Gesundheitspolitik

Was ist ein „Pharma“-Unternehmen?

Landgericht Koblenz: Die Absicht zählt

ks | Der Firmenname „Adrexpharma“ ist nicht irreführend – auch wenn das Unternehmen tatsächlich keine Arzneimittel, sondern nur Nahrungsergänzungsmittel (NEM) vertreibt. Wer zumindest beabsichtigte, Handel mit medizinischem Cannabis oder ähnlichen Produkten zu betreiben, und dafür auch schon behördliche Anstrengungen unternommen hat, täusche die Verbraucher nicht in wettbewerbsrelevanter Weise, entschied kürzlich das Landgericht (LG) Koblenz (Urteil vom 10. Dezember 2019, Az.: 3 HK O 7/19).

Seit März 2017 darf Cannabis unter bestimmten Voraussetzungen medizinisch eingesetzt werden. An diesem neuen Geschäftsfeld wollen viele teilhaben. So ist auch die Koblenzer Adrexpharma GmbH seit März 2018 im Handelsregister eingetragen – Unternehmensgegen­stand ist demnach der internatio­nale Vertrieb von Arzneimitteln, Medizinprodukten, Kosmetika und NEM, insbesondere von Cannabis-Präparaten oder ähnlichen damit in Zusammenhang stehenden Produkten. Auf seiner Webseite präsentiert sich Adrexpharma entsprechend als ein auf „hochwertige Betäubungsmittel und medizinische Cannabisprodukte“ spezialisiertes „pharmazeutisches Unternehmen“. Es weist zudem darauf hin, dass die Werbung für Betäubungsmittel als pharmazeutische Mittel nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) nicht gestattet sei und deshalb der Öffentlichkeit keine näheren Produkt­beschreibungen zur Verfügung gestellt werden dürften. Apotheker und Ärzte fänden jedoch detaillierte Informationen zum Produktangebot im passwortgeschützten Bereich – Zugangsdaten könnten sie per E-Mail anfordern.

Beschwerden von Apotheken

Das taten auch einige Apotheker. Sie erhielten jedoch 2018 die Antwort, dass keine Zugangsdaten nötig seien, weil das Unternehmen derzeit lediglich Cannabidiol (CBD)-haltige Öle und Kapseln als NEM anbiete. Ab November 2018 solle es aber BtM-Produkte geben. Eine nächste Apotheker-Anfrage Anfang 2019 zeigte aber, dass das Angebot sich noch nicht erweitert hatte.

Beschwerden aus Apothekerkreisen sorgten dafür, dass die Wett­bewerbszentrale auf Adrexpharma aufmerksam wurde. Sie mahnte das Unternehmen ab, weil sie der Auffassung ist, die Bezeichnung „Adrexpharma“ sei irreführend – schließlich vertreibe das Unternehmen nur Lebensmittel in Form von NEM. Adrexpharma unterzeichnete jedoch keine Unterlassungserklärung. Und so machte die Wettbewerbszentrale beim LG Koblenz einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend. Ihr Argument: Bei den Verbrauchern werde durch den Firmennamen die unzutreffende Vorstellung geweckt, die vertriebenen Produkte würden sich hinsichtlich der durchgeführten Kontrollen sowie der therapeutischen Wirkung von Lebensmitteln unterscheiden. Das Unternehmen sollte es daher unterlassen, sich als Adrexpharma und/oder als pharmazeutisches Unternehmen zu bezeichnen, sofern es lediglich NEM anbiete und vertreibe.

Adrexpharma hielt dem entgegen, dass sie Inhaberin einer Erlaubnis zum Großhandel mit Arzneimitteln sei. Überdies sei ihr Ende November 2018 eine Erlaubnis für die gewerbs- oder berufsmäßige Einfuhr von Cannabisblüten als Arzneimittel aus Drittstaaten erteilt worden. Die zunächst für das 4. Quartal 2018 geplante Lieferung habe sich jedoch aufgrund von Lieferengpässen seitens des Lieferanten verzögert. Im Juli 2019 habe ihr zudem das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Erlaubnis nach § 3 BtMG zum Umgang mit Betäubungsmitteln erteilt.

Weiter Wortbegriff

Das Gericht wies die Klage ab. Die Firma der Beklagten und die Bezeichnung als pharmazeutisches Unternehmen seien nicht irreführend. Das Wort „pharma“ in einer Unternehmensbezeichnung wecke bei Verbrauchern zwar den Eindruck, dass das Sortiment dieser Firma zumindest auch aus pharmazeutischen Produkten bestehe. Sie würden darunter aber nicht nur Arzneimittel im Sinne der AMG-Definition verstehen, sondern den Begriff vielmehr generell als Synonym für den Begriff „Medikamente“ benutzen, also Stoffe oder Stoffgemische, die Krankheiten oder Schmerzen verhüten, lindern oder eliminieren sollen. Auch medizinischer Cannabis oder damit in Zusammenhang stehende Produkte würden daher als pharmazeutische Produkte verstanden.

Nachdem Adrexpharma im Verfahren einige Unterlagen vorgelegt hatte, zeigte sich das Gericht überzeugt, dass das Unternehmen „zumindest beabsichtigt, Handel mit medizinischem Cannabis und Dronabinol zu betreiben“. Die Richter sind sich sicher: „Kein wirtschaftlich handelndes Unternehmen [würde] die aufwendigen und langwierigen Genehmigungsprozesse auf sich nehmen […], wenn nicht die Absicht dahinter stünde, nach erfolgreichem Durchlaufen dieser Prozesse Handel mit medizinischem Cannabis oder ähnlichen Produkten zu treiben“. Sei es somit letztlich nur eine Frage der Zeit, bis das beklagte Unternehmen die notwendigen Voraussetzungen für ein Handeltreiben mit medizinischem Cannabis oder ähnlichen Produkten geschaffen hat, könne die von ihm gewählte Firmierung nicht irreführend sein, so das Gericht. Zudem zeigten Rechnungen vom September 2019, dass Adrexpharma nun auch Handel mit medizinischen Cannabisblüten betreibe.

Die Wettbewerbszentrale prüft nun, ob sie den Fall weiter ver­folgen will. |

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