den Rx-Boni der EU-Versender Einhalt zu bieten, wird versucht, dieses Ziel durch ein Boni-Verbot im Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz zu erreichen. Doch dadurch wird vor allem eines bewirkt: Dass die EU-Versender endgültig hoffähig werden.

Damit wird die Arzneimittel­versorgung der Bevölkerung zunehmend Betrieben überlassen, bei denen es sich mitnichten um Apotheken handelt. Und für deren Aufsicht sich niemand zuständig fühlt, wie es gerade wieder eine Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages gezeigt hat. Zukünf­tig werden immer mehr Päckchen mit hochwirksamen Arzneistoffen in sengender Hitze transportiert und vor der Haustür abgelegt oder Kindern in die Hand gedrückt und immer mehr verschreibungspflichtige Medikamente auf Basis eines Fragebogens versandt. Schön wäre, wenn die „FAZ“ oder „heute“ auch darüber berichten würden – wir Apotheker stehen für Auskünfte gerne zur Verfügung!

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Liebesgrüße aus Brüssel

1 Kommentar

No glory in prevention

von Dirk Krüger am 21.09.2020 um 15:24 Uhr

"Schön wäre, wenn die „FAZ“ oder „heute“ auch darüber berichten würden – wir Apotheker stehen für Auskünfte gerne zur Verfügung!"

Liebe Frau Dr. Ahlheim,
es wäre nicht "schön", sondern notwendig.
Und es wird nicht reichen, auf Fragen der Medienvertreter zu warten. Hier bedarf es einer "proaktiven" Kommunikation seitens unserer Berufsvertretung , möglichst mit der Nennung von konkreten Beispielen. Leider würden die Publikumsmedien erst berichten, wenn in der Folge dieser Art der Arzneimittel"versorgung" ernsthafte Zwischenfälle auftreten. Ob diese überhaupt auffallen würden, ist fraglich. Gegner des RxVV führen als "Argument" unter Anderem an, es sei bisher ja "nichts passiert" und tun Bedenken als Panikmache ab, hinter der ja doch nur die monetären Interessen der Apotheker*innen stecken würden. There is no glory in prevention...

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