Wirtschaft

Oberhänsli: Rx-Umsatz steigt über 5 Prozent

DocMorris und Zur Rose sehen sich für einen Einstieg von Amazon in den Markt gut gewappnet

ks | „Wir geben Gas, wir bauen unseren eigenen Online-Gesundheitsmarktplatz auf“, sagte der Chef der Zur Rose-Gruppe mit Sitz im schweizerischen Frauenfeld, Walter Oberhänsli, der Deutschen Presse-Agentur. Sollte Amazon den Einstieg in den Arzneimittelmarkt wagen, sehen sich Zur Rose und die Unternehmenstochter DocMorris gut gewappnet. Auch zu einer möglichen Fusion mit dem Wettbewerber Shop Apotheke äußerte sich der Firmenchef – auch wenn eine solche derzeit „kein Thema“ sei.
Foto: Philipp Külker

Zur Rose-Chef Walter Oberhänsli sieht die Zukunft seines Unternehmens in der Plattformökonomie.

Im Jahr 2018 ist Amazon mit dem Kauf des Online-Apotheken-Start-ups PillPack in den USA ins Arzneimittelgeschäft eingestiegen. Im Januar dieses Jahres kündigte der Online-Riese an, mit der Marke „Amazon Pharmacy“ in Kanada, Australien und Großbritannien aktiv werden zu wollen. Erst kürzlich rief er in Indien eine Online-Apotheke ins Leben. Dass Amazon Ambitionen hat, auch den euro­päischen Apothekenmarkt zu erobern, liegt auf der Hand. Doch jedenfalls die Schweizer Zur Rose Group sieht eine von ihr geplante Apotheken-Plattform offenbar als Bollwerk gegen Amazon. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) erklärte Zur Rose-Chef Walter Oberhänsli, zusammen mit der Unternehmenstochter DocMorris gut gerüstet zu sein, wenn Amazon weiter in den Arzneimittelmarkt einsteigen wolle.

Anfang des Jahres hatte DocMorris angekündigt, in den kommenden Monaten eine eigene Vorbestellplattform für Apothekenprodukte schaffen zu wollen. Auch die deutschen Vor-Ort-Apotheken sollen mitmachen. Damit wird neben die bereits laufende Plattform „ihre­apotheken.de“ (Zukunftspakt) sowie die geplante „Mega-Plattform“ von ProAvO und Phoenix ein weiterer Wettbewerber auf den Plan treten. Gegenüber der dpa erklärte Oberhänsli nun, die in seiner Unternehmensgruppe geplante Plattform solle noch in diesem Jahr in Deutschland starten. „Dafür reicht Oberhänsli stationären Apothekern, die in dem Konkurrenten eher einen Branchenschreck sehen, die Hand“, heißt es bei der dpa.

Zuletzt hatte Zur Rose mit dem Kauf des deutschen Telemedizin-Anbieters TeleClinic allerdings für Missstimmung in der Apothekerschaft gesorgt. Die Verschmelzung von Arzneimittelversorgung mit ärztlichen Angeboten in einem Unternehmen wird auch in der Politik kritisch wahrgenommen – wenngleich man bislang eher beobachten als umgehend durchgreifen will.

Gedankenspiele und Visionen

Oberhänsli weist auch Gedankenspiele über eine Fusion mit der zweitgrößten Versandapotheke Europas, Shop Apotheke Europe, nicht von der Hand. „Wir wären dumm, wenn wir sagen würden: Das kommt niemals infrage“, sagte er. „Im Moment ist das aber kein Thema.“ Wenn Amazon nach der Zur Rose-Gruppe greifen würde, müssten die Aktionäre über ein Angebot entscheiden.

Oberhänsli schildert der dpa seine Vision: Ein Online-Marktplatz, der neben einem E-Rezeptservice und Angeboten stationärer Apotheker auch Serviceleistungen von Krankenkassen, Versicherungsprodukte und Apps zum Gesundheitsmanagement anbietet. Gespräche mit Apothekenverbünden liefen bereits, erklärt er. „Wir sind zu­versichtlich, weil wir glauben, dass es viele Apotheken gibt, die die Zukunft mitgestalten wollen.“

Corona-Krise als Paradigmenwechsel

Zur Rose hat eigenen Angaben zufolge neun Millionen Kunden, acht Millionen davon in Deutschland. Der Apothekenmarkt hatte nach einer Analyse des Branchenbeobachters IQVIA 2019 einen Umsatz von 38 Milliarden Euro. Davon entfiel ein Marktvolumen von 33 Milliarden Euro auf rezeptpflichtige Präparate.

Die Corona-Krise hat der Zur Rose-Gruppe im März einen Boom beschert, auf den aber mit den Ausgehbeschränkungen im April und Mai ein Einbruch folgte. „Wir liegen bei den Bestellungen jetzt in etwa auf dem Niveau von vor der Krise, vielleicht etwas höher“, so Oberhänsli. Es seien deutlich mehr Hygienemittel, Vitamine und Mineralstoffe bestellt worden.

Die Corona-Krise sei ein Paradigmenwechsel, so der Unternehmer: „Sie beflügelt die Akzeptanz für den Bezug von Arzneimitteln per Versand.“ Oberhänsli rechnet damit, dass der Umsatz mit rezeptpflichtigen Medikamenten in Deutschland bei Versandapotheken durch das E-Rezept von heute 1,4 Prozent in drei bis fünf Jahren auf mehr als 5 Prozent steigt. Seine Zielgruppe sind chronisch Kranke, die regelmäßig Arzneimittel beziehen. Im vergangenen Jahr hatte der Zur Rose-CEO pro­gnostiziert, mit dem E-Rezept könne der Rx-Marktanteil schnell auf zehn Prozent steigen.

Als Plattformbetreiber würde die Zur Rose-Gruppe an Umsätzen mit rezeptfreien Medikamenten anderer, die dort Dienste anbieten, mitverdienen – wie Amazon auf seiner eigenen Plattform. Das Unternehmen kassiert nach Branchenangaben 15 Prozent. Was Zur Rose plant, sagt Oberhänsli nicht. Nur dies: „Wir orientieren uns nicht an Amazon.“ Womöglich gebe es auch Sonderpreise in der Einführungsphase.

Auf Rezeptboni will man bei Bestellungen per E-Rezept über die Plattform allerdings ver­zichten – das jedenfalls hatte DocMorris-Vorstand Olaf Heinrich schon im vergangenen Februar angekündigt. Für Papier-Rezepte soll es das Bonus-Modell weiterhin geben. |

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